+++ Nachrichten aus Nahost +++: Israel prüft Hamas-Vorschlag für Waffenruhe
In die Bemühungen um eine Gaza-Waffenruhe scheint Bewegung zu kommen. Israel prüft Hamas-Antwort, US-Sondergesandter trifft Netanjahu-Vertrauten.
Israel prüft Hamas-Reaktion auf Vorschlag für Waffenruhe in Gaza
Israel prüft eine überarbeitete Antwort der radikal-islamischen Hamas auf einen Vorschlag für eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln. Dies teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Donnerstag mit. Die Hamas bestätigte, einen neuen Vorschlag übergeben zu haben. Ein hochrangiger israelischer Regierungsvertreter wurde von lokalen Medien mit den Worten zitiert, der neue Text sei eine Grundlage, mit der Israel arbeiten könne. Ein israelischer Sender berichtete jedoch, eine schnelle Einigung sei nicht in Sicht, da zwischen beiden Seiten weiterhin Differenzen bestünden.
Eine erste, am Dienstagabend vorgelegte Antwort der Hamas hatten internationale Vermittler Insidern zufolge als unzureichend zurückgewiesen und Israel gar nicht erst übergeben. Ein palästinensischer Vertreter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die jüngste Position der Hamas sei „flexibel, positiv und berücksichtige das wachsende Leid in Gaza und die Notwendigkeit, das Hungern zu beenden“. Zu den Streitpunkten gehört einem israelischen Medienbericht zufolge unter anderem die Frage, wohin sich das israelische Militär während einer Waffenruhe zurückziehen soll. (rtr)
US-Sondergesandter zu Gaza-Gesprächen in Italien erwartet
Der Sondergesandte von US-Präsident Donald Trump will in Italien mit einem Vertrauten des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu über einen Vorschlag für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg beraten. Aus israelischen und amerikanischen Kreisen verlautete, Steve Witkoff werde am Donnerstag in Italien erwartet. Israel entsendet demzufolge Ron Dermer zu dem Treffen, einen engen Vertrauten Netanjahus – möglicherweise ein Zeichen dafür, dass es dem israelischen Regierungschef ernst ist mit dem Abschluss einer Vereinbarung.
Zu den Diskussionen in Italien dürfte ein Vorschlag für eine 60-tägige Waffenruhe gehören, während der die militant-islamistische Hamas zehn lebende Geiseln und die sterblichen Überreste von 18 weiteren im Austausch gegen in Israel inhaftierte Palästinenser freilassen würde. Zudem sollen Hilfslieferungen in den Gazastreifen ausgeweitet und Verhandlungen über einen dauerhaften Waffenstillstand geführt werden. Die Hamas legte am Donnerstag eine Antwort auf den jüngsten Vorschlag für eine Waffenruhe vor. Ein israelischer Vertreter, der anonym bleiben wollte, bezeichnete ihn als praktikabel. (ap)
Reuters, AP, AFP und BBC appellieren an Israel
Internationale Medien – darunter die Nachrichtenagentur Reuters – schlagen wegen der Lage ihrer Journalisten im Gazastreifen Alarm. Man sei „zutiefst besorgt“, da diese sich und ihre Familien zunehmend nicht mehr ernähren könnten, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Reuters, der Nachrichtenagenturen AP und AFP sowie dem britischen Sender BBC. Die Medienhäuser fordern die israelischen Behörden auf, Journalisten die Ein- und Ausreise zu gestatten und eine ausreichende Lebensmittelversorgung für die Menschen vor Ort sicherzustellen. (rtr)
EU: Israel muss Versorgung im Gazastreifen verbessern
Israel hat nach Einschätzung der EU-Kommission zwar einige Anstrengungen unternommen, um die Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen mit Hilfsgütern zu verbessern. Die Lage sei aber weiterhin katastrophal, sagt ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Die Europäische Union bewerte derzeit die Situation. Alle Optionen blieben auf dem Tisch, falls Israel eine Anfang des Monats mit der EU getroffene Vereinbarung zur Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen nicht umsetze. Die Vereinbarung sieht eine erhebliche Erhöhung der Zahl der täglichen Lkw-Transporte von Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern in den Gazastreifen vor, die Öffnung mehrerer Grenzübergänge sowohl im Norden als auch im Süden des Palästinensergebietes sowie die Wiederöffnung der Hilfsrouten via Jordanien und Ägypten. (rtr)
Linke fordert Bundestags-Sondersitzung
Angesichts der Zurückhaltung der Bundesregierung beim von 28 Staaten unterzeichneten Gaza-Appell hat die Linkspartei eine Sondersitzung des Bundestags gefordert. Diese sei nötig, „wenn die Regierung weiter die Augen vor dem Leid in Palästina verschließt und nicht bereit ist, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und zu handeln“, erklärten die Fraktionschefs Heidi Reichinnek und Sören Pellmann am Donnerstag. Darüber hinaus verlangten die Fraktionschefs, „dass der Auswärtige Ausschuss jetzt eine Sondersitzung anberaumt“. Die Mitglieder müssten „über alle Erkenntnisse zur aktuellen Lage“ informiert werden.
Die Links-Fraktion erneuerte auch ihre grundsätzliche Kritik an der Bundesregierung, die die Erklärung der 28 Staaten nicht unterzeichnet hatte. Dies sei „ein absoluter Offenbarungseid“, erklärten die Fraktionschefs. „Auch Deutschland muss sich dem öffentlichen Druck anschließen und vor allem endlich Taten folgen lassen.“ (afp)
Acht Verletzte bei Attacke mit Auto auf Bushaltestelle im Zentrum Israels
Bei einer mutmaßlichen Attacke mit einem Auto auf Zivilisten an einer Bushaltestelle im Zentrum Israels sind nach Angaben von Rettungskräften acht Menschen verletzt worden. Das Fahrzeug habe mehrere Menschen überfahren, der Fahrer sei vom Tatort geflohen, sagte Polizeisprecher Arjeh Doron am Donnerstag. Nach Angaben des israelischen Rettungsdienstes Magen David Adom ereignete sich der Vorfall an einer Bushaltestelle nahe der Stadt Kfar Jona etwa 25 Kilometer nördlich von Tel Aviv. Die acht Verletzten seien ins Krankenhaus gebracht worden, erklärte der Rettungsdienst. Unter ihnen seien keine Schwerverletzten. Das verlassene Auto wurde später nach Angaben der Polizei gefunden. Der Fahrer wird mit Helikoptern, Motorrädern und einer spezialisierten Hundeeinheit gesucht. Forensische Ermittler untersuchten derweil den Tatort, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP sah. (afp)
Militär tötet zwei Jugendliche im Westjordanland
Im Westjordanland sind laut palästinensischen Angaben zwei Jugendliche durch israelisches Kugel-Feuer getötet worden. Die örtlichen Gesundheitsbehörden teilten am Donnerstag mit, die Jungen im Alter von 15 und 17 Jahren seien am Mittwochabend von Kugeln getroffen worden. Das israelische Militär erklärte, Soldaten hätten auf Palästinenser geschossen, die Molotow-Cocktails auf eine Schnellstraße geworfen hätten. Dabei seien zwei Jugendliche in der Nähe der Ortschaft Al-Chader im Westjordanland getötet worden. (ap)
Hamas: Antwort auf Gaza-Vorschlag liegt vor
Die islamistische Hamas hat den Vermittlern im Gaza-Krieg eine Antwort auf einen Vorschlag für eine Waffenruhe übermittelt. Das teilte die Terrororganisation auf Telegram mit. Wie die israelische Nachrichtenseite „ynet“ unter Berufung auf informierte Kreise berichtete, handelt es sich um eine aktualisierte Fassung. Über den Inhalt war zunächst nichts bekannt. Die israelische Regierung bestätigte, die Hamas-Antwort von den Vermittlern erhalten zu haben. Sie werde derzeit begutachtet, hieß es in einer Mitteilung des Ministerpräsidentenamtes in Jerusalem. (dpa)
Brasilien schließt sich Südafrikas Klage gegen Israel vor UN-Gericht an
Brasilien schließt sich nach eigenen Angaben der Klage Südafrikas im Zusammenhang mit Israels Vorgehen im Gazastreifen vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) an. Eine Quelle aus dem brasilianischen Außenministerium teilte der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch mit, Brasilien habe seine Entscheidung bereits getroffen und warte auf einen baldigen Termin, um seinen Beitritt zu dem Verfahren zu formalisieren. In einer Erklärung verurteilt das brasilianische Außenministerium die „täglichen Massaker“ an Frauen und Kindern und den „schamlosen Einsatz von Hunger als Kriegswaffe“ durch Israel im Gazastreifen. „Die internationale Gemeinschaft darf angesichts der anhaltenden Gräueltaten nicht tatenlos zusehen“, hieß es in der Erklärung weiter.
Zuvor hatten sich bereits mehrere Länder der Klage Südafrikas angeschlossen, darunter Bolivien, Kolumbien, Libyen, Spanien und Mexiko. Der IGH in Den Haag prüft eine im Dezember 2023 eingereichte Klage, in der Südafrika Israel „Völkermord“ im Gazastreifen vorwirft. Der IGH wies Israel daraufhin im Januar 2024 an, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um bei seinem Vorgehen gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen Handlungen im Zusammenhang mit einem möglichen „Völkermord“ zu verhindern. Im Mai 2024 ordnete das Gericht zudem einen Stopp der israelischen Militäroffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens an. (afp)
Kanada: Israelische Militäroperationen gegen UN-Einrichtungen „inakzeptabel“
Kanada fordert in einer Mitteilung auf dem Kurznachrichtendienst X die sofortige Wiederaufnahme der von den Vereinten Nationen geleiteten Hilfslieferungen im Gazastreifen. „Die israelischen Militäroperationen gegen Mitarbeiter und Einrichtungen der Weltgesundheitsorganisation und Hilfskonvois des Welternährungsprogramms sowie die anhaltende Tötung von Palästinensern, die dringend benötigte Lebensmittel und Wasser suchen, sind inakzeptabel“, teilt das kanadische Außenministerium auf dem Kurznachrichtendienst X mit. Die Hungersnot in Gaza habe katastrophale Ausmaße erreicht. (rtr)
Londoner Bürgermeister fordert Anerkennung von Palästinenserstaat
Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan fordert die britische Regierung zur Anerkennung eines palästinensischen Staates auf. „Es kann keine Zweistaatenlösung geben, wenn es keinen lebensfähigen Staat mehr gibt, den man Palästina nennen kann“, schrieb der Labour-Politiker in einem Beitrag auf der Plattform X. Das Vereinigte Königreich müsse „unverzüglich die palästinensische Staatlichkeit“ anerkennen. Großbritannien müsse deutlich mehr tun, um die israelische Regierung unter Druck zu setzen, damit diese das „schreckliche, sinnlose Töten“ im Gaza-Krieg beende, schrieb Khan weiter. (dpa)
Dröge fordert Sanktionen gegen zwei israelische Minister
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge fordert von der Bundesregierung einen härteren Kurs gegenüber Israel wegen dessen Vorgehens im Gazastreifen. Im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sprach sich Dröge für Sanktionen gegen die israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir aus. „Beide rufen ganz offen zu Gewalt gegen die palästinensische Zivilbevölkerung und zu Vertreibung auf und unterstützen den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau in der Westbank. Hier ist eine klare Haltung der Bundesregierung gefragt“, sagte die Grünen-Politikerin.
Großbritannien, Australien, Kanada, Neuseeland und Norwegen hatten vor gut zwei Monaten Sanktionen gegen Finanzminister Smotrich und Sicherheitsminister Ben-Gvir beschlossen. Vor wenigen Tagen hatte Slowenien als erstes EU-Land beide Minister zu unerwünschten Personen erklärt, damit dürfen sie dort nicht mehr einreisen. Dröge forderte außerdem den Stopp von Waffenexporten nach Israel, die in Gaza eingesetzt werden können. Sie appellierte zugleich an die Bundesregierung, die Erklärung von 28 Staaten zu unterzeichnen, in der ein sofortiges Ende des Krieges im Gazastreifen gefordert wird. „Wenn Friedrich Merz seine Worte ernst meint, sollte Deutschland die Erklärung unterzeichnen“, mahnte Dröge. (dpa)
Israel wirft UN-Nothilfebüro Ocha Verbindungen zur Hamas vor
Die israelische Regierung hat dem UN-Nothilfebüro Ocha Voreingenommenheit und Verbindungen zur militant-islamistischen Hamas vorgeworfen. Israel habe „eindeutige Beweise für Hamas-Verbindungen in den Reihen von Ocha“ gefunden, sagte UN-Botschafter Danny Danon am Mittwoch dem UN-Sicherheitsrat. Hunderte Ocha-Mitarbeiter würden deshalb einer Sicherheitsprüfung unterzogen. Jonathan Whittall, der Ocha in den palästinensischen Gebieten leitet, müsse Israel bis Dienstag kommender Woche verlassen, weil er voreingenommen sei.
Darüber hinaus verlangte Danon, Ocha-Chef Tom Fletcher solle seine Aussage zurückziehen, „dass Israel in Gaza einen Völkermord begeht“. Flechter habe „seine heilige Verantwortung“ aufgegeben, „unvoreingenommen zu handeln.“ Ocha-Sprecherin Eri Kaneko sagte: „Jede Reduzierung unseres eigenen Personals wird unsere ohnehin schon eingeschränkten Bemühungen erschweren, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu erreichen, die dringend lebensrettende humanitäre Hilfe benötigt.“ (ap)
Israels Botschafter an SPD-Politiker: „Verrat an Geiseln“
Der israelische Botschafter Ron Prosor hat Forderungen aus der SPD nach einer deutschen Unterstützung des internationalen Appells für ein Ende des Gaza-Kriegs scharf kritisiert. „Ausgerechnet jetzt eine deutsche Beteiligung an Initiativen gegen Israel wie das Statement der 28 Staaten zu fordern ist unverantwortlich“, sagte Prosor der Deutschen Presse-Agentur. „Damit wird der Hamas signalisiert, dass es sich lohnt, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen. Das ist ein Verrat an den Geiseln und ein Bärendienst für die Bewohner des Gazastreifens.“ Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte: „Die Stellungnahmen aus der SPD-Bundestagsfraktion zur Situation in Gaza sind in ihrer Einseitigkeit verstörend. Mit den einseitigen Schuldzuweisungen an Israel ignorieren sie die Realität im Nahen Osten und befreien die Hamas von jeglicher Verantwortung für das Leid der Palästinenser.“ Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann wies die Forderung der SPD-Fraktionsspitze zurück. „Dieser einseitige Druck auf Israel, das ist doch genau das, was die Hamas will“, sagte er der dpa. (dpa)
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