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Norwegen und der Krieg in GazaUnruhe um Ölfonds

Norwegens staatlicher Pensionsfonds soll an israelischen Rüstungsfirmen beteiligt sein. Der Finanzminister gerät in Erklärungsnot.

Nun gilt es zu klären, ob norwegische Renten die Gräuel in Gaza finanzieren Foto: Hakon Mosvold Larsen/NTB scanpix/AP

Härnösand taz | Hat Norwegen Israels Krieg in Gaza mitfinanziert? Und hat das Finanzministerium zu spät auf entsprechende Informationen reagiert? Die Minderheitsregierung der sozialdemokratischen Arbeiterpartei ist knapp einen Monat vor der norwegischen Parlamentswahl plötzlich in die Defensive geraten.

Auslöser war vergangene Woche ein Bericht der Zeitung Aftenposten, dass der gigantische staatliche Pensionsfonds unter anderem an israelischen Rüstungsunternehmen beteiligt sei. Der Fonds, gebildet aus den staatlichen Öleinnahmen und daher weithin auch „Ölfonds“ genannt, investiert derzeit in mehr als 8.000 Unternehmen weltweit. Bis vor wenigen Tagen gehörten 65 in Israel dazu, doch die Zahl ist gesunken.

Am Montag gab Fondschef Nicolai Tangen bekannt, dass man Anteile an elf israelischen Firmen verkauft habe. Finanzminister Jens Stoltenberg bezeichnete dies laut dem norwegischen Rundfunk NRK als „ersten wichtigen Schritt“, weitere Maßnahmen würden folgen.

Er betonte dabei nicht zum ersten Mal, der Ölfonds habe ethischen Richtlinien zu folgen. Laut derer könne er nicht in Firmen investieren, die an Völkerrechtsbrüchen von Staaten beteiligt seien. Damit ist der Finanzminister eigentlich auf Linie mit seinen Kritikern – ihnen zufolge zu spät und nicht in ausreichendem Umfang.

Der Forderung eine Absage erteilt

Unter anderem die Sozialistische Linkspartei (SV) forderte, auch die verbleibenden israelischen Firmenbeteiligungen aufzugeben. „Für uns ist es unverständlich, dass man nicht alle Investitionen aus einem Land abzieht, dass dabei ist, einen Völkermord zu begehen“, sagte SV-Vorsitzende Kirsti Bergstø.

Premier Jonas Gahr Støre hatte der Forderung am Freitag eine Absage erteilt. „Wir beteiligen uns nicht am Bruch des Völkerrechts oder der illegalen Besetzung“, sagte er dem Sender TV2. „Wenn das gesichert ist, kann der Ölfonds in Israel sein.“

In der Bewertung, dass Israel in Gaza völkerrechtswidrig handelt, waren sich Regierung und Teile der Opposition seit November 2023 einig. Laut Aftenposten habe der Ölfonds noch danach seine Anteile an dem Unternehmen Bet Shemesh Engines Holdings aufgestockt.

Die Firma verdient ihr Geld mit der Wartung nicht zuletzt von Kampfflugzeugen im Auftrag des israelischen Verteidigungsministeriums. Je länger der Gazakrieg andauerte, desto mehr stieg ihr Wert – laut Aftenposten um 530 Prozent seit Oktober 2023 – und damit der der norwegischen Anlagen.

Vertrauen wieder stärken

Die Investition wurde offenbar nicht von Oslo aus, sondern von einem externen Fondsverwalter in Israel getätigt. Diese Zusammenarbeit wurde nun beendet, was Stoltenberg zufolge helfen soll, das Vertrauen in den Ölfonds wieder zu stärken.

Für zusätzliche Aufregung sorgte in Norwegen die Erkenntnis, dass das Finanzministerium bereits Ende Juni einen Bericht der Gruppe Historiker für Palästina erhalten hatte. Darin wurden 30 Beteiligungen an Unternehmen ausgemacht, die an Völkerrechtsbrüchen Israels beteiligt seien. Anfang Juli berichtete auch das Gewerkschaftsmedium Frifagbevegelse darüber.

Stoltenberg bat erst nach Erscheinen des Aftenposten-Berichts die dafür zuständige Zentralbank und den Ethikrat des Fonds die israelischen Investitionen zu überprüfen. Er räumte einen fehlerhaften Umgang mit dem Historiker-Papier ein. Genau dazu hat auch das Kontrollkomitee des Parlaments Fragen an den Minister, antworten soll er bis zum 21. August.

Der erst im Februar überraschend – und nach eigener Aussage vorübergehend – in die norwegische Politik zurückgekehrte Stoltenberg hatte seiner Arbeiterpartei einen veritablen Beliebtheits-Aufschwung beschert. Vor seiner Zeit als Nato-Generalsekretär war er lange Ministerpräsident des Landes gewesen. Ob die aktuelle Aufregung mitten im Wahlkampf am sogenannten „Jens-Effekt“ etwas ändert, muss sich noch zeigen.

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