DIW-Studie: Geflüchtete spüren Rechtsruck
Zwischen 2015 und 2017 wurde in Deutschland noch viel über Willkommenskultur gesprochen. Mittlerweile fühlen sich Geflüchteten weniger willkommen.

Aussagen von Flüchtlingen aus der Ukraine und der Türkei wurden bei der Analyse nach Angaben des DIW nicht berücksichtigt. Im Rahmen der Studie wurden zwischen 2017 und 2023 jährlich Menschen befragt, die von 2013 bis einschließlich September 2022 in Deutschland einen Antrag auf Asyl oder vorübergehenden Schutz gestellt haben, unabhängig davon, ob ihr Antrag erfolgreich war.
Die Autorinnen und Autoren sehen einen Zusammenhang zwischen der öffentlichen Debatte um restriktive migrationspolitische Maßnahmen – etwa zur Erleichterung von Abschiebungen – und dem gesunkenen Willkommensgefühl. „Zudem zeigte sich 2023 wie heute ein hohes Niveau gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und eine verstärkte Sichtbarkeit migrationskritischer Positionen im politischen Diskurs“, heißt es in der Analyse.
Wie aus den Ergebnissen der Studie weiter hervorgeht, machen sich viele Menschen, die als Schutzsuchende nach Deutschland gekommen sind, inzwischen Sorgen über das gesellschaftliche Klima. Als das DIW in den Jahren 2016 und 2017 die Frage gestellt hatte: „Machen Sie sich Sorgen um Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass in Deutschland?“, berichteten 32 Prozent beziehungsweise 29 Prozent der Geflüchteten von solchen Sorgen. 2023 waren es laut Studie schon mehr als die Hälfte der geflüchteten Menschen (54 Prozent).
Hohe Bereitschaft zur Einbürgerung trotz Diskriminierung
Besonders eindrücklich seien Diskriminierungserfahrungen am Arbeits- und Wohnungsmarkt, schreibt das DIW. Studienautorin Ellen Heidinger sagte: „Wahrgenommene Diskriminierung ist für Geflüchtete kein Einzelfall – besonders bei der Wohnungssuche. Das gefährdet nicht nur ihre Integration, sondern auch das gesellschaftliche Miteinander.“ Drei von zehn Geflüchtete berichteten etwa von Diskriminierung bei der Wohnungssuche aufgrund ethnischer Herkunft, Religion oder äußerlicher Merkmale, im Osten häufiger als im Westen.
Die Bereitschaft zur Einbürgerung ist dennoch weiter hoch: Nahezu alle Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland kamen, haben eine langfristige Bleibeabsicht – 98 Prozent strebten demnach eine Einbürgerung an.
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