Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts: Protestcamp darf stattfinden
Das Verbot des Kölner Protestcamps des Bündnisses „Rheinmetall entwaffnen“ war rechtswidrig. Die Polizei wollte einen Präzedenzfall schaffen.

Mit Erleichterung haben Aktivist:innen der Initiative „Rheinmetall entwaffnen“ auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster reagiert, ein polizeiliches Verbot ihres Protestcamps in Köln zu kassieren. „Wir sind glücklich – und freuen uns, dass unser Camp am Dienstag wie geplant startet und wir aufbauen können“, sagte Camille Dietrich vom Presseteam des Bündnisses der taz.
Das Camp am Fuß des Kölner Fernsehturms Colonius, dessen Eröffnungsveranstaltung am Dienstagabend unter dem Tucholsky-Zitat „Krieg dem Kriege“ steht, richtet sich nicht nur gegen Deutschlands größten Rüstungskonzern Rheinmetall. In der Kritik der linken Initiative steht auch die von der Bundesregierung beschlossene Aufrüstung der Bundeswehr – und generell eine „imperiale, militaristische Politik des westlichen Blocks“.
Profiteur sei die Rüstungsindustrie, die mit Unternehmen wie Thyssenkrupp und Rheinmetall in Nordrhein-Westfalen stark vertreten sei, heißt es vonseiten des antikapitalistischen Bündnisses. Nicht ohne Grund habe sich der Rheinmetall-Aktienkurs seit 2022, also seit dem russischen Überfall auf die Ukraine, verfünfzehnfacht.
Gescheiterter Präzedenzfall gegen links
Kölns Polizei hatte dagegen im Vorfeld versucht, das Protesttreffen wegen befürchteter Gewalttaten präventiv zu verbieten – und so einen Präzedenzfall zum Verbot aller Camps zu schaffen, die sich mit „linksgerichteten Themen“ wie „Klimaaktivismus, Flüchtlings- und Friedenspolitik“ beschäftigen, wie es in der ursprünglichen Verbotsverfügung von Mitte August heißt.
Doch das oberste Verwaltungsgericht Nordrhein-Westfalens hatte der pauschalen Argumentation der Kölner Polizei, Protestcamps wie das von „Rheinmetall entwaffnen“ in Köln dienten lediglich als Tarnung für Gewalttaten, am Samstag eine mehr als deutliche Absage erteilt. Das Verbot des Camps sei „rechtswidrig, weil es die Versammlungsfreiheit“ verletze. Von den geplanten „Diskussionen, Vorträgen, Workshops und künstlerischen Aktionen“ gehe „keine Gefahr aus“, urteilte der 15. OVG-Senat. Entgegen der Einschätzung des Kölner Polizeipräsidiums könne „nicht angenommen werden, dass die vom Veranstalter angegebene Zwecksetzung des Protestcamps lediglich vorgeschoben“ sei – und dass „die Auslösung gewaltsamer Aktionen oder anderer Störungen der öffentlichen Sicherheit das wahre Ziel der Versammlung“ darstelle, heißt es in dem unanfechtbaren Beschluss.
Ein Sprecher der Kölner Polizei wollte das OVG-Urteil zunächst nicht kommentieren. Auch schriftlich eingereichte Fragen der taz, ob die Polizei in den erwarteten rund 1.000 Aktivist:innen weiter eine Gefahr für Sicherheit und öffentliche Ordnung sehe, wurden bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.
Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen, die das Camp politisch und in kleinerem Rahmen auch finanziell unterstützt, begrüßte dagegen den Gerichtsbeschluss. „Als Linke unterstützen wir die Aktionen gegen Rüstungsexporte“, so die Co-Landeschefin Kathrin Vogler zur taz. „Dass das höchste Verwaltungsgericht in NRW das Verbot des Camps als rechtswidrigen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit bewertet, macht Mut.“
Verantwortung für tote Zivilisten
Auch der Anwalt des Bündnisses, Nils Spörkel, zeigte sich zufrieden. „Deutlicher als nötig“ habe das OVG klargestellt, dass pauschale, präventive Camp-Verbote „unzulässig“ seien. Auch beim Verbot weiterer Aktionsformen sei das Gebot der „Verhältnismäßigkeit“ zu beachten, mahnt der Jurist. Das gelte etwa für die am Samstag geplante „Kölner Parade gegen den Krieg“ auf dem zentralen Heumarkt, aber auch für eine Demonstration vor dem Privathaus des Rheinmetall-Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger in Meerbusch bei Düsseldorf.
„Auf die Pelle rücken“ wollen die Aktivist:innen dem Konzernchef dort am 28. August – schließlich trage Papperger „persönliche Verantwortung für die unzähligen toten Zivilisten, die durch Rheinmetall-Bomben und -Munition umgekommen sind“.
Ein Rheinmetall-Firmensprecher hatte dazu bereits Mitte August erklärt, mit seinen Rüstungsgütern leiste der Konzern einen „relevanten Beitrag“ zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Für Versuche, „Menschen in ihrem privaten Umfeld aufzusuchen, um sie beispielsweise zu nötigen oder zu bedrängen“, gebe es „keinerlei Verständnis“. Rheinmetall-Manager Papperger steht nach angeblichen russischen Anschlagsplänen seit vergangenem Jahr rund um die Uhr unter Polizeischutz.
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