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SerbienDemonstranten zünden Büro der Vučić-Partei an

In Serbien verwüsten Regierungsanhänger das Café eines Sympathisanten der Protestbewegung. Protestierende antworten mit Randalen.

Demonstranten in Belgrad errichten Barrikaden Foto: Djordje Kojadinovic/reuters

Split taz | Bei den seit fast neun Monaten andauernden Protesten gegen die Regierung von Präsident Aleksandar Vučić ist es in Serbien zu Gewaltakten gekommen. Die schwersten Auseinandersetzungen ereigneten sich in der zentralserbischen Stadt ­Valjevo, wo Tausende Menschen auf die Straße gingen. Eine kleine Gruppe maskierter Regierungsgegner griff dort am Abend das Büro der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) an und setzte es in Brand. Zudem beschädigte sie Gebäude der Stadtverwaltung und der örtlichen Staatsanwaltschaft.

Neu ist jetzt, dass die Demonstranten nicht mehr alles, was mit ihnen geschieht, erdulden. Die Staatsmacht verfügt in Serbien bei den Menschen ohnehin traditionell nur über begrenzten Respekt, aber bisher haben die Demonstranten doch einiges ertragen.

Der Zorn der Demonstranten in der Stadt 100 Kilometer südwestlich von Belgrad aber richtete sich gegen die Tatsache, dass zwei Tage zuvor Schlägertrupps der SNS ein Café im Besitz eines Sympathisanten der Protestbewegung zerstört hatten.

Das forderte Mitstreiter, Freunde und Familie des Geschädigten zur Gegenwehr heraus. In derselben Nacht hatten Schläger der SNS die Werkstatt des Vaters einer studentischen Aktivistin überfallen und ihren Betreiber krankenhausreif geprügelt. Dass die Behörden keine Schritte zur strafrechtlichen Verfolgung dieser Gewaltakte unternahmen, ließ die Wut nur noch größer werden.

Angriffe von Vučić-Anhängern

Die Proteste waren bis zum vergangenen Mittwoch weitgehend gewaltfrei verlaufen. Allerdings waren die Kundgebungen von Anfang an immer wieder von organisierten Anhängern der Vučić-Regierung tätlich angegriffen worden. Diese Übergriffe wurden von der normalen Polizei nur selten geahndet. So schritten die Demonstranten selbst zur Tat.

Das ist in Serbien nicht ganz neu, hat aber eine neue Qualität. Die neue Dynamik mit gewalttätigen Ausschreitungen, die auch von Demonstranten ausgehen, hat mit der Frustration der ­Bürger wegen der Tatenlosigkeit der Behörden angesichts der Gewalt der Regierungsanhänger zu tun.

In der Nacht zum Sonntag demonstrierten Regierungsgegner in zahlreichen Städten Serbiens. Zu Zusammenstößen mit der Polizei kam es den Berichten zufolge auch im Belgrader Bezirk Novi Beograd. Die Sicherheitskräfte stoppten Demonstranten, die zum Hauptquartier der SNS marschieren wollten. Auch aus der zweitgrößten Stadt des Landes, Novi Sad, wurden Zusammenstöße gemeldet.

Innenminister Ivica Dačić sagte kurz vor Mitternacht, dass in Belgrad ein Gendarm verletzt und 18 Demonstranten festgenommen worden seien. Angaben über die Zahl verletzter Protestteilnehmer machen die serbischen Behörden keine. Über soziale Medien weiß man aber, dass es zahlreiche Jugendliche gab, die von den kriminellen Schlägern verletzt worden waren.

Proteste gegen Korruption

In Serbien kommt es seit Monaten regelmäßig zu heftigen Protesten gegen die Regierung und die im Land herrschende Korruption. Auslöser der Protestwelle war der Einsturz des Bahnhofsvordachs von Novi Sad am 1. November 2024, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen. Der Hauptbahnhof war erst im Juli 2024 nach dreijährigen Renovierungsarbeiten wieder voll in Betrieb gegangen.

Bei den durch das Unglück ausgelösten Protesten ging es zunächst um die Ursachen des Einsturzes, später richteten sich die vor allem von Studierenden getragenen Kundgebungen gegen die Regierung und die weitverbreitete Korruption im Land. An der bisher größten Demonstration beteiligten sich Mitte März rund 300.000 Menschen. In letzter Zeit wurden regierungskritische Demons­tranten immer wieder von teils vermummten Regierungsanhängern attackiert.

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