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US-Zölle belasten die SchweizKein Trump-Effekt

US-Präsident Donald Trump hat die Schweiz mit hohen Zöllen belegt. Das treibt sie aber nicht in die Arme der EU, zeigt ein Besuch der Bundespräsidentin beim Kanzler.

Auch von US-Zöllen betroffen: Schweizer Gruyère-Käse Foto: Michael Buholzer/reuters

Berlin taz | Der Worst Case ist schon Realität: So denkt die Thermoplan AG, Hersteller von Kaffeemaschinen für die US-Kette Starbucks, bereits über die Verlegung der Produktion für den amerikanischen Markt von Weggis im Kanton Schwyz ins rheinland-pfälzische Hockenheim nach. Weitere Firmen könnten folgen: Knapp jedes dritte Schweizer Unternehmen aus dem Bereich Maschinenbau und Elektroindustrie plant die Verlagerung von Produktion in die EU.

„Wir befinden uns in einer heiklen Phase“, warnt der Branchenverband Swissmem. „Zahlreiche Firmen“ wollten weniger in der Eidgenossenschaft produzieren, 37 Prozent der Firmen würden Entlassungen planen. Und nicht nur das: Auch Schweizer Paradeprodukte haben Probleme. Die Branchenorganisation BO Milch will den Export von Rahm, Butter und Schokolade mit Millionenbeträgen fördern.

Grund für die miese Stimmung: Seit dem 7. August gilt für zahlreiche Schweizer Waren ein Riesen-Importzoll von 39 Prozent. Mit mehr belegte US-Präsident Donald Trump nur von ihm besonders wenig gelittene Staaten wie Brasilien, Syrien, Laos und Myanmar. Da viele EU-Produkte nur mit 15 Prozent Zöllen belegt werden, kalkulieren viele Schweizer Konzerne derzeit eifrig, ob sich ein Umzug in die EU lohnt.

Treibt Trump die Schweiz den Europäern in die Arme? Darauf hoffte zumindest am Dienstag Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beim Besuch von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter in Berlin. Keller-Sutter hatte am 31. Juli laut Medien 34 unglückliche Minuten mit Trump telefoniert. Das Ergebnis: der Zollhammer. Ihr selbstbewusster Auftritt hatte dem Präsidenten nicht gefallen. „Sie wollte nicht hören“, sagte Trump später. Sein Vorwurf: 38 Milliarden Dollar US-Handelsbilanzdefizit mit der Schweiz, für Trump ein „Verlust“.

Merz legt den Finger in die Wunde

Merz bedauerte nach dem Treffen mit Keller-Sutter die „exorbitant hohen Zollsätze“ für die Schweiz – und legte damit den Finger noch mal in die Wunde. Sie selbst verwies auf einen möglichen zweiten Deal mit Washington, der Bundesrat habe eine „neue Offerte“ vorgelegt. Möglicherweise will Bern noch mehr Rüstungsgüter kaufen als die bislang vereinbarten F-35-Kampfjets und auf die Einführung einer Digitalsteuer verzichten. Zudem könnte die Schweiz amerikanisches Flüssiggas kaufen und ihren abgeschotteten Agrarmarkt für US-Landwirte etwas weiter öffnen.

Aber: Auch wenn Merz das „gute Gespräch“, Keller-Sutter den „freundschaftlichen Empfang“ in Berlin lobte und beide den regelbasierten globalen Handel, den Trump gerade zertrümmert, feierten: Das Verhältnis ist angeknackst – spätestens seitdem die Schweizer immer wieder mit Hinweis auf ihre Neutralität Hilfen für die Ukrai­ne abwehrten.

Und so blieben auch die Konsultationen am Dienstag ergebnislos. Er wünsche sich eine „möglichst enge Kooperation“, so Merz. Aber: Natürlich habe eine EU-Mitgliedschaft nicht auf der Tagesordnung gestanden. Ach ja: Merz machte sich für Genf als Austragungsort von Gesprächen für das Ende des Ukrainekriegs stark. Wichtiger als der Ort sei, dass es überhaupt zu Friedensgesprächen komme, musste Keller-Sutter einräumen.

Dabei einen Eidgenossenschaft und EU nicht nur eng verflochtene gemeinsame Grenzregionen und die sogenannten „gemeinsamen Werte“. Die Union ist auch mit Abstand der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Der Gesamtwert der Schweizer Ex- und Importe in die Union belief sich 2024 auf insgesamt 346,9 Milliarden Euro. Mit den Vereinigten Staaten waren es 94,6 Milliarden Euro. Immerhin 18 Prozent der Schweizer Exporte gehen über den Atlantik, vor allem Chemie, Pharmaka, Gold, Edelmetalle, Kunst und Antiquitäten. Damit sind die USA noch vor Deutschland (Exportanteil: 15 Prozent) der wichtigste Einzelkunde der Schweiz.

Volksabstimmung 2001 ging schief

Immerhin planen Bern und Brüssel bereits eine engere Kooperation. Bereits im vergangenen Jahr wurden gemeinsame Regeln, etwa für Lebensmittelsicherheit, Strommärkte und Gesundheit, verhandelt. Auch juristisch rückt die Schweiz näher an die Union. Hier sollen die EU-Freizügigkeitsrechte ausgeweitet werden, vor allem die Arbeitnehmerfreiheit und die Niederlassungsfreiheit. Noch ist das Abkommen aber nicht abgesegnet.

Die Schweizer werden wahrscheinlich im ersten Halbjahr 2027 per Volksabstimmung darüber entscheiden, ob sie dafür sind. Schon trommeln konservative Unternehmer in der sogenannten Kompass-Initiative dagegen. Das macht den liberalen Kräften Angst: Sie fürchten eine Wiederholung der Volksini­tiative „Ja zu Europa“ aus dem Jahr 2001. Damals war das Ergebnis eindeutig: Mit 76,8 Prozent lehnte eine große Mehrheit einen EU-Beitritt ab.

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