Neue Kohlekraftwerke in China: Macht es euch nicht zu einfach
Unsere Klimabilanz? Ja, aber China! Dieser rhetorische Move war schon immer zu einfach. So auch diesmal, bei den neusten Nachrichten in Sachen Umwelt.

C hina hat im ersten Halbjahr 2025 so viel Kohlekraft neu ans Netz genommen wir zuletzt im Jahr 2016. Das meldet die dpa unter Bezug auf eine Analyse des Centre for Research on Energy and Clean Air CREA. Die Nachricht bestätigt zwei Reflexe der deutschen Klima-Debatte: China ist der größte CO2-Emittent der Welt und superschmutzig, da können wir doch gar nichts machen. Und: Immerhin bauen wir keine Kohlekraftwerke mehr, wir sind Vorreiter. Aber von beiden Reflexen müssen wir uns verabschieden. In China sinken sehr wahrscheinlich die Emissionen. Und das Land tut gerade mehr für den Klimaschutz als jedes andere.
Denn versteckt in Absatz drei der dpa-Meldung ist diese Zahl: 500 Gigawatt. So viel Kapazität für Strom aus erneuerbaren Quellen wird CREA zufolge dieses Jahr in China zugebaut, mehr als das Sechsfache der neuen Kohlekraftwerke. Die saubere Stromerzeugung wächst schneller als der Strombedarf in China, und infolgedessen laufen die teureren Kohlekraftwerke immer weniger und stoßen weniger CO2 aus. Das blüht auch den neuen Kohlemeilern, erwarten die Analyst*innen von CREA.
Durch diesen gigantischen Solar- und Windkraft-Zubau und einen harten Wettbewerb zwischen den Herstellern drückt China den Preis von Klimaschutz-Technologien. Im vergangenen Jahr kauften deshalb so viele Länder Solarpanels, E-Autos und Batterien in China, dass nur durch diese grünen Exporte der CO2-Ausstoß außerhalb Chinas um 1 Prozent verringert wurde.

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
Die Kohlekraftwerke in China sind ein Problem. Auch in der Volksrepublik gibt es eine fossile Lobby, und die wird mit jedem Kohlekraftwerk mächtiger. Aber auch die Immobilienlobby war mächtig, bevor die Kommunistische Partei die größte Immobilienblase aller Zeiten absichtlich platzen ließ. Für die deutsche Klima-Debatte mag es nützlich sein, die eigene Unzulänglichkeit durch chinesische Kohlekraftwerke zu entschuldigen. Aber das verschleiert den Blick auf die gigantische Transformation, die dort vor sich geht – mit all ihren Widersprüchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Robert Habeck tritt ab
„Ich will nicht wie ein Gespenst über die Flure laufen“
Berlins neuste A100-Verlängerung
Vorfahrt für die menschenfeindliche Stadt
Mikrofeminismus
Was tun gegen halbnackte Biker?
Buchmarkt
Wer kann sich das Lesen leisten?
Kritik am Selbstbestimmungsgesetz
Kalkulierter Angriff
Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen
Chefarzt muss seinem Arbeitgeber gehorchen