Buchmarkt: Wer kann sich das Lesen leisten?
Junge Menschen lesen wieder mehr. Doch nicht alle können sich Bücher leisten. Warum lesen kein Luxus sein sollte.
W ho’s still reading?“, fragte die Leipziger Buchmesse 2024. Immer wieder machen Studien die Runde, die Kindern und Jugendlichen ein sinkendes Lesevermögen attestierten. Befinden wir uns in einer Lesekrise? Interessiert sich die Jugend nicht mehr für Literatur und hängt den ganzen Tag nur auf TikTok rum? Wer das behauptet, malt den Teufel zu früh an die Wand. Denn junge Menschen lesen weiterhin gerne und so viel wie lange nicht.
Über #Booktok oder #Bookstagram tauschen sie sich in sozialen Medien mehr denn je über ihre Lieblingsbücher aus. Wenn ein Buch dort heute einen Hype auslöst, ist es in der Buchhandlung morgen schon vergriffen. Der Lesekreis hat sich ins Internet verlagert. Der Gesamtumsatz des Buchhandels in Deutschland stieg laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2024 um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anstieg ist vor allem getrieben durch die Buchbegeisterung junger Menschen zwischen 16 und 29 Jahren. Einen großen Anteil an der Lesefreude hat der Hype um Genres wie Young Adult oder „Romantasy“, was die Genres Fantasy und Romance miteinander verbindet.
Damit es nicht nur bei einem Trend bleibt, denn Trends kommen und gehen, ist es nötig, dass Momentum des Digitalen im Analogen zu nutzen. Sorgen müssen wir uns nicht um den Lesewillen der Jugend, sondern darum, wer sich Bücher noch leisten kann.
Dazu ist es wünschenswert und notwendig, dass Buchpreise nicht weiter in die Höhe klettern. Dass niemand daran denkt, an der Buchpreisbindung zu rütteln und die Buchpreise dem freien Markt zu überlassen, stimmt schon einmal positiv. Ein weiteres Beispiel, wie man Menschen zum vermehrten Lesen bewegen könnte, liefert Dänemark. Vergangene Woche hat die dänische Regierung angekündigt, die Mehrwertsteuer auf Bücher abzuschaffen. Dies ist eine Reaktion auf die kürzlich veröffentlichte Pisa-Studie, der zufolge knapp ein Viertel der 15-Jährigen einfache Texte nicht verstehen können, was einen Anstieg von vier Prozentpunkten innerhalb der vergangenen zehn Jahre bedeutet.
Dänemark will zum Lesen anregen
Der dänische Kulturminister Jakob Engel-Schmidt hofft, dass es durch die Abschaffung künftig günstiger wird, Bücher zu kaufen, und dass es so mehr Menschen ermöglicht wird, „sich Wissen anzueignen und in das Universum einzutauchen, in das uns nur das geschriebene Wort entführen kann“. Mit 25 Prozent gab es in Dänemark bislang die europaweit höchste Mehrwertsteuer auf Bücher. Rund 14 Euro kostet ein Taschenbuch und 24 Euro ein Hardcover, das kann sich nicht jede*r leisten. Die Abschaffung der Mehrwertsteuer ist daher gut und richtig.
Was wir dagegen nicht abschaffen dürfen, sind die kleinen Buchhandlungen in der Nachbarschaft oder die örtliche Stadtbibliothek. Denn auch diese Sorgen dafür, dass kostengünstig mehr gelesen wird.
Und: Wenn der Buchmarkt mehr und mehr dem Quasimonopolisten Amazon überlassen wird, fehlen die Orte des wirklichen, physischen Entdeckens und Austauschens. Das gedruckte Buch verliert seine Magie, und für Kinder wird es wirklich schwerer, in die Universen des geschriebenen Wortes einzutauchen.
In Deutschland passiert das bereits. Die Zahl der Buchhandlungen sank von rund 7.600 im Jahr 2000 auf 4.500 im Jahr 2025. Knapp 2.000 öffentliche Bibliotheken mussten in den vergangenen 15 Jahren schließen. Wenn die Orte verschwinden, an denen Menschen in den Regalen stöbern und sich auch ohne große finanzielle Möglichkeiten Bücher ausleihen können, dann könnten wir uns bald in einer wirklichen „Lesekrise“ befinden.
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