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Rohstoffgewinnung in EcuadorDas Öl soll im Boden bleiben

Die Volksabstimmung, mit der die Ecua­do­ria­ne­r*in­nen für ein Ende der Förderung im Nationalpark Yasuní stimmte, wurde nicht umgesetzt. Indigene kämpfen weiter.

Ver­tre­te­r*in­nen der Waorani aus verschiedenen Teilen des Amazonasgebiets protestieren in Quito Foto: Cristina Vega

QUITO taz | Mehr als die Hälfte der ecuadorianischen Bevölkerung stimmte im August 2023 für ein historisches Referendum: Die Ausbeutung von Erdöl im Nationalpark Yasuní sollte gestoppt, das Öl des Förderblocks 43 dauerhaft im Boden belassen werden. Ein bedeutender Sieg für den Umwelt- und Indigenenschutz in einem der artenreichsten Gebiete der Welt. Zumindest auf dem Papier. Zwei Jahre später ist die Realität eine andere: Die Umsetzung des Volksentscheids lässt weiter auf sich warten.

Für die Waorani, ein indigenes Volk des Amazonasgebiets, war das Abstimmungsergebnis ein emotionaler Moment. „Es war ein Moment des Stolzes, wir haben geweint. Ganz Ecuador hat sich unserer Sache angeschlossen – einem Kampf, den wir seit Langem führen“, sagt Dayuma Nango, Vizepräsidentin der Vereinigung der Waorani-Frauen des ecuadorianischen Amazonasgebiets (AMWAE). Monatelang reisten sie durch Dörfer und Städte, berichtet Nango. Sie klärten über die Folgen der Erdölförderung auf und machten deutlich, wie stark ihr Territorium unter der Verschmutzung leidet.

Green Panter Amazonia

Der Text ist im Rahmen des Klimaworkshops Green Panter Amazonia der taz Panter Stiftung entstanden. Mehr Texte der Teilnehmenden aus 8 Ländern der Amazonas-Region auf taz.de. Weitere ihrer Artikel erscheinen am 12. 9. in einer taz-Beilage, am 17. 9. gibt es einen Talk mit ihnen in der taz Kantine.

Zwei Jahre sind seitdem nun vergangen. Doch von den 247 Bohrlöchern im Block 43 wurden bislang gerade einmal zehn stillgelegt. Dabei sah der offizielle Zeitplan vor, dass bis 2025 mindestens 48 Förderstellen geschlossen sein sollten.

„Wir fordern, dass unser Recht respektiert wird“, erklärte Ene Nenquimo, Vizepräsidentin der Waorani Foto: Cristina Vega

Am 20. August 2025, zum Jahrestag des Volksentscheids, reisten Ver­tre­te­r*in­nen der Waorani aus verschiedenen Teilen des Amazonasgebiets nach Quito, um vor dem Verfassungsgericht, dem höchsten Gericht des Landes, die Einhaltung des demokratischen Mandats einzufordern. „Wir sind nicht hier, um um einen Gefallen zu bitten – wir fordern, dass unser Recht respektiert wird“, erklärte Ene Nenquimo, Vizepräsidentin der Waorani, während des Protestmarsches.

Im Griff eines extraktivistischen Wirtschaftsmodells

Die Entscheidung von 59 Prozent der Ecuadorianer*innen, die Ölförderung im Yasuní zu stoppen, war ein deutliches Signal – doch das Land bleibt weiter fest im Griff eines extraktivistischen Wirtschaftsmodells, das seit den 1970er-Jahren besteht, als der erste Barrel Öl gefördert wurde. Heute ist Erdöl die wichtigste Einnahmequelle des Andenstaats. 2024 spülte es rund 8,6 Milliarden US-Dollar in die Staatskassen. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit führt dazu, dass jede Schwankung auf dem internationalen Ölmarkt unmittelbare Auswirkungen auf die Staatsfinanzen und die Bereitstellung grundlegender öffentlicher Dienstleistungen hat.

Der zivilgesellschaftliche Kampf um den Schutz Yasunís hat eine längere Vorgeschichte. Als Antwort auf die Forderung von Umweltgruppen, das Öl im Nationalpark unter der Erde zu lassen, um die Biodiversität zu schützen, startete der damalige Präsident Rafael Correa 2007 die Yasuní-ITT-Initiative. Ziel war es, 3,6 Milliarden US-Dollar aus internationaler Kooperation zu mobilisieren, um das Öl unter dem Nationalpark im Boden zu belassen. Länder wie Deutschland, Belgien und Italien unterstützten das Vorhaben. Dennoch kamen am Ende nur 13,3 Millionen zusammen – das sind weniger als 0,5 Prozent des gewünschten Betrages.

Protest gegen die Ausbeutung von Erdöl im Nationalpark Yasuní zum Jahrestag des Volksentscheids am 20. August 2025 in Quito Foto: Cristina Vega

2013 erklärte Rafael Correa das Projekt für gescheitert. „Die Welt hat uns im Stich gelassen“, sagte er. Doch Umweltrechtler und Fachleute sehen als Grund für den Misserfolg auch eine widersprüchliche Politik der Regierung: Während sie einerseits mit Yasuní ITT den Schutz der Umwelt propagierte, trieb sie die Erdölförderung im Block 31, ebenso ein geschütztes Gebiet im Yasuní Nationalpark, weiter voran.

Die Zivilgesellschaft reagierte schnell: Junge Menschen, Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen und Bür­ge­r:in­nen gingen auf die Straße, und es entstand das Umweltkollektiv Yasunidos, das gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen vor dem Verfassungsgericht eine Volksabstimmung beantragte – die Bevölkerung sollte über das Schicksal des Yasuní entscheiden dürfen. Bis April 2014 sammelten Tausende Ak­ti­vis­t*in­nen landesweit Unterschriften für das erste bürgerinitiierte Referendum in der Geschichte Ecuadors. Mehr als eine 750.000 Unterschriften kamen zusammen – fast 200.00 mehr als die erforderliche Zahl.

Über 400.000 Unterschriften ungültig

Doch in einem umstrittenen Prüfverfahren erklärte der Nationale Wahlrat über 400.000 Unterschriften für ungültig – wegen formaler Mängel wie der Farbe des Stifts oder dem Papiergewicht. „Das war ein Moment großer Enttäuschung, der mein Leben verändert hat“, sagt Pedro Bermeo, damals 18 Jahre alt und heute juristischer Koordinator von Yasunidos. „Mir wurde klar: Der Staat betrügt uns.“ Die geplante Volksbefragung scheiterte – und 2016 begann schließlich die Ölförderung im Block 43.

Das Ziel der Regierung ist es, die Förderung so lange wie möglich fortzusetzen

Carlos Larrea, Umweltkordinator an der Universidad Andina

Erst unter der neuen Regierung gab es eine Wende: Die Wahlbehörde bestätigte 2018, dass die Überprüfung der Unterschriften 2014 manipuliert worden war. Doch es sollte weitere fünf Jahre dauern, bis das Verfassungsgericht 2023 schließlich die erneute Durchführung der Volksbefragung anordnete – mit dem klaren Ergebnis: Das Öl soll im Boden bleiben. Diese demokratisch errungene Entscheidung droht nun allerdings zu versanden. Das Problem sei dabei der Staat, sagt Benito Bonilla, Umweltexperte von Yasunidos: „Es fehlt der Wille, ernsthaft alternative Wege zur Generierung von Einnahmen zu verfolgen.“

Eigentlich hätte die Erdölförderung im Yasuní spätestens Ende August 2024 eingestellt werden müssen. Doch passiert ist nichts. Der aktuelle Präsident Daniel Noboa sprach sich offen dafür aus, die Schließung von Block 43 zu verschieben – wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage und der zunehmenden Konflikte mit Drogenbanden, was zusätzliche Einnahmen erforderlich mache. Kurz darauf präsentierte der sogenannte Ausschuss zur Umsetzung des Volkswillens Yasuní-ITT einen neuen Fahrplan: Demnach soll die Förderung nun erst 2029 enden und der vollständige Rückbau der Infrastruktur inklusive Umweltsanierung sogar erst bis 2039 erfolgen.

Indigene bei der Umsetzung ausgeschlossen

Für Carlos Larrea, Koordinator für Umwelt und Nachhaltigkeit an der Universidad Andina, ist klar: „Die Regierung hat keine Absicht, einen geordneten Rückzug umzusetzen. Das Ziel ist es, die Förderung so lange wie möglich fortzusetzen und die Produktion zu steigern.“ Jahr für Jahr werde die Stilllegung hinausgezögert. Im Januar kündigte Noboa an, die tägliche Fördermenge 2025 im Vergleich zu 2024 um mehr als 100.000 Barrel auf 580.088 Barrel zu erhöhen.

All das, während die indigene Bevölkerung aus dem entscheidenden Umsetzungskomitee ausgeschlossen wurde. Besetzt ist es ausschließlich mit fünf staatlichen Institutionen: der staatlichen Ölfirma Petroecuador, dem Energieministerium, dem Wirtschaftsministerium sowie den Ministerien für Frauen und Menschenrechte – letztere wurden Ende Juli durch Präsident Noboa aufgelöst. Für Ex­per­t*in­nen wie Umweltforscher Larrea zeigt dieser Ausschluss ein strukturelles Problem auf: „Es gibt keinen unabhängigen Mechanismus zur Kontrolle des Prozesses. Wir müssen blind auf das Wort von Petroecuador vertrauen.“

Währenddessen fordern die betroffenen indigenen Gemeinschaften in der Region eine einzige, grundlegende Sache: das Recht, in Würde und Sicherheit auf ihrem angestammten Land zu leben – ihrem Zuhause.

Ana Cristina Basantes ist eine Journalistin aus Ecuador und berichtet für Medien wie El País.

Übersetzt aus dem Spanischen von Tabea Kirchner

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