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Friedenshoffnungen für UkraineTrumps Zauberstab ist kaputt

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die EU hat weder Strategie noch Ziel, und die USA im Grunde auch nicht. Währenddessen machen Ukraine und Russland das, was sie seit langem tun.

Am 24. August ist der Unabhängigkeitstag der Ukraine. Gefeiert wird er sogar in Montenegro Foto: Stevo Vasiljevic/reuters

D onald Trumps Aufmerksamkeitsspanne ist notorisch kurz. Wenn er etwas auf die lange Bank schieben will, sagt er „in zwei Wochen“. Zehn Tage ist es nun her, dass der US-Präsident seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Alaska den roten Teppich ausrollen ließ. Plötzlich schien ein krummer Diktatfrieden für die ­Ukraine in Sicht, halb Europa zusammen mit Wolodymyr Selenskyj eilten aufgeregt ins Weiße Haus.

Was ist daraus gefolgt? Nichts. In bewährter Taktik hat Russlands Regierung erst mal grundsätzlich zu allem Ja gesagt und dann im Detail zu allem Nein. Ein Putin-Selenskyj-Gipfel? Europäische Friedenstruppen? Waffenstillstand? Geht alles irgendwie nicht. Und die Luftangriffe auf die Ukraine gingen die ganze Zeit unvermindert weiter.

Wenn sich etwas verändert, dann ist es das militärische Verhalten der Ukrai­ne. Sie setzt nach langer Zeit erstmals wieder zu koordinierten Gegenangriffen am Boden an, durchbricht russische Frontlinien und erobert Territorium zurück – und sie verstärkt ihre Angriffe auf Russlands militärische Infrastruktur, vor allem den Ölsektor, der die Kriegsökonomie finanziell am Laufen hält. Die russische Exportpipeline nach Europa ist lahmgelegt, große Raffinerien und Ölterminals brennen, im Ölland Russland wird der Sprit knapp.

Diplomatie ist eine schöne Idee. Aber Worte allein sind noch kein diplomatischer Durchbruch, ebenso wenig wie Waffen allein noch keinen militärischen Durchbruch bedeuten. Um einen Krieg zu beenden, ob militärisch oder diplomatisch, braucht es klare Ziele, Strategien und die Mittel zur Umsetzung. Moskau und Kyjiw sehen die Dinge klar: Russland will die Ukrai­ne unterwerfen, die Ukraine will ihre Souveränität und Integrität verteidigen, beide setzen Waffen und Worte ein. Die USA und Europa aber haben weder Ziele noch Strategie. Trump hofft und Merz fürchtet, dass dieser Krieg auf magische Weise im Oval Office entschieden wird. Aber es gibt keinen Zauberstab zum Frieden. Die Entscheidung in der Ukraine fällt auf dem Schlachtfeld.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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