Angebliche Anstiftung zu Mord: Hohe Strafe für Oppositionschef in Tschad
Succès Masra wird zu 20 Jahren Haft verurteilt. Er soll einen blutigen Landkonflikt angestachelt haben.
Damit ist der wichtigste Kritiker von Präsident Mahamat Déby zum Schweigen gebracht. Der 41-jährige Masra hatte den friedlichen Demokratieprotest in Tschad angeführt, nachdem der ebenfalls 41-jährige Déby zum Präsidenten ausgerufen worden war. Débys Vater und Vorgänger Idriss Déby wurde im Jahr 2021 nach 31 Jahren an der Macht getötet. Masra musste ins Exil gehen, nachdem bei der Niederschlagung von Protesten am 20. Oktober 2022 über 300 Menschen starben. 2023 kehrte er im Rahmen eines Friedensabkommens zurück und wurde überraschend Premierminister.
Aber als er bei der Präsidentschaftswahl vom Mai 2024 gegen Déby kandidierte, wurde er entlassen. Er verlor die Wahlen gegen Déby, seine Partei boykottierte danach die Parlaments- und Kommunalwahlen und blieb außerhalb der Institutionen. Das konnte nicht lange gutgehen.
Den Anlass, Succès Masra kaltzustellen, boten blutige Zusammenstöße im Dorf Mandakao im äußersten Südwesten Tschads am 14. Mai dieses Jahres. Ein Streit zwischen Bauern der Ethnie der Ngambaye und Viehzüchtern der Peul-Volksgruppe über die Demarkation von Weide- und Ackerland eskalierte. Nach offiziellen Angaben starben 42 Menschen, zumeist Frauen und Kinder der Peul. Solche Landkonflikte sind in Afrikas gesamter Sahelzone häufig und werden üblicherweise in Tschads Politik ignoriert, aber diesmal nutzte es die Regierung, um gegen die Opposition vorzugehen – denn Succès Masra ist selbst Ngambaye.
Angebliche Anstiftung zu Mord
Territorialminister Limat Mahamat sprach am 16. Mai von einem „geplanten, organisierten und methodisch ausgeführten Massaker“, ausgelöst durch „eine Videoaufzeichnung, die zu Hass und Revolte gegen als Fremde bezeichnete Bevölkerungen aufrief“. Der Aufruf stamme von Succès Masra, so die Justizbehörden. Der Oppositionsführer wurde festgenommen und wegen Aufwiegelung und Anstiftung zum Mord vor Gericht gestellt.
Im Prozess wurde bekannt, die Videobotschaft stamme vom Mai 2023 und habe die Ngambaye allgemein aufgefordert, jedem den Schusswaffengebrauch zur Selbstverteidigung beizubringen. Ein Zusammenhang mit dem Massaker vom Mai 2025 sei nicht ersichtlich, so Masras Anwälte. Objektive Aufklärung war nicht möglich – Journalisten, die selbstständig in Mandakao recherchieren wollten, wurden festgenommen. Während des Prozesses gab es fünf Kilometer entfernt ein weiteres Massaker – diesmal von Peul an Ngambaye-Bauern, 17 Menschen starben.
Vor Aktivisten von Les Transformateurs verlas Masras Stellvertreter Bedoumra Kordjé am Samstagabend eine Botschaft des Verurteilten aus der Haft. „Ich bin auf Dienstreise und komme bald zurück“, erklärte Masra darin. Sie werden länger warten müssen.
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