Vermögensdebatte: Das große Ringen um den Sozialstaat
Wegen des Haushaltslochs will die Union Sozialleistungen kürzen. Die SPD will lieber die Reichen zur Kasse bitten.

„Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse“, sagte Merz. Den Sozialstaat könne man sich deshalb so nicht mehr leisten. Das ist laut SPD-Co-Chefin und Sozialministerin Bärbel Bas „Bullshit“. Es könne nicht sein, so Bas auf einer Juso-Konferenz am Sonntag in Gelsenkirchen, dass die, die reich sind und ohnehin nicht in die gesetzlichen Systeme einzahlten, dann aber „darüber schwadronieren, dass wir uns das alles nicht mehr leisten können“.
Reformen seien dennoch nötig, betonte sie auf einer Juso-Konferenz am Sonntag in Gelsenkirchen. Für die SPD könne der Sozialstaat auch durch höhere Steuern für Spitzenverdienende und Vermögen finanziert werden. Dem stellt sich Merz jedoch weiter entgegen.
Die erwarteten 30 Milliarden, die im Haushalt fehlen sollen, will die Union stattdessen unter anderem über Streichungen beim Bürgergeld wieder reinholen. Die schwarz-rote Koalition plant im Herbst mehrere Gesetzesvorhaben dazu. Nicht nur beim Bürgergeld, sondern auch bei der Rente kündigte Merz am Wochenende Reformen an, damit „die Anreize größer werden, länger im Arbeitsmarkt beschäftigt zu sein“.
SPD-Finanzminister Lars Klingbeil zeigte sich in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am Sonntag bereit, Verschärfungen beim Bürgergeld mitzutragen. Sanktionen halte er besonders bei sogenannten „Totalverweigerern“ und bei Personen, die trotz Bürgergeld schwarz arbeiteten, für in Ordnung. Primär auf Kürzungen von Sozialleistungen zu setzen, hält er aber für falsch, sagte Klingbeil.
Das Hauptargument von Kanzler Merz, das Haushaltsloch nicht über „Steuererhöhungen“ für Reiche zu füllen, ist, dass Union und SPD sich im Koalitionsvertrag geeinigt haben, in der aktuellen Legislaturperiode keine Steuererhöhungen zu beschließen.
Kritik bekommen Merz, Söder und Co aus den eigenen Reihen: Dennis Radtke, Europaabgeordneter und Bundesvorsitzender des CDU-Arbeitnehmerflügels, forderte am Montag im Podcast Table Today, Steuerausnahmeregelungen bei Erbschaft- und Schenkungssteuer zu beenden.
Durch diese Ausnahmen würden „Milliardenvermögen verschenkt und vererbt, ohne dass ein Euro Steuern bezahlt wird“, sagte Radtke. Merz „klare Kante“ gegen Steuererhöhungen habe damit gar nichts zu tun: „Das wäre auch keine Steuererhöhung, sondern das Stopfen von Schlupflöchern.“
Am Montag beginnt die von der Regierung eingesetzte Sozialstaatskommission ihre Arbeit. Sie soll bis Ende des Jahres Vorschläge für die Bereiche Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag machen. Ab Anfang 2026 sollen diese umgesetzt werden, hatte das Sozialministerium mitgeteilt.
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