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Folgen der ErderhitzungTropische Krankheiten sind in der EU angekommen

Gegen das von Tigermücken übertragene West-Nil-Virus gibt es keine Impfung. In diesem Jahr starben schon 19 Menschen in der EU nach Infektionen.

Die asiatische Tigermücke Foto: Dreamstime/imago

Berlin taz | Nie sind innerhalb der Europäischen Union so viele tropische Krankheiten übertragen worden wie in diesem Jahr: Nach Erhebung der Präventionsagentur ECDC steckten sich bislang allein mindestens 335 Menschen mit dem West-Nil-Virus an, 19 von ihnen starben. Zudem wurden seit Jahresbeginn 27 Ausbrüche des Chikungunya-Virus gemeldet, allein in Frankreich erwischte es 111 Menschen. Überträgerin solcher Krankheiten ist die Asiatische Tigermücke, die mittlerweile in 16 EU-Staaten und 369 Regionen heimisch ist.

Ursprünglich in den süd- und südostasiatischen Tropen und Subtropen heimisch, breitete sich die Tigermücke mit der Globalisierung aus: Sie reiste im Ei-Stadium auf Schiffen, in Warencontainern, sehr gern in kleinen Pfützen im Innern von Altreifen. Erstmals in Deutschland wurde sie 2007 entdeckt: tief im Südwesten, auf dem Rastplatz Rheinaue an der Autobahn A5 bei Efringen-Kirchen in Baden-Württemberg.

In Europa überleben konnte die Mücke erst mit den durch die Erderhitzung steigenden Temperaturen, mit milderen Wintern und wärmeren Sommern. Inzwischen kann sie sich auch in Deutschland vermehren. Eine erste größere Population wurde 2014 am Oberrhein nahe Freiburg registriert, 2020 gab es in Jena ein größeres Vorkommen, zuletzt wurde sie in einer Kleingartenanlage in Berlin-Treptow nachgewiesen.

Nicht nur die Tigermücken profitieren von den steigenden Temperaturen, sondern beispielsweise auch Zecken, die Erreger wie Borreliose-Bakterien oder FSME-Viren übertragen. Letztere können zu lebensgefährlichen Gehirn- oder Rückenmarkentzündungen führen. Früher galten auch bei Übertragungen durch Zecken nur Regionen ganz im Süden Deutschlands als Risikogebiet. 2019 kam mit dem Emsland in Niedersachsen erstmals ein Kreis in Norddeutschland hinzu, zuletzt setzte das RKI den Landkreis Celle auf die Karte der Risikogebiete. Inzwischen beinhaltet diese Karte laut Robert-Koch-Institut 164 Landkreise, also etwa jeden zweiten.

Innere Blutungen und Gelenkschmerzen

Tropische Krankheiten kamen lange Zeit in Europa fast ausschließlich bei Reiserückkehrern vor, die sich in den Tropen infiziert hatten. Wurden beispielsweise im Jahr 2001 in Deutschland lediglich 60 Fälle von Dengue-Fieber registriert, waren es 2024 schon 1.842.

Gegen Dengue, das innere Blutungen hervorrufen kann, und Chikungunya-Viren, die schwere Gelenkschmerzen verursachen können, sowie FSME gibt es Impfstoffe. Gegen das West-Nil-Fiber und Borreliose dagegen nicht. „Europa tritt in eine neue Phase ein“, warnte Pamela Rendi-Wagner, ECDC-Leiterin und frühere österreichische Gesundheitsministerin. „Eine längere, umfassendere und intensivere Erkrankung bei durch Mücken übertragenen Krankheiten wird zur neuen Normalität.“

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