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Theatermacher Robert WilsonMr. Avantgarde ist gegangen

Robert Wilson begann als ein Künstler des Minimalismus. An deutschen Theatern entwickelte er aber auch ein populäres Musiktheater. Ein Nachruf.

Berühmt machte Robert Wilson im Jahr 1976 „Einstein on the Beach“ Foto: Lucie Jansch

Robert Wilson wurde verehrt wie Mr. Avantgarde himself. Für viele der Künstler:innen, die mit ihm gearbeitet haben, war er ein Meilenstein auf ihrem Weg zu eigenen Zielen. Er war nicht nur ein Regisseur von eigenen Theaterstücken und Opern, sondern ein Zeremonienmeister von Licht, Zeit, Klang und Farben. Lange schien er ein Minimalist, der mit der Suche nach Entschleunigung dem Diktat der Zeit zu entkommen suchte.

Die Wahrnehmung zu verändern, den Augenblick zu überhöhen, alte Ordnungsmuster beiseite zu fegen; das waren Gesten der Befreiung, als der 1941 in Texas geborene Robert Wilson Ende der 1960er Jahre in New York seine ersten Performances herausbrachte. Er wurde damit wie Andy Warhol, John Cage und die Judson Church zum Teil einer US-amerikanischen Gegenkultur.

Berühmt wurde er 1976 mit „Einstein on the Beach“, entwickelt mit dem Komponisten Philipp Glas und der Choreografin Lucinda Childs. In der Nacht zum Donnerstag ist er mit 83 gestorben in seinem Haus in Water Mill im Staat New York.

Vor zwanzig Jahren etwa ist ein Dokumentarfilm über ihn erschienen, „Absolute Wilson“, von der Regisseurin Katharina Otto-Bernstein. Erzählt wird darin unter anderem eine verrückte Episode: 1972 wurde Wilson vom Schah von Persien zum Shiraz-Theaterfestival in den Iran eingeladen. Auf der Reise nach Teheran wurde er am Flughafen Athen mit Haschisch in der Jackentasche erwischt und ins Gefängnis gesetzt.

Die Zeit, die Wüste, das Gefängnis

Vier Wochen musste er dort bleiben, und da habe er, erzählt Wilson der Regisseurin, die größte Ruhe gehabt, über das Stück und die Entdramatisierung der Zeit nachzudenken. Später, bei der siebentägigen Performance in einer Wüstenlandschaft im Iran mussten die Performerinnen reihenweise wegen Dehydrierung ins Krankenhaus. Schlaf- und Trinkpausen waren nicht vorgesehen.

Robert Wilson war ein großer Stilist, der bildenden Kunst ebenso zugetan wie den Bühnenräumen. Verfremdung der Bewegungen, die Langsamkeit, die großen leeren Flächen zwischen den Darstellenden, die maskenhafte Überzeichnung der Figuren waren für ihn nicht einfach Mittel der Erzählung, sondern traten oft an deren Stelle. Was in den ersten Jahrzehnten seiner internationalen Theaterarbeit von großer Magie war und sich mit großem Mut über Traditionen und Normen hinwegsetzte, nahm in den letzten Jahren mitunter aber auch etwas Dekoratives und Manieristisches an, ein Stilwollen, das sich selbst feierte.

Er galt als ein Genie. Für viele der Theater in Deutschland, mit denen Robert Wilson zusammen gearbeitet hat, wie das Thalia Theater in Hamburg, das Berliner Ensemble und die Schaubühne in Berlin, war er ein Star, ein Pfund, mit dem man wuchern konnte.

Am Thalia Theater Hamburg war 1990 „The Black Rider“ rausgekommen, mit der Musik von Tom Waits und einem Text von William S. Burroughs, inzwischen an vielen kleineren Theatern nachgespielt. Für das Berliner Ensemble hatte Wilson wiederholt gearbeitet. 2013 inszenierte er dort „Peter Pan“ und bat die CocoRosies, die Musik dazu zu schreiben. Wie die Musik das Slapstickhafte des Spiels untermalte, war dann doch auch illustrativ.

Seine Kunst, die immer noch mit der Aura von Erneuerung und Verweigerung des Konventionellen umgeben war, konnte eben auch sehr unterhaltsam und gut konsumierbar werden. 2015 folgte am BE ein Faust, mit Musik und Liedern von Herbert Grönemeyer. Der alte Avantgardist konnte eben auch populär aufspielen – und das ist dann doch schon ein Alleinstellungsmerkmal.

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