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Vorstoß von Ministerin ReicheKosten für Ökostromer?

Sollen die Erzeuger erneuerbarer Energien Netzkosten bezahlen? Die Wirtschaftsministerin kündigt Belastungen an, doch was der Plan ist, bleibt offen.

Ministerin Katherina Reiche fördert Gaskraftwerke und will Ökostromerzeuger belasten Foto: Arnulf Hettrich/imago

Berlin taz | Viele sehen es als erneuten Angriff von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) auf die Erneuerbaren: Ökostromerzeuger müssten in Zukunft stärker an den Kosten des Netzausbaus beteiligt werden, sagte sie bei einer Veranstaltung des Energiekonzerns RWE. Der Erfolg der Erneuerbaren sei unübersehbar, erzeuge aber hohe Kosten des Stromsystems, die sogar die Wettbewerbsfähigkeit des Landes beeinträchtigten.

Wie eine solche Beteiligung der Stromerzeuger aussehen könnte, ist aus dem Ministerium allerdings nicht zu erfahren. Soll es nur um Neu- oder auch um Altanlagen gehen? Nur um große Einspeiser oder auch um kleine Balkonsolaranlagen? Soll jede Kilowattstunde oder pauschal für installierte Leistung bezahlt werden? Spielt der Ort der Anlage eine Rolle?

„Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt“, sagt Nicolai Herrmann, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Enervis Energy Advisors. Wichtig sei, dass jede Neuregelung mit den komplexen Energiemärkten harmonieren müsse. Ungewöhnlich ist die Idee, auch von Einspeisern Netzentgelte zu erheben, indes nicht. „Es gibt Länder, die diese Variante gewählt haben“, sagt Uwe Leprich, Professor für Wirtschaftswissenschaften in Saarbrücken.

Doch Deutschland habe sich für ein Modell entschieden, bei dem allein die Verbraucher die Netzkosten bezahlen. Auch Großkraftwerke hätten daher nie Netzentgelte entrichtet. Letztendlich sei es aber egal, welchen Modus man wählt.

Wenn Ökostromerzeuger künftig Netzentgelte bezahlen müssten, müsse der Staat im Gegenzug die Vergütungen für den eingespeisten Strom erhöhen, sofern er nicht weniger Investitionstätigkeit in Kauf nehmen will. „Das ist dann das Prinzip linke Tasche, rechte Tasche“, so der Energieökonom.

Der Thinktank Agora Energiewende äußerte sich bereits im Sommer skeptisch: Um Verbraucher nennenswert von Netzkosten zu entlasten, seien „sehr hohe Umverteilungen nötig“. Hinzu komme, dass der Großhandelspreis des Stroms steigt, wenn man die Erzeuger mit den Netzkosten belastet – womit diese dann doch wieder an die Verbraucher durchgereicht würden.

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3 Kommentare

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  • Weder Wind noch Sonne liefern 24 Stunden am Tag Strom, im Gegensatz zu Kohle und Gas. Das ist der Grund fuer den benoetigten Netz- und Speicherausbau.



    Strom aus Wind und Sonne rentiert sich vor allem deshalb so sehr, weil die Kosten fuer Netzausbau und Speicher sozialisiert und die Gewinne privatisiert werden.

    Was wir brauchen ist die Verpflichtung der 24h-Stromeinspeisung. Das heisst, jeder Stromerzeuger muss, wenn er Strom ins Netz einspeisen will, diesen mittels Speichern vor Ort auf 24h verteilen. Dadurch koennten enorme Kosten beim Netzausbau eingespart werden.



    Das waere zwar immer noch kein gleichwertiger Ersatz fuer die Fossilen, da Windflauten oder schwache Wintersonne eine Speicherung ueber 24h hinaus erfordern. Aber ohne 24h-Auslastung rentiert sich keine Wasserstofferzeugung und wir werden nie aus Kohle/Gas rauskommen, sondern nur den jetzt schon weltweit hoechsten Strompreis zu neuen Rekorden verhelfen. Der CO2-Ausstoss pro produzierter kWh stagniert und wir sind deshalb gezwungen, CO2 auf der Verbraucherseite einzusparen - mit all den Verwerfungen im Bereich Wirtschaft und Lebenserhaltungskosten (zB Wohnen), die wir seit Jahren beobachten koennen.

  • Was für ein Hickhack.



    Ich würde es umgekehrt angehen, Erzeuger zahlen (viel) weniger.



    Beispiel: Wenn in einem Ort Windräder stehen, was spräche dagegen das Netzentgeld an diesen Orten zu verringert oder zu streichen? Dort wo es erzeugt wird, brauchst nämlich gar nicht soviel Leitungen um es zu den Leuten zu bringen. Die braucht es da wo nicht erzeugt wird.



    Also Netzentgeld dort wo erzeugt wird runter, und wo nicht erzeugt wird rauf.



    So wird es dann plötzlich zum Nachteil kein Windrad oder Solar im Ort zu haben, und zum Vorteil wenn man es hat.



    Auf einen Schlag gäbe es mindestens 50% weniger Initiativen gegen den Öko Ausbau, wetten?

    Aktuell ist es kein Nachteil sich quer zu stellen, sondern vorteilhaft, und genau das ist doch falsch!

    • @Rikard Dobos:

      Ein spannender Gedanke! Das würde Strom in den Erzeugerregionen billiger machen und Industrien zusätzlich dazu verleiten, energieintensive Prozesse in diese Regionen zu verlagern. Das wiederum würde strukturell den Bedarf des Netzausbaus – zumindest im Hinblick auf die Übertragung – senken. Regionale Beteiligungsmodelle wären weniger notwendig. Von zusätzlichen Steuereinnahmen profitieren die Gemeinden aber schon jetzt. Nachteile hätten Industrien mit einem ungünstigen Standort und geringer Mobilität.

      Sofern der regionale Verbrauch in die Berechnung der verringerten Netzentgelte mit einbezogen würde, wären Regionen mit einem negativen Stromsaldo – zum Beispiel Bayern – im Nachteil. Und das ist bei vielen guten Ideen leider meistens der Punkt, an dem man sie schon wieder zurück in die Schublade legen kann.

      Wenn es um den privaten Verbrauch geht, könnten auch Ungerechtigkeiten auftreten. Eigentlich möchten wir ja nicht unbedingt die Berliner dazu bewegen doch gesammelt nach Norddeutschland zu ziehen. In Berlin sind die Ausbaukosten pro Kopf vermutlich geringer als in einem Flächenland, Platz für Windräder ist aber eher begrenzt. Da könnte ich aber auch einen Denkfehler machen?