Rechte für Transfrauen: Pack die Badehose wieder ein
In Großbritannien haben Transfrauen keinen Zutritt zu Frauen vorbehaltenen Räumen. In London wird gestritten: Wer darf wo mit wem schwimmen?
Kenwood Ladies’ Pond ist einer von drei idyllischen Badeseen auf Hampstead Heath – einer für Männer, einer für Frauen, einer gemischt. Der Eintritt ist kostenpflichtig, seit über einem Jahrhundert kann man hier ganzjährig im braunen Quellwasser der Fleet baden, ein Londoner Fluss, der heute nur noch in Röhren unter der Erde bis in die Themse fließt. Die einst zur Trinkwasserversorgung Londons gegrabenen Teiche und kleinen Seen – insgesamt gibt es 30, umgeben vom riesigen hügligen und waldigen Stadtpark Hampstead Heath – schenken Ruhe und Erholung vom Londoner Alltag. Doch es wäre wohl nicht London, wenn es nicht immer wieder Zank gäbe, sogar vor Gericht. Über Radfahrende im Park, über das Parkcafé oder sogar über Pläne, die Seen zu schließen, andere erkämpften sich das Winterschwimmrecht ohne Bademeister am Mixed Pond, es gab Streit um das Eintrittsgeld.
Seit wenigen Jahren gibt es Einsprüche anderer Art. Sie beziehen sich auf das Recht von Transfrauen, im Damenteich zu schwimmen, dem Ladies’ Pond – es könnte auch um Transmänner im Männerteich, dem Men’s Pond, gehen, aber das ist weniger ein Thema. 2019 hatte die Bezirksregierung der City of London, welche die Obhut über den Park und die Schwimmseen hat, selbstidentifizierten Transfrauen und -männern im Besitz eines staatlichen Geschlechtsanerkennungszertifikats, für das man in England mindestens zwei Jahre im gewählten Geschlecht leben muss, das Recht gegeben, im entsprechenden Damen- oder Herrenteich zu schwimmen. Vor dem Ladies’ Pond hängt seitdem ein Schild, das darauf hinweist.
Aber im April 2025 urteilte das britische Supreme Court aufgrund einer Klage schottischer Frauengruppen, dass bei der Benutzung von geschlechtlich Männern beziehungsweise Frauen vorbehaltenen Einrichtungen das biologische Geschlecht zu gelten hat, also das bei der Geburt eingetragene. Alles andere sei mit dem bestehenden Gleichstellungsgesetz zum Schutz von Frauen unvereinbar, urteilten die Richter einstimmig, denn es müsse ohne Nachfrage klar sein, wer eine Frau ist und wer nicht. Nun klagt die Frauenrechtsorganisation Sex Matters gegen die Nutzung des Ladies’ Pond durch Transfrauen – denn deren biologisches Geschlecht ist männlich.
Geschützter Bereich für Frauen
Eine der Nutzerinnen des Ladies’ Pond, die dort auf keine Transfrauen stoßen wollen, zählt Maya Forstater, die Geschäftsführerin von Sex Matters. Laut der Organisation sei der Ladies’ Pond ein geschützter Bereich für Frauen, weil die sich dort entkleiden. Die Anwesenheit von Transfrauen sei also ein Verstoß gegen das Gesetz. In der Klage von Sex Matters geben Frauen an, dass sie biologischen Männern im Duschraum und in der Umkleide begegnet seien. Andere hätten einen Mann mit Bikini beobachtet, der sich an der Hose rieb, während er Frauen ansah. Ein weiterer Mann hätte auf der Liegewiese Fotos von jungen Mädchen gemacht. Das Personal, so die Augenzeuginnen, habe Beschwerden abgewiesen und gesagt, dass Transfrauen im Ladies’ Pond willkommen seien. Einige Frauen hätten deswegen das Schwimmen aufgegeben.
„Die Meinungen unter Schwimmerinnen des Ladies’ Pond sind sehr unterschiedlich“, sagt dazu Mary Powell vom Benutzer:innenverein KLPA (Kenwood Ladies’ Pond Association). 2024 befragte KLPA ihre Mitglieder zu dem Thema und die Mehrheit war für die Zulassung von Transfrauen im Frauenpool. Powell glaubt, das Schwimmen dort für alle sicher sei. „Im Schwimmbereich sind durchgehend mindestens fünf Angestellte anwesend, die bei Problemen jeder Zeit verständigt werden können, sollte etwa unangemessenes Verhalten beobachtet werden“, sagt sie. Sie beschuldigt Sex Matters, den Ladies’ Pond politisch auszuschlachten, ausgerechnet kurz vor dem 100. Jubiläum des Frauenpools.
Auch eine Gruppe von Cis-Frauen, sie nennen sich Nion-Women (Nicht in unserem Namen-Frauen) sprach sich gegen den Ausschluss von Transfrauen aus und erklärte: „Wir sind der Meinung, dass eine kleine Minderheit mit stark artikulierten Ansichten versucht, für die Mehrheit, die nicht der gleichen Ansicht ist, zu sprechen, und weisen zurück, dass unsere Stimmen gegen Transfrauen missbraucht werden.“
Eine der Transfrauen, die gelegentlich den Ladies’ Pond nutzt, ist die 30-jährige Tammi Hymas. Sie arbeitet in der Gruppe TransActual. „Den Ladies’ Pond besuchen Transfrauen und alle Frauen aus den gleichen Gründen, und zwar weil es ein sicherer und inklusiver Ort ist, egal welches Alter, Hintergrund, Körperform eine Frau hat“, sagt sie. „Es ist ein wunderschöner Ort, der von Männern abgetrennt ist.“ Gerade das öffentliche Schwimmen sei für Transmenschen oft mit Ängsten verbunden. „Wir können beim Schwimmen Belästigung und anderer Art von Diskriminierung erfahren. Deshalb ist der offen als inklusiv deklarierte Ladies’ Pond einer der wenigen und wirklich wichtigen Orte für Transfrauen hier.“
Wohin auf Toilette?
Die Klage, fürchtet sie, könnte unangemessene Fragen an Schwimmerinnen nach sich ziehen, insbesondere wenn diese nicht ganz den erwarteten äußerlichen Vorstellungen einer Frau entsprechen. „Sie müssen dann beweisen, wer sie sind und das ist vollkommen unakzeptabel.“ Auch andernorts hätten Menschen der Transcommunity derzeit große Probleme wegen des Urteils des Supreme Courts, viele könnten derzeit in keine öffentliche Toilette mehr gehe „Frauen, wenn sie sich als Frauen ausdrücken, sollten Zugang zu den dafür entsprechenden Räume haben und nicht ständig hinterfragt werden, welches Geschlecht sie denn haben“.
Sex Matters hat für solche Argumente wenig Sympathie. „Geschlechtliche Selbstbestimmung (Self-ID) war nie Gesetz in Großbritannien“, sagt die Rechtsberaterin der Gruppe, Helen Joyce. Die Ablehnung von Self-ID als transphob zu bezeichnen, sei falsch. Im Fall des Ladies’ Ponds sei es egal, was Verbände oder die Vereinigung der Benutzer:innen der Ponds glaubten oder fühlten. „Es ist ganz einfach“, findet Joyce.

„Das britische Gleichstellungsgesetz verbietet sexuelle Diskriminierung bis auf ganz spezielle Orte, zum Beispiel dort, wo Menschen sich umziehen. Wo diese Orte bestimmten Geschlechtern vorbehalten sind, gilt seit dem Urteil des Supreme Courts, dass nur das biologische Geschlecht für den Zugang anzuwenden ist. Auch Personen mit zertifiziertem selbstidentifiziertem anderem Geschlecht haben darin keinen Zugang!“ Wenn in einen Raum nur für Frauen auch nur ein einziger Mann zugelassen werde, sei es kein geschützter Raum mehr.
Das britische Recht verbietet allerdings auch, dass Personen der Transcommunity von einer öffentlichen Aktivität ausgeschlossen werden oder ohne Toilette dastehen. Joyce glaubt aber nicht, dass hier ein Ausschluss vorliegt. Denn in Hampstead gibt es auch den Mixed Pond, etwa 20 Minuten Fußweg entfernt auf der anderen Seite des Parks. Dieser ist für alle Geschlechter zugänglich.
Umbau zu Einzelkabinen
Doch wie einer der Bademeister bestätigt, sind die Umkleideräume und Toiletten des Mixed Pond derzeit in Frauen- und Männerbereiche eingeteilt. „Das müsste dann geändert werden“, glaubt er. Konkret bedeutet dies einen Umbau mit Einzelkabinen und Unisextoiletten. Und der Mixed Pond, der im Winter kein Rettungspersonal hat und nur mit einer Sondermitgliedschaft zugänglich ist, müsse dann auch ganzjährig mit Personal geöffnet bleiben, so wie die beiden anderen. Anders als der Ladies’ Pond ist der Mixed Pond auch weniger privat: Passanten können offen alles im und am See beobachten.
Und so zögert Transfrau Tammy Hymas mit diesem Vorschlag. Zonen wie der Mixed Pond seien zwar großartig, insbesondere weil Männer und Frauen dort gemeinsam schwimmen könnten, doch sie selber sei in einer Freundinnengruppe, die es für wichtig halten, dass sie als Frau mit ihnen im Ladies’ Pond schwimmen kann. Und für viele Transfrauen gelte außerdem der gleiche Schutzbedarf vor Männern wie für biologische Frauen. „Transfrauen bevorzugen oft einen Ort, wo sie ohne Männer sein können, denn die machen leider oft Bemerkungen oder unangemessene Kommentare über Transfrauen. Die Akzeptanz aller Arten von Frauen im Ladies’ Pond ist etwas ganz Besonderes.“
Auf Anfrage der taz sagt ein Sprecher der City of London, dass sie die Sensibilität der Debatten und die Komplexität zu den Arrangements in den Pools verstehen. „Wie viele Organisationen befinden wir uns in einem Prozess vorsichtiger Überprüfung unserer Zugangskriterien. Wir werden uns mit unseren Benutzer:innen und Interessenverbänden beratschlagen, damit alle Stimmen gehört werden und um dann klare und gut informierte Entscheidungen über die derzeitigen und zukünftigen Anordnungen zu treffen, während wir unseren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Bis dahin werden die derzeitigen Anordnungen, die seit 2019 gelten, weiterbestehen.“
Über das letzte Jahr hat die Verwaltung in Hampstead geschützte Zonen eingerichtet, wo Vierbeiner auf Frauchen und Herrchen warten können, und teure Einstiegen für Behinderte bauen lassen. Ultraorthodoxe Jüdinnen und Juden und streng religiöse Musliminnen und Muslime schwimmen hier getrennt, den Ladies’ Pond nutzen auch Überlebende sexueller Gewalt. Es geht um Schutz. Auch die Transcommunity ist schutzbedürftig. Wenn sich einzelne schutzbedürftige Gruppen voreinander schützen wollen, was dann? Wer in Zukunft in welchem Teich im Hampstead Heath in London schwimmen kann, ist womöglich nicht nur vor Gericht zu klären.
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