Geänderte Unterkunftsregeln: Neue Kategorie: Sekundärmigrant
Geflüchtete könnten bald behandelt werden wie Gefangene. Es geht einzig darum, symbolische Härte zu zeigen.

B islang läuft weitgehend unter dem Radar, was die Bundesregierung bei der Anpassung deutscher Gesetze an die GEAS-Reform vorhat. Es ist ja auch irre kompliziert. Schon die EU-Beschlüsse sind quasi undurchdringlich, die Pläne zur Angleichung der deutschen Gesetze daran sind es noch mehr.
Aber in dem Gewirr versteckt sich ein plumpes – und brutales – Vorhaben. Bald schon könnte Deutschland fast alle Menschen, die hierher flüchten, behandeln wie Verbrecher*innen. Nichts anderes bedeutet es, wenn die Entwürfe einen neuen Typ Unterkunft vorsehen, die den unhandlichen Namen „Sekundärmigrationszentrum“ tragen soll. Zumindest bestimmte Geflüchtete sollen dazu verpflichtet werden können, die Zentren nicht zu verlassen. Zum Gefängnis ist es da nicht mehr weit.
Und weil Deutschland keine EU-Außengrenzen hat und Geflüchtete nur selten per Flugzeug kommen, dürfte fast jede*r Asylbewerber*in als Sekundärmigrant*in gelten – und so potenziell für die Zentren in Betracht kommen. Besonders tragisch ist das, weil es eigentlich nicht mal etwas mit der großen – und an sich schon sehr harten – GEAS-Reform aus dem vergangenen Jahr zu tun hat. Es gibt keine EU-Vorgabe, „Sekundärmigrationszentren“ einzurichten. Stattdessen sind die deutschen Pläne wieder einmal Teil der Alexander-Dobrindt-Show, bei der es einfach nicht hart genug zugehen kann.

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Das zeigt sich auch an den ebenfalls beschlossenen Plänen, Geflüchtete auch anderweitig leichter in Haft zu nehmen. Auch diese Änderung steht nicht in den EU-Beschlüssen. Und dass die Regelungen sogar Kinder treffen sollen, wenn ihre Eltern in Haft genommen werden, ist besonders unmenschlich. Aber genau das ist der Punkt: Harte Politik gegen Geflüchtete muss längst keinen echten Zweck mehr erfüllen, damit sie beschlossen wird. Stattdessen ist es das Symbol der Härte an sich, um das es geht. Denn das zahlt bei einem erheblichen Teil der Bevölkerung inzwischen ein.
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