piwik no script img

Entscheidung des OberverwaltungsgerichtsProtestcamp darf stattfinden

Das Verbot des Kölner Protestcamps des Bündnisses „Rheinmetall entwaffnen“ war rechtswidrig. Die Polizei wollte einen Präzedenzfall schaffen.

Zum Protestcamp des Bündnisses „Rhein­metall entwaffnen“ werden vom 26. bis zum 31. August rund 1.000 Teil­neh­me­r:in­nen erwartet Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Mit Erleichterung haben Ak­ti­vis­t:in­nen der Initiative „Rheinmetall entwaffnen“ auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster reagiert, ein polizeiliches Verbot ihres Protestcamps in Köln zu kassieren. „Wir sind glücklich – und freuen uns, dass unser Camp am Dienstag wie geplant startet und wir aufbauen können“, sagte Camille Dietrich vom Presseteam des Bündnisses der taz.

Das Camp am Fuß des Kölner Fernsehturms Colonius, dessen Eröffnungsveranstaltung am Dienstagabend unter dem Tucholsky-Zitat „Krieg dem Kriege“ steht, richtet sich nicht nur gegen Deutschlands größten Rüstungskonzern Rheinmetall. In der Kritik der linken Initiative steht auch die von der Bundesregierung beschlossene Aufrüstung der Bundeswehr – und generell eine „imperiale, militaristische Politik des westlichen Blocks“.

Profiteur sei die Rüstungsindus­trie, die mit Unternehmen wie Thyssen­krupp und Rheinmetall in Nordrhein-Westfalen stark vertreten sei, heißt es vonseiten des antikapitalistischen Bündnisses. Nicht ohne Grund habe sich der Rheinmetall-Aktienkurs seit 2022, also seit dem russischen Überfall auf die Ukraine, verfünfzehnfacht.

Kölns Polizei hatte dagegen im Vorfeld versucht, das Protesttreffen wegen befürchteter Gewalttaten präventiv zu verbieten – und so einen Präzedenzfall zum Verbot aller Camps zu schaffen, die sich mit „linksgerichteten Themen“ wie „Klimaaktivismus, Flüchtlings- und Friedenspolitik“ beschäftigen, wie es in der ursprünglichen Verbotsverfügung von Mitte August heißt.

Doch das oberste Verwaltungsgericht Nordrhein-Westfalens hatte der pauschalen Argumentation der Kölner Polizei, Protestcamps wie das von „Rheinmetall entwaffnen“ in Köln dienten lediglich als Tarnung für Gewalttaten, am Samstag eine mehr als deutliche Absage erteilt. Das Verbot des Camps sei „rechtswidrig, weil es die Versammlungsfreiheit“ verletze. Von den geplanten „Diskussionen, Vorträgen, Workshops und künstlerischen Aktionen“ gehe „keine Gefahr aus“, urteilte der 15. OVG-Senat. Entgegen der Einschätzung des Kölner Polizeipräsidiums könne „nicht angenommen werden, dass die vom Veranstalter angegebene Zwecksetzung des Protestcamps lediglich vorgeschoben“ sei – und dass „die Auslösung gewaltsamer Aktionen oder anderer Störungen der öffentlichen Sicherheit das wahre Ziel der Versammlung“ darstelle, heißt es in dem unanfechtbaren Beschluss.

Ein Sprecher der Kölner Polizei wollte das OVG-Urteil zunächst nicht kommentieren. Auch schriftlich eingereichte Fragen der taz, ob die Polizei in den erwarteten rund 1.000 Ak­ti­vis­t:in­nen weiter eine Gefahr für Sicherheit und öffentliche Ordnung sehe, wurden bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.

Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen, die das Camp politisch und in kleinerem Rahmen auch finanziell unterstützt, begrüßte dagegen den Gerichtsbeschluss. „Als Linke unterstützen wir die Aktionen gegen Rüstungsexporte“, so die Co-Landeschefin Kathrin Vogler zur taz. „Dass das höchste Verwaltungsgericht in NRW das Verbot des Camps als rechtswidrigen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit bewertet, macht Mut.“

Verantwortung für tote Zivilisten

Auch der Anwalt des Bündnisses, Nils Spörkel, zeigte sich zufrieden. „Deutlicher als nötig“ habe das OVG klargestellt, dass pauschale, präventive Camp-Verbote „unzulässig“ seien. Auch beim Verbot weiterer Aktionsformen sei das Gebot der „Verhältnismäßigkeit“ zu beachten, mahnt der Jurist. Das gelte etwa für die am Samstag geplante „Kölner Parade gegen den Krieg“ auf dem zentralen Heumarkt, aber auch für eine Demonstration vor dem Privathaus des Rheinmetall-Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger in Meerbusch bei Düsseldorf.

„Auf die Pelle rücken“ wollen die Ak­ti­vis­t:in­nen dem Konzernchef dort am 28. August – schließlich trage Papperger „persönliche Verantwortung für die unzähligen toten Zivilisten, die durch Rheinmetall-Bomben und -Munition umgekommen sind“.

Ein Rheinmetall-Firmensprecher hatte dazu bereits Mitte August erklärt, mit seinen Rüstungsgütern leiste der Konzern einen „relevanten Beitrag“ zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Für Versuche, „Menschen in ihrem privaten Umfeld aufzusuchen, um sie beispielsweise zu nötigen oder zu bedrängen“, gebe es „keinerlei Verständnis“. Rheinmetall-Manager Papperger steht nach angeblichen russischen Anschlagsplänen seit vergangenem Jahr rund um die Uhr unter Polizeischutz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Leben ja schließlich nicht im Bayernländle - Gell !



    Da gilt ja aufgrund schleichender Repressioninstrumente ein ganz demokratisches " Gefärder-Gesetz " Einführung im Jahr 2017 , in Bayern kann man , ohne dass eine Straftat vorliegt, schon wegen " drohender Gefahr " unbefristet in Haft genommen werden.

    SüddeutscheZeitung vom 20. Juli 2017

  • Hola. Zéro. Wie kommt‘s?

    Haben die Antidemokraten etwa den wahrlich lesenswerten Brokdorf-Beschluss endlich mal (wieder?) gelesen?! Fein wär’s ja.

    kurz - Meinungs&Versammlungsfreiheit sind /



    Das Unterpfand der Demokratie dieser res publica - öffentlichen Sache - Republik nach dem Grundgesetz! Gellewelle&Wollnichtwoll



    de.wikipedia.org/w...Brokdorf-Beschluss

    So geht das

  • Hola! Zéro?!



    Hat‘s den Antidemokraten die Sprache verschlagen?



    Oder hamse den Brokdorf-Beschluß a Karlsruhe - gelesen &! verstanden?!

    kurz - Meinungs&Versammlungsfreiheit!



    Unterpfand der Demokratie in dieser Republik nach dem Grundgesetz •



    de.wikipedia.org/w...Brokdorf-Beschluss

    • @Lowandorder:

      Aber unsere Gedanken sind doch noch frei, in unserem Vaterland - oder ?



      War Schäuble nicht für die Einführung des " Feindstrafrecht " [ beinhaltet auch die Idee von mehr Demokratie ] ?



      " Feindstrafrecht " : Strafrecht, das bestimmte Gruppen von Menschen die Bürgerrechte versagt und sie als Feinde der Gesellschaft oder des Staates außerhalb des für die Gesellschaft geltendes Rechts stellt.



      " Wer keine hinreichende " kognitive Sicherheit " personalen Verhaltens leistet, kann nicht nur nicht erwarten, noch als Person behandelt zu werden [ , . .. ]



      Der prinzipiell Abweichende bietet keine Garantie personalen Verhaltens; deshalb kann er nicht als Bürger behandelt, sondern " muss als Feind bekriegen " werden. "



      Günther Jakobs ( 2004 ), Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht.



      Höchstrichterliche Rechtssprechung zum Strafrecht HRRS, 5, 88-95

      • @Alex_der_Wunderer:

        Ich war als Kind / Jugendlicher in den 70er Jahren mit meinen Eltern im Theater " die verlorene Ehre der Katharina Blum " von unserem verehrten Heinrich Böll - als ich von diesem mit völlig unbekannten " Feindstrafrecht " in einem Vortrag gehört habe, hatte ich iwie fast ein De'ja'-vu 😇

        • @Alex_der_Wunderer:

          Ergänz mal - Wolfgang Mielke auf Rädern con Briefumschläge Schäuble & seine schauderhafte Nachtlektüre



          www.welt.de/welt_p...Nachtlektuere.html



          Graf v&zu Weleda Otto I. zu Schily



          &



          Otto Depenheuer - 🥴🤢🤮 -



          de.wikipedia.org/wiki/Otto_Depenheuer



          & Däh



          taz.de/Schaeubles-Liebling/!229554/ -



          Schäubles Liebling



          Von CHRISTIAN RATH



          Otto Depenheuer sucht den Weg zum Ausnahmezustand. Sein neues Buch ist einer der gefährlichsten Beiträge zur Antiterrordebatte…“



          (in aller Bescheidenheit hat Lovando hierzu was abgesondert - inne Grabbel;)



          (entre nous only - dem Ansinnen einer Mtgl.Aufnahme wurde mal mit



          “…dann ist das Tischtuch zerschnitten!“ Auskunft erteilt!)



          Soll mal reichen - auch zu Wölfie S. -dem taz-Buddy! Newahr



          Normal Schonn