Söder will regionale Erbschaftsteuer: In Bayern soll das Sterben am günstigsten sein
Bayern fordert eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer und klagt dafür vor dem Verfassungsgericht. Die Bundesländer stünden dadurch in Wettbewerb zueinander.

In Deutschland werden pro Jahr Vermögen im Wert von etwa 400 Milliarden Euro vererbt. Ganze 12 Milliarden Euro werden vom Staat als Erbschaftsteuer abgeschöpft. Geregelt ist dies zwar in einem Bundesgesetz, doch das Steueraufkommen geht vollständig an die Länder, in denen die Verstorbenen ihren Wohnsitz hatten. Bayern nimmt so pro Jahr 2,4 Milliarden Euro ein, Thüringen nur 27 Millionen, weil in den neuen Ländern wenig vererbt werden kann.
Söder forderte am Montag in der Bild-Zeitung: „Jedes Bundesland soll künftig eigene Steuersätze festlegen dürfen, denn das Steueraufkommen fließt ohnehin in die Länderhaushalte. Es ist nur folgerichtig, den Ländern dann auch die Hoheit über die Höhe der Steuer zu geben.“ Kanzler Friedrich Merz reagierte zurückhaltend: „Wir haben im Moment andere Sorgen.“
Friedrich Merz, Bundeskanzler
Umso wichtiger für Söder, dass er noch ein zweites Eisen im Feuer hat: Im Juni 2023 veranlasste Bayern beim Bundesverfassungsgericht das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle gegen das Erbschaftsteuergesetz. Der Bund habe hierfür gar keine Gesetzgebungskompetenz. Ein Bundesgesetz sei nicht erforderlich.
Der Bundestag nahm zu dieser Klage nicht Stellung; vermutlich konnten sich SPD und Union nicht einigen. Deshalb hat die Grünen-Bundestagsfraktion den Rechtsprofessor Florian Meinel mit einer Stellungnahme beauftragt, die der taz vorliegt.
Für Meinel steht außer Zweifel, dass ein Bundesgesetz für die Erbschaftsteuer zulässig ist. Andernfalls bestünde die Gefahr eines „ruinösen Steuerwettbewerbs“. Wenn Bayern bei der Erbschaftsteuer die Steuersätze absenken und die Freibeträge erhöhen könnte, wäre dies ein Anreiz für reiche Leute, nach Bayern umzuziehen. Sie würden dort dann auch Einkommensteuer zahlen. „Das wäre eine Bayern-first-Politik, eine Abkehr von der für den deutschen Föderalismus charakteristischen Solidarität“, so Meinel.
Geringe Erfolgsaussichten
Die Chancen, dass Bayern das Bundesgesetz völlig kippt, sind relativ gering. Erst 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass der Bund hier die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz wahrnehmen durfte. Der Bundestag habe auch einen Einschätzungsspielraum, ob eine Rechtszersplitterung zu „problematischen Entwicklungen für die Rechts- und Wirtschaftseinheit“ führt.
Besser sind die bayerischen Erfolgsaussichten an einem zweiten Punkt. Bayern moniert auch, dass die Freibeträge für die Erbschaftsteuer (500.000 Euro für Ehegatt:innen, 400.000 Euro für Kinder) schon seit 2009 nicht mehr erhöht wurden. Gerade in Bayern müssten viele Kinder das ererbte Haus verkaufen, so das bayerische Argument, um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können.
Söder macht weiter Druck
Meinel überzeugt aber auch das nicht. „Wenn Ehegatten im ererbten Haus wohnen bleiben oder wenn Kinder dort einziehen, ist das Familienheim von der Erbschaftsteuer befreit“, es gehe also nur um Fälle, bei denen die Immobilie als Kapitalanlage genutzt wird. „Und auch dort kann die Steuerlast für zehn Jahre gestundet werden.“
Eine verfassungsrechtliche Pflicht, Steuerfreibeträge regelmäßig zu erhöhen, gebe es nur beim Schutz des Existenzminimums, aber nicht bei der Erbschaftsteuer. „Es gibt keinen Anspruch auf Absicherung von Ungleichheit“, schreibt Meinel.
Wann das Bundesverfassungsgericht über die Klage Bayerns entscheidet, ist noch offen. Bis dahin wird Söder weiter politisch Druck machen. Doch selbst wenn er es durch Erpressung und Deals schaffen würde, die rot-schwarze Koalition auf seine Seite zu ziehen, so wäre er noch nicht am Ziel: Erforderlich wäre für eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer auch die Zustimmung des Bundesrats, also der Länderkammer. Und dort sind Söders Vorstöße bisher immer gescheitert – weil sie eben vor allem Bayern nutzen und anderen Ländern schaden.
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