US-Armee: Avantgarde des Faschismus
Das Militär soll Trump helfen, die Amerikaner zu beherrschen. Die Soldaten fühlen sich eher dem Präsidenten, weniger der Demokratie verpflichtet.

A utoritäre Regime stehen und fallen mit der Loyalität der Sicherheitskräfte. US-Präsident Donald Trump hat seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus dahingehend kaum etwas dem Zufall überlassen. Sein Verteidigungsminister Pete Hegseth entließ sofort ein halbes Dutzend hochrangiger Generäle, darunter den Vorsitzenden des Generalstabs.
Doch es war eine Rede vor den Truppen einen Monat später, die am deutlichsten zeigte, wie Trump die Rolle der Streitkräfte sieht. Er erwähnte die Welt nicht, sprach kein Nationalinteresse an und äußerte keine Besorgnis über Bedrohungen aus China oder Russland.
Und während Präsidenten üblicherweise von individuellem Heldentum als Beweis für ein Land sprechen, das es wert ist, verteidigt zu werden, sagte Trump nichts dergleichen. Weder sprach er über Verfassungsrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, noch über die Demokratie. Amerika existierte in Trumps Rede nicht.
Stattdessen nutzte Trump die US-Militärgeschichte, um seinen Personenkult zu fördern: Große Leistungen auf dem Schlachtfeld wurden zu Taten, die zum Vergnügen eines Führers vollbracht wurden. Der Präsident erwähnte sie, um seine Macht zu demonstrieren. Militärischer Ruhm wird zu einem Spektakel, dem der Führer jede beliebige Bedeutung verleihen kann.

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Das ist das faschistische Prinzip, und Trump hat es verstanden. Alle Politik ist Kampf, und wer den Feind definieren kann, kann an der Macht bleiben. Aber während die historischen Faschisten einen äußeren und einen inneren Feind hatten, hat Trump nur einen innenpolitischen Feind.
Deshalb hat er, nachdem er sich Israels Angriffen auf den Iran angeschlossen hatte, eilig den Sieg und einen Waffenstillstand verkündet. Die Welt ist zu viel für ihn. Die Armee dient nur dazu, die Amerikaner zu beherrschen: Denn Trump will schlussendlich die US-Soldaten darauf vorbereiten, sich als Helden zu betrachten, wenn sie an Inlandseinsätzen teilnehmen.
Die Soldaten sollen Trump folgen
In seiner Rede überhöhte sich Trump massiv. Er machte sich wiederholt über seinen Vorgänger lustig und rief die Soldaten auf, sich über den Grundgedanken hinwegzusetzen, dass ihr Dienst der Verfassung und nicht einer Person gelte.
Diese beispiellose Personalisierung der Präsidentschaft suggeriert, dass Trumps Autorität noch auf etwas anderem beruht als auf einer Wahl – auf individuellem Charisma oder sogar göttlichem Recht. Die Soldaten sollen Trump folgen, weil er Trump ist.
Die meisten Amerikaner gehen davon aus, dass die US-Armee dazu da ist, uns zu verteidigen. Aber Trump nutzte die Rede, um die Armee dazu zu bringen, ihre Mitbürger zu verhöhnen und seinem Spott gegen Journalisten zu folgen.
Er vermittelte den Soldaten, dass die Gesellschaft nicht zählt und das Gesetz keine Rolle spielt. Nur er selbst sei wichtig, und er „liebt“ Soldaten so sehr, dass „wir euch durch die Bank eine Lohnerhöhung geben“. Das ist die Art und Weise, wie ein Diktator zu einer Palastwache oder einem Paramilitär spricht.
Wir erleben den Versuch eines Regimewechsels
Wir werden derzeit Zeugen eines von Perversitäten durchsetzten Versuchs des Regimewechsels. Das hat eine historische Komponente: Wir sollen die konföderierten Verräter wie Robert E. Lee feiern, die in Verteidigung der Sklaverei gegen die USA rebellierten.
Es hat eine faschistische Komponente: Wir sollen den gegenwärtigen Moment als Ausnahmesituation betrachten, in der dem Führer alles erlaubt ist. Und es hat auch eine institutionelle Komponente: Die Soldaten sollen die Avantgarde des Untergangs der Demokratie sein, deren Aufgabe es ist, die vom Führer auserwählten Feinde zu unterdrücken – innerhalb der USA.
Migration als „Invasion“ zu sehen, das soll die Armee auch glauben. Dabei gehören dem US-Militär, wie in anderen Institutionen auch, Menschen mit Migrationsgeschichte an. Die Truppe ist in hohem Maße von Afroamerikanern und Nichtstaatsbürgern abhängig. Der Versuch, sie in einen Kult der „Confederacy“ und ein Instrument zur Verfolgung von Migranten zu verwandeln, würde zu großen Spannungen führen.
Der Republikaner würde derartiges begrüßen und ausnutzen. Er will eine Armee, die ein persönliches Paramilitär ist. Er will eine Republik in ein faschistisches Regime verwandeln.
Demokratischer Widerstand gegen König Trump
Aber was wollen die US-Soldaten? Trumps Rede war eine hochgradig kuratierte Angelegenheit, bei der die Zuhörer auf der Basis ihrer politischen Ansichten und ihres Aussehens ausgewählt wurden.
Die Militärparade jedoch, die Trump zu Ehren des 250-jährigen Bestehens der Armee und seines eigenen Geburtstags in Washington abhielt und bei der etwa 6.600 Soldaten in Kampfanzügen an einer spärlichen Menschenmenge vorbeischlenderten (nicht marschierten), wurde weithin als „Flop“ bezeichnet. Als militärisches Spektakel konnte sie weder mit Pjöngjang noch mit dem Roten Platz mithalten.
Ich war nicht dabei. Wie mindestens vier Millionen andere Menschen in den USA war ich an diesem Tag auf einer der Anti-Trump-Kundgebungen, die unter dem Motto „No Kings“ in rund 2.100 Orten im ganzen Land stattfanden.
Es war der größte eintägige politische Protest in der Geschichte der USA, stellte die Teilnehmerzahl an Trumps Parade weit in den Schatten und bewies, dass eine Demokratie nur dann existiert, wenn ein Volk existiert. Und ein Volk existiert nur dann, wenn die Menschen sich ihrer Mitmenschen und ihrer Notwendigkeit, gemeinsam zu handeln, bewusst sind. Dieses Bewusstsein ist Trumps schlimmster Feind.
Aus dem Englischen von Jan Doolan
Copyright: Project Syndicate, 2025. Das Project Syndicate mit Sitz in Prag ist eine Non-Profit-Organisation, die internationalen Medien Essays und Meinungsbeiträge von namhaften PublizistInnen und WissenschaftlerInnen anbietet.
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