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Jean-Pascal Hohm soll AfD-Jugend führenRadikal diszipliniert

Der Brandenburger Abgeordnete Jean-Pascal Hohm soll Chef der neuen AfD-Jugend werden. Er gilt als Bindeglied zum rechtsextremen Vorfeld der Partei.

Rechtsextremer Wiedergänger: Jean-Pascal Hohm spricht in Cottbus im Sommer 2024 Foto: Frank Hammerschmidt/dpa

Berlin taz | Für den AfD-Bundesvorstand ist er wohl der ideale Mann für den Posten: Jean-Pascal Hohm, Brandenburger Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der AfD Cottbus, soll Chef der neuen AfD-Jugendorganisation werden, die Ende November bei einem Parteitag in Gießen gegründet werden soll. Das haben Hohm und die Parteispitze nach Medienberichten mittlerweile bestätigt.

Hohm, der bereits als 17-jähriger Schüler im Jahr 2014 Gründungsvorsitzender der mittlerweile aufgelösten Jungen Alternative (JA) in Brandenburg war, macht seit Jahren genau das, was sich die AfD auch von ihrer künftigen Nachwuchsorganisation erhofft: Er pflegt enge Kontakte ins rechtsextreme Vorfeld der Partei, ist anschlussfähig für junge Menschen insbesondere durch seine Aktivitäten in der Fanszene von Energie Cottbus, achtet als karriereorientierter Nachwuchspolitiker aber mittlerweile auch darauf, eine gewisse Disziplin gegenüber der Parteispitze zu wahren.

Anfang des Jahres hatte sich die AfD von ihrer bisherigen Parteijugend getrennt, die sich kurz darauf selbst abschaffte. Hintergrund ist die Furcht vor einem Parteiverbot. Die JA spielte eine Schlüsselrolle bei der Einstufung der Gesamtpartei als „gesichert rechtsextrem“. Immer wieder sorgte der Parteinachwuchs für Schlagzeilen, etwa als im Herbst 2024 JA-Mitglieder als Teil der mutmaßlichen Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“ festgenommen wurden.

Weil die JA als Verein organisiert war, hatte die Mutterpartei wenig Kontrolle über den eigenen Nachwuchs. Zudem wäre die JA über ein Vereinsverbot wesentlich leichter zu verbieten gewesen als eine Parteistruktur. Beides soll sich mit der Neugründung nach dem Vorbild anderer Parteijugendorganisationen ändern. Künftig soll jedes Mitglied der Jugendorganisation auch Parteimitglied sein und deshalb den gleichen Aufnahmeprozess durchlaufen. Zugleich sollen alle AfD-Mitglieder im Alter von 16 bis 35 automatisch Mitglieder der Parteijugend sein.

Es geht um Kontrolle, nicht um Mäßigung

An der ideologischen Ausrichtung des AfD-Nachwuchses dürfte die Neugründung jedoch wenig ändern. Viele stramm rechte (Ex-)Mitglieder der JA sind ohnehin schon in der AfD und besetzen dort wichtige Posten. Wie eben Jean-Pascal Hohm.

Seit der Landtagswahl 2024 sitzt er als direkt gewählter Abgeordneter im Parlament in Potsdam. Dort ist er einer von mittlerweile sechs AfD-Abgeordneten, die das Landesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft. Vergangene Woche war bekannt geworden, dass die Behörde nun auch die Abgeordnete Lena Kotré dazuzählt.

Auch den gesamten Landesverband hat der Verfassungsschutz vor Kurzem zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochgestuft. In der Begründung, einem 140-seitigen Gutachten, wird Hohm mehrfach namentlich genannt.

Unter anderem heißt es dort über ihn: „Aufstrebende Jungpolitiker wie Jean-Pascal Hohm sind in Brandenburger Hochburgen des Rechtsextremismus politisch sozialisiert worden, sind dort persönlich vernetzt und nehmen persönlich und privat Anteil an einer rechtsextremen Subkultur, welche die Partei zunehmend in sich aufzunehmen bereit ist.“ Darüber hinaus dienen völkische, rassistische und verschwörungsideologische Aussagen Hohms wiederholt als Belege für die Radikalisierung der Partei.

Hohm verkörpert die Radikalisierung der AfD

Noch vor wenigen Jahren haben namentliche Nennungen wie diese Hohms Parteikarriere zumindest kurzzeitig geschadet. 2019 etwa kündigte er seine Stelle beim Bundestagsabgeordneten und heutigen Brandenburger AfD-Chef René Springer, weil er mehrfach in einem Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz zur Einstufung der Bundes-AfD als „rechtsextremistischer Prüffall“ aufgetaucht war.

Bereits 2017 hatte Hohm einen Job bei der AfD-Landtagsfraktion wegen allzu offensichtlicher Kontakte in die rechtsextreme Szene aufgeben müssen. Damals hatte er ein Fußballspiel von Energie Cottbus beim Potsdamer Verein Babelsberg 03 mit dem damaligen Anführer der „Identitären Bewegung“ besucht. Aufnahmen zeigen ihn am Rand einer Gruppe vermummter Cottbuser Hooligans. Es kam zu massiven Ausschreitungen, Cottbuser Fans stimmten antisemitische Sprechchöre an.

Zudem machte er in dieser Zeit ein Praktikum bei der rechtsextremen Initiative „Ein Prozent“ und traf in Italien Kontaktleute der neofaschistischen Organisation „Casa Pound“

An der Spitze des vermummten Neonazi-Blocks

Doch Hohm kam stets zurück. Während der Coronapandemie setzte er sich in Cottbus an die Spitze der rechtsoffenen Proteste gegen die Schutzmaßnahmen, an denen teils mehrere tausend Menschen teilnahmen. Cottbuser An­ti­fa­schis­t*in­nen ist dabei ein Auftritt im Dezember 2021 besonders im Gedächtnis geblieben. Damals lief Hohm vor dem Frontblock der Demo, der aus vermummten Neonazis bestand, und rief als Einpeitscher Parolen in sein Megafon, etwa: „Deutsch und frei wollen wir sein!“

Geschadet hat es ihm nicht, im Gegenteil. Er rückte an die Spitze des Cottbuser AfD-Kreisverbands und zog in den Landtag ein. Hohm passe sein Auftreten geschickt dem jeweiligen Publikum an, berichten Be­ob­ach­te­r*in­nen aus Cottbus der taz. Vor Ort nutzt er weiter sein Image als nahbarer Fußballfan, lässt sich „Kalli“ rufen. Erst vor wenigen Wochen organisierte er ein Fußballturnier im Süden von Cottbus. Fotos in den sozialen Netzwerken zeigen Teams mit Namen wie „Bierpatrioten“. Auch der rechtsextreme Cottbuser Bundestagsabgeordnete Lars Schieske nahm teil.

Mit der Übernahme der Führung der künftigen AfD-Jugendorganisation dürfte ihm der nächste Karriereschritt gelingen – der Sprung auf Bundesebene. Andere Kandidaturen für die Position stehen noch nicht fest, aber es dürfte weitere In­ter­es­sen­t*in­nen geben. Die Entscheidung wird im November in Hessen fallen. Dann soll auch der Name der Organisation festgelegt werden.

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