Aserbaidschan und Armenien: Auf der Trump-Route zum Frieden?
Präsident Alijew und Regierungschef Paschinjan unterzeichnen in Washington eine Vereinbarung. Der US-Präsident triumphiert. Nach ihm soll sogar ein Transportkorridor zwischen den Ländern benannt werden.

„Es ist uns gelungen, Frieden zu schaffen“, sagte Trump. „Sie haben 35 Jahre lang gekämpft und jetzt sind sie Freunde.“ Nicht minder euphorisch äußerte sich Alijew. Baku und Jerewan würden nun ein Ende der Pattsituation, der Konfrontation sowie des Blutvergießens einleiten und „unseren Kindern eine strahlende und sichere Zukunft bieten“, sagte er.
„Heute haben wir einen bedeutenden Meilenstein in den Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan erreicht, indem wir den Grundstein dafür gelegt haben, eine bessere Geschichte zu schreiben als die, die wir in der Vergangenheit hatten“, kommentierte Paschinjan das Dokument, das noch kein vollwertiger Friedensvertrag ist. Der genaue Wortlaut der Vereinbarung soll am 11. August veröffentlicht werden.
Die territorialen Feindseligkeiten zwischen Baku und Jerewan gehen auf die später 80er Jahre zurück. Der Krieg um die mehrheitlich von Armenier*innen bewohnte Region Bergkarabach, der 1994 endete, kostete 30.000 Menschen das Leben. In den Folgejahren versuchte die Minsk-Gruppe der OSZE unter der Leitung der USA, Frankreich und Russlands zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, jedoch gelang es ihr nicht, eine friedliche Lösung herbeizuführen.
44 Tage Krieg
Ende September 2020 brach erneut Krieg aus. Er dauerte 44 Tage, bis ein von Russland vermittelter Waffenstillstand in Kraft trat. Aserbaidschan eroberte nicht nur sieben an Bergkarabach angrenzende und von Armenien besetzte Kantone zurück, sondern auch Teile von Bergkarach selbst – darunter die wichtige Stadt Suscha (arm.: Suschi.)
Zum Showdown aus armenischer Sicht kam es im September 2023, als aserbaidschanische Truppen mit freundlicher militärischer Unterstützung der Türkei eine „antiterroristische Operation“ starteten. Die Regierung von Bergkarabach kapitulierte, die übergroße Mehrheit der 120.000 Karabach-Armenier*innen wurde vertrieben. Heute erkennt das offizielle Jerewan Bergkarabach als souveränes Territorium Aserbaidschans an.
Seitdem verhandeln beide Seiten über einen Friedensvertrag, und seit März dieses Jahres liegt ein entsprechender Text vor. Am 10. Juli trafen sich Alijew und Paschinjan zu Gesprächen in Abu Dhabi, diese erbrachten jedoch keine konkreten Ergebnisse.
Am Freitag in Washington ging es jedoch nicht nur um Fortschritte bei der Finalisierung eines Friedensabkommen. Die USA unterzeichneten separate Abkommen mit Aserbaidschan und Armenien, um die Kooperation in den Bereichen Energie, Handel und Technologie, einschließlich künstlicher Intelligenz, auszubauen. Trump hob zudem die Beschränkungen für eine militärische Zusammenarbeit mit Baku auf, die 1992 unter der Regierung von George H.W. Bush aufgrund des Ersten Karabach-Krieges verhängt worden waren.
Offene Handelsrouten
Ein entscheidender Punkt bei den Wirtschaftsbeziehungen ist auch die Wiedereröffnung von Handelsrouten im Südkaukasus, die seit den 90er Jahren geschlossen waren. Von besonderer Bedeutung dabei ist der sogenannte knapp 40 Kilometer lange Sangesur-Korridor, der in „Trump-Route für internationalen Frieden und Wohlstand“ (TRIPP) umbenannt werden soll.
Er führt durch die zu Armenien gehörende südliche Region Sjunik und würde Aserbaidschan mit der Autonomen Republik Nachitschewan (461.500 Einwohner*innen) verbinden, die an die Türkei grenzt. Washington soll Pachtrechte für den Transport-Korridor erhalten, das Projekt jedoch unter armenischer Gerichtsbarkeit stehen. Die USA sollen das Land an ein privates US-Unternehmen verpachten, das Bau und Verwaltung übernimmt.
In diesem Zusammenhang ist die Rede von einer Eisenbahnlinie, Öl- und Gasleitungen sowie Glasfaserleitungen, um den Transport von Gütern und Menschen zu ermöglichen. Die Verhandlungen über den Betreiber des Korridors beginnen nächste Woche.
Trump erklärte am Freitag gegenüber Journalist*innen, die Route werde Aserbaidschan mit seiner Exklave „unter vollem Respekt für die Souveränität Armeniens“ verbinden. Armenien sei mit den USA eine Partnerschaft zum Ausbau der Straße eingegangen, die auf bis zu 99 Jahre verlängert werden könnte.
Noch kein Grund zum Feiern
Das Projekt werde „Investitionen fördern und die Führungsrolle der USA als Hauptakteur bei der Konfliktlösung stärken“, sagte Paschinjan. Alijew merkte an, dass die „Trump-Route“ Barrieren in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern beseitigen werde.
Laut Laurence Broers von der Londoner Denkfabrik Chattam House sei es noch zu früh, um die Einigung vom Freitag als Durchbruch feiern zu können. Dafür fehlten noch zu viele Informationen. „Wir sind also noch nicht am Ziel, auch wenn eine zunehmende Dynamik und ein erneuertes Engagement für den Frieden natürlich willkommen sind“, zitiert ihn Radio Freies Europa.
Auch eine Reihe anderer Fragen ist immer noch offen. So hatte Alijew von Armenien eine Änderung der Verfassung gefordert, da sie laut der Regierung in Baku territoriale Ansprüche gegen Aserbaidschan enthalte.
Paschinjan hatte dem widersprochen und darauf hingewiesen, dass die internationalen Verträge Armeniens Vorrang vor der nationalen Gesetzgebung hätten. Auch hatte er die Möglichkeit eines Referendums nicht ausgeschlossen. Dieses könne jedoch erst nach den Parlamentswahlen 2026 stattfinden.
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