Pöbeln im Parlament: Es wird teuer… vor allem für die AfD
Der Bundestag debattiert über eine Reform seiner Geschäftsordnung. Die Sanktionen für Beleidigungen sollen verschärft, Abwahlen geregelt werden.
Am Freitag berät der Bundestag in erster Lesung über eine Reform seiner Geschäftsordnung. „Am wichtigsten ist, gegen Hass und Hetze im Bundestag vorzugehen und die Verfahren so zu präzisieren, dass einzelne Parteien keine Show veranstalten und Nischen nutzen können, um Verfahren verächtlich zu machen“, sagt Johannes Fechner, Justiziar der SPD-Fraktion, der die Reform mitverhandelt hat.
In der vergangenen Legislaturperiode verhängte das Bundestagspräsidium 129 Ordnungsrufe, um Pöbeleien und Beleidigungen im Plenum zu ahnden. Zwei Drittel davon gingen an die AfD, auf Platz zwei lagen die fraktionslosen Abgeordneten, die allerdings ursprünglich auch über die AfD ins Parlament eingezogen waren. Künftig sollen Abgeordnete, die innerhalb einer Sitzung drei Ordnungsrufe kassieren, automatisch des Saales verwiesen werden.
Bei drei Ordnungsrufen innerhalb von drei Sitzungswochen wird automatisch ein Ordnungsgeld festgesetzt. Die Höhe der Ordnungsgelder wird verdoppelt, zunächst von 1.000 auf 2.000 Euro, im Wiederholungsfall von 2.000 auf 4.000 Euro. Ob das wirklich nützt, ist allerdings offen. Manche Abgeordnete würden die Ordnungsrufe „wie Trophäen“ vor sich her tragen, sagte Ex-Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in der vergangenen Legislaturperiode.
Neue Regeln zur Abwahl
Geregelt werden soll nun auch, dass die Bundestagsvizepräsident*innen mit einer Zweidrittelmehrheit abgewählt werden können. Das Gleiche wird auch für Ausschussvorsitzende festgeschrieben. Den Fall hat es schon gegeben: Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner war 2019 als Vorsitzender des Rechtsausschusses abgewählt worden, das Bundesverfassungsgericht hatte die Abwahl später für rechtmäßig erklärt.
Brandner ist übrigens auch der Abgeordnete, der die meisten Ordnungsrufe bekommen hat – etwa weil er Friedrich Merz als „Pinocchio-Fritze“ beschimpfte und den SPD-Abgeordneten Helge Lindh einen „Sozialfaschisten“ nannte. Derzeit stellt die AfD keine Ausschussvorsitzenden, einen Sitz im Bundestagspräsidium hatte sie noch nie. Bei den entsprechenden Wahlen im Bundestag fehlte den vorgeschlagenen Kandidat*innen stets die notwendige Mehrheit.
Um zukünftig endlose Wahlrunden für den Vizepräsidentenposten zu verhindern, soll auch dieses Verfahren neu geregelt werden: Nach drei erfolglosen Wahlgängen für den ersten Vorschlag einer Fraktion kann erst nach drei Wochen ein neuer Wahlgang angesetzt werden. Für neue Wahlvorschläge gilt dann ein Quorum von mindestens einem Viertel der Abgeordneten.
Der Entwurf stammt von Union und SPD, auch die Ampel hatte bereits an einer Reform der Geschäftsordnung gearbeitet. Den Grünen geht der jetzige Entwurf nicht weit genug. Sie hätten sich unter anderem auch Richtlinien für die Sitzungsleitung durch das Bundestagspräsidium gewünscht, etwa dass rassistische und sexistische Äußerungen nicht geduldet würden, sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic. „Die Koalition war nicht bereit, das aufzunehmen.“
Im Vergleich zu dem Entwurf der Ampel stelle der neue einen „deutlichen Rückschritt“ dar, kritisiert auch Ina Latendorf, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken. Zudem sei es inkonsequent, die Abwahl von Vizepräsident*innen zu ermöglichen, dies aber bei der Präsident*in des Bundestages nicht zuzulassen.
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