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Ukraine-Gipfel bei TrumpDie Kunst des strategischen Schmeichelns

Leon Holly
Kommentar von Leon Holly

Wolodymyr Selenskyj und seine Verbündeten haben gelernt, wie man Trump umgarnt. Ob es zu einem Treffen mit Putin kommen wird, ist trotzdem unsicher.

Washington, 18. August: der ukrainische Präsident Selenskyi zu Besuch im Weißen Haus Foto: Alex Brandon/ap/dpa

G espräche hier, Luftalarm dort. Fast pünktlich auf die Minute, als die europäischen Politiker zu ihrem Treffen mit US-Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj am Weißen Haus eintrafen, ertönten in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw die Sirenen. Allein am Montag wurden nach ukrainischen Angaben zehn Menschen bei erneuten russischen Luftangriffen getötet. Damit zeigt Russlands Machthaber Putin der Welt, was er von Friedensgesprächen hält.

Dementsprechend mit Vorsicht ist auch Trumps Verlautbarung nach dem Treffen und seinem Telefonat mit Putin im Anschluss zu lesen. Der US-Präsident schrieb auf Truth Social, er bereite ein Treffen zwischen Putin und Selenskyj vor, bevor es zu einem Dreier-Gipfel mit ihm kommen solle. Doch bislang hat sich lediglich Selenskyj öffentlich zu einem Gespräch bereit erklärt. Putin kommuniziert lieber mit Raketen.

Dabei unterstreichen die russischen Angriffe die beiden Hauptforderungen, mit der die europäischen Politiker und Selenskyj nach Washington gekommen waren. So ist es gut, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Friedrich Merz Trump klarmachten, dass die Waffen schweigen müssen: „Wir alle möchten einen Waffenstillstand sehen, spätestens ab dem nächsten Treffen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nächste Treffen ohne Waffenstillstand stattfindet“, sagte Merz zu Trump. Nach Trumps Kumpelei mit Putin in Alaska hatte der US-Präsident nichts mehr davon wissen wollen.

Auch wiederholten die Europäer gegenüber Trump mehrmals ihre zweite Hauptforderung: Einen eventuellen Friedensschluss kann es nur mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben, entweder durch eine Art Beistandsklausel oder durch Soldaten aus Drittländern in der Ukraine. Hier äußerte sich Trump offen. Der US-Präsident sagte zwar, dass die Europäer die Hauptlast tragen würden, aber er sicherte seine Hilfe zu.

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Vance nur in der zweiten Reihe

Nun weiß man um die Trump’schen Kapriolen, und was er heute sagt, kann morgen überholt sein. Und weil es eigentlich keine substanziellen Ergebnisse gibt, fällt auch das Urteil schwer, ob das Treffen im Weißen Haus denn ein Erfolg war oder nicht. Vielleicht sollte man die Zusammenkunft eher als eine Notwendigkeit betrachten, eine doppelte Korrektur, die nach diesen Maßstäben durchaus geglückt ist.

Einerseits stärkte der vereinte Auftritt im Weißen Haus die Position der Ukraine, was nötig war, nachdem Putin Trump in Alaska umsäuselt hatte. Andererseits rehabilitierte das Treffen den ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Washington, wo dieser vor einem halben Jahr noch von Trump und seinem Vize J.D. Vance vor laufenden Kameras gedemütigt worden war. So saß Vance diesmal wortwörtlich nur in der zweiten Reihe, während die Erwachsenen sich am Tisch unterhielten.

Und das funktionierte. Selenskyj und seine Verbündeten formulierten ihre Forderungen klar gegenüber Trump, verpackten sie aber in allerlei Lob und Dank. Selenskyj trug sogar einen Anzug, scherzte darüber mit jenem rechten Journalisten, der ihn im Februar noch für sein Outfit angegangen hatte, und überreichte Trump einen Brief seiner Frau an die amerikanische First Lady.

Der ukrainische Präsident und seine europäischen Partner haben also die Kunst des strategischen Schmeichelns gelernt. Denn sie wissen: Von dem großen Ego im vergoldeten Oval Office kann am Ende die Zukunft der Ukraine abhängen.

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Leon Holly
Jahrgang 1996, studierte Politik und Nordamerikastudien in Berlin und Paris. Von 2023 bis 2024 Volontär der taz Panter Stiftung. Schreibt über internationale Politik, Kultur, und was ihn sonst so interessiert.
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10 Kommentare

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  • Ein faschistischer narzisstischer Lügner, der keine Hemmungen hat, Soldaten gegen die eigene Bevölkerung aufzustellen, wird von unseren Politikern beweihräuchert und geadelt. Ob es aktuell eine Alternative dazu gibt? Keine Ahnung. Aber wenn Trump als Politiker weiter legitimiert wird, beschädigt das auch bei uns unser Verhältnis zu den Werten der Aufklärung und der Demokratie. Mir graut's.

  • Hat Putin kompromittierendes Material gegen Trump in der Hand?



    siehe: www.spiegel.de/aus...-83d5-fc2b3488662e



    "Trumps Geflüster über Putin: »Ich glaube, er will einen Deal für mich machen«



    Während des Ukrainegipfels im Weißen Haus flüstert Donald Trump dem französischen Präsidenten etwas zu. Was der US-Präsident offenbar nicht bemerkt hat: Sein Mikrofon war noch eingeschaltet."

  • Strategisch, taktisch, praktisch:



    Meuchelmörder, Schmeuchelmörder, Schmeichelmörder...

  • Einen Irren bei Laune halten zu wollen wird irgendwann an seine Grenzen stoßen und was dann?!

  • Außer Spesen nichts gewesen.



    So kann man dieses Treffen wohl zusammenfassen.



    Selenskij und seine Betreuer durften fein im weißen Haus zusammensitzen und mit Onkel Donald plauschen. Ein paar schöne Bilder als Erinnerung und das wars.



    Wenn man sich die Sache inhaltlich anschaut, wurde wohl eher aneinander vorbei als miteinander gesprochen.



    Denn außer, dass die Europäer ihre Forderung mal aufsagen durften, natürlich verpackt in größtmögliche Schmeicheleien, ist nichts passiert.



    Trump ging in keiner Weise auf die wichtigsten Kernforderungen ein, sondern hat sie einfach höflich ignoriert.



    Ich frage mich auch, was sich Selenskij von dem Treffen mit Putin verspricht? Denkt er, bei seinem Anblick lenkt Putin auf einmal ein und sagt: "Achso, ihr seid gar keine Nazis und unterdrücken tut ihr die russische Bevölkerung auch nicht? Mensch sorry, das hab ich total falsch verstanden. Dann gehen wir mal lieber nach hause."???



    Dass sich bei einem Abkommen beide Seiten bewegen müssten und zwar in einigen Fragen, ist jedem klar, der nur ein wenig von Geopolitik und Diplomatie versteht. Ich bin mir nicht sicher, ob die europäischen Staatenlenker dazugehören...

  • Man kann nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Erst müssen die Waffen schweigen, dann kann verhandelt werden.



    Aber genau das will Putin nicht.



    Er will einfach keinen Frieden, sondern nutzt die angeblichen Friedensgespräche, um seine Ziele voranzutreiben: die Eroberung weiterer Landstriche und, wenn die Friedensgespräche sich lang genug hinziehen, die Eroberung der ganzen Ukraine.



    Warum kapiert das eigentlich niemand in Washington und den europäischen Kapitalen? Putin sitzt im Kreml und klopft sich vor Vergnügen auf die Schenkel!



    Ich hoffe, dass ich nicht recht behalte!

  • Hinter all dem Zuckerguss nach außen, bleiben die brutalen feudal-faschistischen Visionen die Putin und Trump verbinden GLEICH. Trump steht zu 100 Prozent bei Putin : Goldene Paläste und weit weg von jeglicher Partizipation ein 'Volkskörper', eine anonyme Masse wie sie auch Höcke vorschwebt , der keinerlei Individualrechte hat. Wenn sich Europa ( aber wer ist das ? Kerneuropa ? ) nicht selber eine knallharte eigene Verteidigung mit atomarer Abschreckung aneignet , wird es Stückchenweise geschlachtet . Alles , was wir uns nur an Inhumanität gegenüber dem Mitmenschen vorstellen, wird sonst kommen. Wer aus diesem Treffen Hoffnung schöpft , mogelt sich an der kommenden Realität vorbei.

  • ""....fällt auch das Urteil schwer, ob das Treffen im Weißen Haus denn ein Erfolg war oder nicht.""



    ==



    Der russische Scharfmacher, Extremist und Vizevorsitzender des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, sieht in dem Washingtoner Ukrainegipfel eine Niederlage für die europäischen Staats- und Regierungschefs im Umgang mit Trump.

    Medwedew schrieb auf X: "Die antirussische, kriegstreiberische Koalition der Willigen ist daran gescheitert, sich gegen Trump durchzusetzen." Europa habe ihm gedankt und sich bei ihm angebiedert, schrieb er.

    Klartext:



    Offensichtlich reagiert Medwedew auf das gestrige Gipfeltreffen



    mit dem Argument das Putin Trump viel besser Honig um den Mund schmieren kann als das in Washington versammelte Europa.

    Klingt irgendwie nach "Trumpy hat uns mehr lieb als" die """"antirussische, kriegstreiberische""""(?) europäische Koalition der Willigen.

    Europa ist zurück als Akteur auf dem Spielfeld - wenn Medwedew das behauptet muss es ja wohl stimmen.

    Das ist die gute Nachricht.

  • Bizarr. Trump plötzlich als Friedensstifter, die Ukraine mit dem Deal kurz davor, dass seine Gebiete an Russland fallen müssen, und sogar Europa klatscht in die Hände.

    Trump muss viel manipuliert, gedealt und indirekt gedroht haben, dass wir uns so einfach unter Wert verkaufen lassen. Donald ist Abfall.

    Länder dürfen sich nicht mehr verteidigen, sondern der Aggressor kriegt über Deals das Land geschenkt.

    Wann ist das Baltikum dran?

  • Es gibt bis jetzt noch keine Vereinbarung, die beide Seiten unterschrieben haben. Also geht auch der gegenseitige Beschuss weiter. So ist Krieg. Und wer das Sterben beenden will, muss zu einer Vereinbarung kommen. Gegenseitiges Fingerzeigen ist dabei nicht hilfreich.

    Ob ein Treffen weiter hilft, bei dem nur gelabert wird, bezweifle ich. Wichtiger wäre es, sich zusammen zu setzen und einen Vertrag auszuhandeln. Das muss nicht auf oberster Ebene erfolgen. Die ist erst zur Unterzeichnung wichtig. So funktioniert klassische Diplomatie.