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BuchmarktWer kann sich das Lesen leisten?

Kommentar von Jonas Kähler

Junge Menschen lesen wieder mehr. Doch nicht alle können sich Bücher leisten. Warum lesen kein Luxus sein sollte.

Lesen ist kein Luxus: Bücher sollten für alle zugänglich sein Foto: Mia Takahara/plainpicture

W ho’s still reading?“, fragte die Leipziger Buchmesse 2024. Immer wieder machen Studien die Runde, die Kindern und Jugendlichen ein sinkendes Lesevermögen attestierten. Befinden wir uns in einer Lesekrise? Interessiert sich die Jugend nicht mehr für Literatur und hängt den ganzen Tag nur auf TikTok rum? Wer das behauptet, malt den Teufel zu früh an die Wand. Denn junge Menschen lesen weiterhin gerne und so viel wie lange nicht.

Über #Booktok oder #Bookstagram tauschen sie sich in sozialen Medien mehr denn je über ihre Lieblingsbücher aus. Wenn ein Buch dort heute einen Hype auslöst, ist es in der Buchhandlung morgen schon vergriffen. Der Lesekreis hat sich ins Internet verlagert. Der Gesamtumsatz des Buchhandels in Deutschland stieg laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2024 um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anstieg ist vor allem getrieben durch die Buchbegeisterung junger Menschen zwischen 16 und 29 Jahren. Einen großen Anteil an der Lesefreude hat der Hype um Genres wie Young Adult oder „Romantasy“, was die Genres Fantasy und Romance miteinander verbindet.

Damit es nicht nur bei einem Trend bleibt, denn Trends kommen und gehen, ist es nötig, dass Momentum des Digitalen im Analogen zu nutzen. Sorgen müssen wir uns nicht um den Lesewillen der Jugend, sondern darum, wer sich Bücher noch leisten kann.

Dazu ist es wünschenswert und notwendig, dass Buchpreise nicht weiter in die Höhe klettern. Dass niemand daran denkt, an der Buchpreisbindung zu rütteln und die Buchpreise dem freien Markt zu überlassen, stimmt schon einmal positiv. Ein weiteres Beispiel, wie man Menschen zum vermehrten Lesen bewegen könnte, liefert Dänemark. Vergangene Woche hat die dänische Regierung angekündigt, die Mehrwertsteuer auf Bücher abzuschaffen. Dies ist eine Reaktion auf die kürzlich veröffentlichte Pisa-Studie, der zufolge knapp ein Viertel der 15-Jährigen einfache Texte nicht verstehen können, was einen Anstieg von vier Prozentpunkten innerhalb der vergangenen zehn Jahre bedeutet.

Dänemark will zum Lesen anregen

Der dänische Kulturminister Jakob Engel-Schmidt hofft, dass es durch die Abschaffung künftig günstiger wird, Bücher zu kaufen, und dass es so mehr Menschen ermöglicht wird, „sich Wissen anzueignen und in das Universum einzutauchen, in das uns nur das geschriebene Wort entführen kann“. Mit 25 Prozent gab es in Dänemark bislang die europaweit höchste Mehrwertsteuer auf Bücher. Rund 14 Euro kostet ein Taschenbuch und 24 Euro ein Hardcover, das kann sich nicht je­de*r leisten. Die Abschaffung der Mehrwertsteuer ist daher gut und richtig.

Knapp 2.000 öffentliche Bibliotheken mussten in den vergangenen 15 Jahren schließen

Was wir dagegen nicht abschaffen dürfen, sind die kleinen Buchhandlungen in der Nachbarschaft oder die örtliche Stadtbibliothek. Denn auch diese Sorgen dafür, dass kostengünstig mehr gelesen wird.

Und: Wenn der Buchmarkt mehr und mehr dem Quasimonopolisten Amazon überlassen wird, fehlen die Orte des wirklichen, physischen Entdeckens und Austauschens. Das gedruckte Buch verliert seine Magie, und für Kinder wird es wirklich schwerer, in die Universen des geschriebenen Wortes einzutauchen.

In Deutschland passiert das bereits. Die Zahl der Buchhandlungen sank von rund 7.600 im Jahr 2000 auf 4.500 im Jahr 2025. Knapp 2.000 öffentliche Bibliotheken mussten in den vergangenen 15 Jahren schließen. Wenn die Orte verschwinden, an denen Menschen in den Regalen stöbern und sich auch ohne große finanzielle Möglichkeiten Bücher ausleihen können, dann könnten wir uns bald in einer wirklichen „Lesekrise“ befinden.

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3 Kommentare

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  • Ja, neue Bücher sind teuer geworden. Aber dafür gibt es auch reichlich Möglichkeiten günstig an Lesestoff zu kommen - die Auswahl der Stadtbibliothek ist groß und aktuell (plus DVDs, plus Comics, plus CDs, plus Spiele, plus eBooks). Offene Bücherschränke oder Second-Hand-Läden bieten Bücher für kleines Geld. Bücherbundles zum Download bieten zumindest für englischsprachige Bücher fette Pakete (deutsche Verlage sind da ziemlich knauserig, da gibt's vielleicht mal Band 1-3 einer Reihe einen Euro günstiger...)



    Und der Buchladen von nebenan ist quasi genauso gut wie das Unternehmen von dem wir nicht reden wollen. Es braucht vielleicht nen Tag länger und ich hole normalerweise auch selbst dort ab (3 km Weg) aber dank Preisbindung zu genau demselben Preis.

    Ich schätze mal hier liegen locker 50-100 noch ungelesene Bücher rum, mit den versammelten PDFs auf dem Rechner reicht's wahrscheinlich für dieses Leben. Hindert aber nicht daran, noch einen Rucksack voll Bücher mit nach Hause zu schleppen...

  • Selbst in den Uni-Städten ist die Anzahl der Buchläden um gefühlt 80% in den letzten 20Jahren zurückgegangen. Semesterliteraturlisten und -stapel gibt es nicht mehr in Buchhandlungen. Aber es gibt mittlerweile fast alle wichtigen Fachbücher frei zugänglich als e-book oder pdf. Diese positive einkommensunabhängige (!) Entwicklung, die auch zwischen 100 und 500 Euro pro Semester spart, wird fast nie erwähnt.

    Aber kleine Buchhandlungen haben es schwer. Lösung: lokale Bestellung. Man bekommt jedes (deutsche) Buch zum gleichen Preis wie bei Am…, meist auch versandkostenfrei.

    Last-but-not-least, außer für Verlage, es gibt einen ausgeprägten und funktionierenden second-hand Markt, auch wenn da die Preisnachlässe in den letzten Jahren geringer geworden sind.

  • Eine weitere "Errungenschaft der heutigen Zeit" sind die offenen Bücherschränke.



    Vorausgesetzt, es kümmert sich jemand ehrenamtlich darum, die immergleichen Kopien der 80Jahre Bertelsmann Verlagsprogramms auszusortieren, können hier regelmäßig wahre Schätze entdeckt und verschenkt werden.



    Jeder darf sich ein Buch nehmen, darin lesen solange man möchte und es wieder zurückstellen oder gegen ein anderes austauschen, das man weniger gern behalten möchte.



    Ich freue mich immer wieder, wenn ich sehe, dass ein Buch, welches ich kürzlich dort ausgewildert habe, beim nächsten Mal nicht mehr dort steht.