Energetische Sanierung: Zwischen Asbest und Containerklo
In Bodelshausen werden Mehrfamilienhäuser energetisch saniert. Aber die Bauarbeiten finden im bewohnten Zustand statt, wochenlang gibt es kein Wasser.
R ozalija Fejsa wartet im Regen vor der Haustür eines Mehrfamilienhauses in der Roßbergstraße. Kabel laufen zu ihren Füßen entlang. Der Briefkasten neben ihr hängt schräg, als hätte ihn jemand umgetreten. Rozalija Fejsa trägt gemütliche Sachen, rosa T-Shirt und ein Teddyjäckchen drüber, denn das, was aussieht wie eine große Baustelle, ist gleichzeitig ihr Zuhause. Das Gebäude ist von Baugerüsten umstellt, Fenster sind mit Folie abgehängt. Alte Elektrogeräte, Kloschüsseln, Rohre, Farbeimer, herausgebrochene Steine liegen auf den Wiesen und am Wegesrand. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Waschküche im Keller“, sagt sie und geht die Treppen runter. Baustaub schlägt einem entgegen.
Unten im Waschraum klafft ein breites Loch im Boden, durch das ein großes Rohr führt. Ein falscher Schritt, die Verletzungsgefahr wäre groß. „Mir wurde gesagt, die Waschküche ist komplett fertig“, sagt Fejsa und schüttelt den Kopf. „Warum werden Sachen erzählt, die nicht wahr sind?“, fragt sie. Man merkt ihr den Ärger an. Sie muss momentan draußen in aufgestellten Containern waschen, aber die Waschmaschinen seien fast immer besetzt, weil es zu wenige sind: „Am Samstag bin ich viermal hingegangen.“
Seit 40 Jahren wohnen Rozalija Fejsa, 76, und ihr Mann Julijan Fejsa, 85, im Erdgeschoss links. Die Fejsas kamen vor vielen Jahren aus Serbien nach Deutschland, sie nähte in den umliegenden Fabriken, er schuftete als Metallbauer. Die beiden haben gearbeitet, eine Familie gegründet, heute sind sie in Rente. Und jetzt? Wenn es nach der Kreisbaugesellschaft Tübingen ginge, dann hätten die beiden sechs Wochen lang in ihrer Wohnung kein Wasser gehabt, kein Klo, keine Dusche, kein Wasser zum Kochen, keine Möglichkeit, sich schnell mal die Hände zu waschen.
Die kommunale Wohnungsgesellschaft möchte in Bodelshausen, einer Gemeinde im Landkreis Tübingen, nach und nach vier Mehrfamilienhäuser sanieren, in der Roßbergstraße und in der Teckstraße. Grundsätzlich ist das eine gute Sache. Denn die Häuser, die zwischen 1969 und 1973 gebaut wurden, verbrauchen viel Energie: Mit Effizienzklasse F liegen sie im unteren Drittel der Skala, die von A bis H reicht.
Für Mieter*innen macht sich das in hohen Heiz- und Nebenkosten bemerkbar. Das soll sich ändern. Auf dem Dach gibt es bereits eine Solaranlage. Nun sollen noch neue Fenster eingebaut, die Fassade soll gedämmt werden. Das Heizungssystem wird ausgetauscht. Außerdem werden die Bäder modernisiert, die Wasserleitungen zu Bad und Küche werden erneuert. Die elektrischen Leitungen ebenso. Bis zum Frühjahr 2026 sollen die Maßnahmen, die nach und nach an den Häusern erfolgen, komplett abgeschlossen sein.
Was hier in zwei unscheinbaren Seitenstraßen passiert, reicht aber weit über Bodelshausen hinaus. Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, müssen viele ältere Gebäude in den nächsten Jahren energetisch saniert werden. Das Ziel ist: Bis zum Jahr 2045 soll der Gebäudebestand Deutschlands nahezu klimaneutral werden.
In Bodelshausen werden bei der Gelegenheit die Wohnungen gleich modernisiert. Die kommunale Kreisbaugesellschaft Tübingen, in deren Aufsichtsrat auch Oberbürgermeister Boris Palmer (Ex-Grüner) sitzt, hat nach eigenen Angaben schon 70 Prozent der 2.400 Mietwohnungen, die sie im Bestand haben, saniert. Keine schlechte Bilanz. Aber wer einen Blick hinter die Häuserwände wirft, sieht,mit welchen sozialen Verwerfungen das einhergehen kann – während der Umsetzung, aber auch danach.
Die Sanierung von Gebäuden betrifft nicht nur Eigentümer*innen von Häusern. Mieter*innen bekommen die Auswirkungen davon indirekt zu spüren. Über die sogenannte Modernisierungsumlage können Investitionskosten auf die Miete umgelegt werden. Über die Hälfte der 21 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland gehört zum untersten Einkommensdrittel. Dazu kommt: Die, die wenig verdienen, leben häufiger in alten und schlecht gedämmten Häusern. So wie in der Roßberg- und der Teckstraße. Hier leben die, die sich im Land der Häuslebauer den Traum vom Eigenheim nicht verwirklicht haben.
In der Roßbergstraße begannen im März 2025 die ersten Bauarbeiten – für Rentnerin Rozalija Fejsa begannen damit die Probleme. Denn die Kreisbaugesellschaft Tübingen hat entschieden, dass die Mieter*innen während der Bauarbeiten in ihren Wohnungen bleiben sollen, obwohl für etwa sechs Wochen kein Wasser in der Wohnung verfügbar ist und teils kein Strom. Bei einer Sanierung im bewohnten Zustand gäbe es auch „Unannehmlichkeiten“. Aber es sei „natürlich viel praktischer als ein Umzug in eine andere Wohnung, wenn wir das ganze Gebäude entmieten würden“, hieß es vonseiten der Kreisbaugesellschaft. Im Januar gab es eine Infoveranstaltung, Briefe mit Details wurden versandt. Eine Warmmiete soll allen erlassen werden.
Für die sechs Wochen ohne Wasser stehen für die betroffenen Mieter*innen blaue Container draußen auf der Wiese – mit Klo, Pissoir, Dusche und Waschbecken. Einer pro Wohneinheit. Nur der Container mit Waschmaschinen muss von mehreren Familien gleichzeitig genutzt werden. Eine große Zumutung, man denke an Familien mit kleinen Kindern, alte oder kranke Menschen. Auch Baulärm, Schmutz und Staub in der Wohnung sind in dieser Zeit unvermeidbar.
Leben mit Asbest
In den Gebäuden in der Roßbergstraße und Teckstraße wurde außerdem „Asbest in Fugen und Fliesenkleber nachgewiesen“, wie das Landratsamt Tübingen gegenüber der taz auf Nachfrage bestätigt. Das ist nicht ungewöhnlich für die Baujahre der Häuser. Erstaunlich ist nur, dass man sich trotzdem für eine Sanierung im bewohnten Zustand entschieden hat. In den Informationsbriefen, die Rozalija Fejsa in einem Ordner abgeheftet hat und die die taz einsehen konnte, wird das mit keinem Wort erwähnt. Dabei tragen Mieter*innen in ihrer Wohnung Alltags- und keine Schutzkleidung.
Das Landratsamt, das Bau- und Sanierungsarbeiten genehmigen muss, teilt mit, diese Gefahrenstoffe seien „im Rahmen der Sanierungsarbeiten durch eine Fachfirma ordnungsgemäß berücksichtigt und der entsprechende Abfall fachgerecht entsorgt“ worden. Die Arbeiten seien dem „Umweltamt auch ordnungsgemäß angezeigt und durch dieses freigegeben.“ Alles „ordnungsgemäß“ findet auch die Kreisbaugesellschaft. „Aufgrund des Baualters ist uns ein sensibler Umgang mit Gefahrenstoffen aus der Bauzeit sehr wichtig“, schreibt sie der taz. Bei Maßnahmen im bewohnten Zustand „binden wir immer frühzeitig entsprechende Fachfirmen ein“.
Auf die allgemeine Nachfrage der taz beim zuständigen Gesundheitsamt im Kreis Tübingen, ob es üblich ist, bei asbestbelasteten Gebäuden im bewohnten Zustand zu modernisieren, heißt es, „dass jegliche Exposition gegenüber Asbestfasern im Rahmen von Sanierung oder Abbruch von asbesthaltigem Material für die Bewohner als auch die Handwerker vermieden werden muss“. Die Arbeiten und Schutzmaßnahmen richteten sich „je nach Bindung von Asbest im Material, daher sind unterschiedliche Maßnahmen gerechtfertigt.“ Das seien „jedoch technische Fragen, die nicht das Gesundheitsamt beantworten kann“.
Ob nun formal gerechtfertigt oder nicht – für Rozalija Fejsa und ihren Mann war das vorgeschlagene Gesamtszenario so oder so keine Option. „Mein Mann hat schweres Asthma und ich habe Probleme mit der Hüfte“, sagt sie. Vom Asbest wussten sie nichts, sagt sie. Die beiden beschlossen, eine Weile in ihrer alten Heimat Serbien zu verbringen. Sie ließen den Schlüssel bei der Nachbarin und kamen erst zurück, als die Bauarbeiten innerhalb der Wohnung abgeschlossen waren. „Da war Staub! Ich konnte auf den Möbeln schreiben, alles war dreckig“, sagt Rozalija Fejsa. Sie musste alles putzen.
In der Wohnung der Fejsas erinnern bei diesem Besuch Ende Juli nur noch wenige Stellen an die Bauarbeiten. Die Türrahmen wurden offenbar ausgetauscht und sind nicht abgedichtet. Neben den neuen Fenstern sind noch offene Bohrlöcher. Das Bad ist komplett neu, die Fenster ausgetauscht, Wasser, Strom, alles funktioniert, irgendwann soll es noch eine Terrasse geben. Aber die Aufregung, die ist geblieben. Im Wohnzimmer haben sich vier weitere Nachbar*innen versammelt.
Ramona Gutzeit, 74, eine Nachbarin aus der benachbarten Teckstraße, erzählt von einem 10-Jährigen Nachbarskind im Haus, das jeden Tag weint, weil es sich bei dem Baulärm in der Wohnung nicht konzentrieren kann. „Das arme Kind traut sich nachts auch nicht auf die Containertoiletten“, sagt sie. Bei Ramona Gutzeit werden nur das Bad modernisiert und neue Leitungen gelegt. Sie zeigt auf ihrem Handy ein Foto von ihrem Badezimmer. Es sieht aus wie eine Ruine. „Sie können sich vorstellen, wie staubig das ist“, sagt sie und bietet an, im Anschluss auch ihre Wohnung zu besichtigen.
Die 74-Jährige übernachtet derzeit bei ihrer Schwester, aber hält sich tagsüber in der Wohnung auf. Vom Asbest hat auch sie nichts gehört. Bei ihr in der Wohnung wurde aber eine Reißverschlusstür aus Plastik angebracht, die den Rest der Wohnung schützen soll. „Der Staub hängt trotzdem überall in der Luft“, sagt sie. „Bei mir fällt das immer herunter“, erzählt ihr Nachbar, der über ihr wohnt. In seiner Wohnung zeigt er später, wie er versucht hat, die Abdeckungen mit Klebeband zu fixieren. Ein Bauarbeiter, der in einer anderen Wohnung im Badezimmer arbeitet, sagt: „Ich würde hier nicht wohnen.“
Im Wohnzimmer der Fejsas gehen die Gespräche wild durcheinander. Zwei berichten, dass ihnen die versprochene Warmmiete bislang nicht erlassen wurde. Dass sie im Rentenalter die schweren Möbel selbst zur Seite schieben und den Keller leer räumen sollten. Ein Kind soll sich am offen herumliegenden Bauschutt verletzt haben. Alle fürchten sich vor der nächsten Stromrechnung, weil für die Bauarbeiten der Strom der Mieter genutzt werde.
„Hier“, sagt ein anderer Nachbar und knallt ein Schreiben auf den Tisch. „Wir wurden gekündigt“, sagt er. Die anderen sind schockiert. Der betroffene Mieter, der selbst als Bauarbeiter arbeitet, lebt mit seiner Frau seit 20 Jahren in der Teckstraße, sagt er. Während der Bauarbeiten ist das Paar offenbar in eine Auseinandersetzung mit dem Bauleiter geraten, die Nerven lagen blank. Die beiden hatten kein Wasser, keinen Schlüssel zum Container, erzählen sie. „Ich habe den Bauleiter geschubst“, gibt der Mann selbst zu. Er hat eine Strafanzeige dafür bekommen. Die Wohnungsbaugesellschaft hat das Paar dafür nun fristlos gekündigt. Laut Kündigungschreiben, das der taz vorliegt, soll der Mann den Bauleiter auf die Brust geschlagen, die Frau soll ihn beleidigt haben. Mitte August sollen sie die Wohnung verlassen. Die Wohnungsgesellschaft droht ansonsten mit einer Räumungsklage. Der betroffene Mieter will sich wehren: „Ich geh zum Anwalt.“
Die Sorgen bleiben auch nach den Bauarbeiten
Die Nachbar*innen diskutieren, ob das Vorgehen der Wohnungsbaugesellschaft überhaupt legal ist – auch wenn niemand die Schubserei als solche verteidigt. „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“, fragt ein Nachbar. Ein örtlicher Mieterverein, den die taz für eine Einschätzung kontaktiert hat, hält die geschilderte Situation nicht für zulässig. „Bauleiter und Vermieter sind getrennt zu betrachten, der Bauleiter ist nicht Teil der Vermieterseite, auch nicht deren ‚verlängerter Arm‘.“ Für eine richtige Bewertung müsse man aber alle Details kennen und beide Seiten hören. Die Wohnungsbaugesellschaft ist jedenfalls von der Rechtmäßigkeit überzeugt: Der Vorfall stelle „einen schwerwiegenden Verstoß gegen das mit dem Mieter geschlossene Vertragsverhältnis dar“.
„Sie haben ihn doch gekündigt, um allen Angst zu machen. Damit alle ruhig sind“, glaubt Rozalija Fejsa. Zustimmendes Nicken. Mehrere berichten, der Bauleiter habe bei Beschwerden immer wieder mit Kündigung gedroht. Überprüfen lässt sich das nicht, aber es zeigt: Das Vertrauen in die beauftragte Firma ist gestört. Das Unternehmen B&O Bau ist bundesweit tätig und spezialisiert auf die energetische Sanierung und Modernisierung von Wohngebäuden. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als „Treiber der Bauwende“.
Beim Besuch Ende Juli liegt Bauschutt offen herum, ohne Absperrung. Alte Kloschüsseln und Rohre, Metallstreben und Steine liegen direkt vor den Hauseingängen auf den Wiesen. Die taz hat der Berufsgenossenschaft BG BAU ein Bild davon geschickt. „So sollte eine Baustelle niemals aussehen“, sagt Frank Werner, stellvertretender Leiter der Hauptabteilung Prävention der BG BAU, der taz am Telefon. Er versichert: „Ich habe schon viele Baustellen gesehen und das ist eine absolute Ausnahme.“ Die Berufsgenossenschaft ist grundsätzlich für Arbeitssicherheit zuständig. Ob von einer Baustelle Gefahren für Dritte ausgehen, sei Sache der Ordnungs- oder Umweltämter.
Mehrere Dinge sind laut Werner auf dem Bild problematisch. „Nicht nur, dass sich ohne Absperrung auch herumlaufende Kinder verletzen können. Es ist bei Baustellen eigentlich üblich, Baustoffe zu sortieren und in Container zu laden, bevor sie ordnungsgemäß entsorgt werden“, sagt er. Das erst im Nachhinein zu tun, werde erfahrungsgemäß deutlich teurer.
Zudem könnten in alten Gebäuden auch Gefahrstoffe verbaut sein, die heute nicht mehr zulässig sind. „Alte Mineralwollen, bestimmte Kleber, asbesthaltige Putze oder Spachtelmassen“, zählt er auf. Diese Stoffe könnten bei Regen auch in den Boden oder das Grundwasser eindringen. Aber das ließe sich natürlich nicht anhand eines Fotos beurteilen.
Der Bauleiter, der sich in Bodelshausen vor Ort in einer Wohnung als Ansprechpartner aufhält, versichert gegenüber der taz, dass alles ordnungsgemäß läuft. Der herumliegende Bauschutt werde bald abtransportiert. Die Sanierung und Modernisierung im bewohnten Zustand hält er zudem für „extrem sozial“. „Was ist denn die Alternative?“ fragt er.
Es gibt bundesweit genügend Beispiele von Wohnungsbaugesellschaften, die Ausweichquartiere für ihrer Mieter*innen suchen, wenn sie Bestände sanieren und modernisieren. Auch die Kreisbaugesellschaft Tübingen hat das offenbar in der Vergangenheit anders gehandhabt. „Üblicherweise wurden in den letzten Jahrzehnten die Sanierungen im entmieteten Zustand durchgeführt und so umfassend saniert“, teilt sie der taz mit. Bei diesem Fall habe man sich aber anders entschieden, „da es im Landkreis keine vergleichbaren Ersatzwohnungen gibt“.
Vielleicht dachte man sich: Mehrere Wochen Zumutung, und danach ist alles bestens. Aber für die Mieter*innen in Bodelshausen bleiben die Sorgen, auch wenn alles fertig ist. „Im Bad haben wir jetzt eine Stromheizung“, sagt Julijan Fejsa. Er sorgt sich, dass das teuer werden könnte. Überhaupt ist Geld ein Thema. Wenn alle Arbeiten abgeschlossen sind, werden die Mieten erhöht. Bei den Fejsas werden es laut einem Schreiben voraussichtlich 155 Euro pro Monat mehr Kaltmiete sein – eine Steigerung um 36 Prozent. 2 Euro pro Quadratmeter mehr – das ist in diesem Fall das gesetzlich erlaubte Maximum. Grundsätzlich dürfen pro Jahr 8 Prozent der Investitionskosten auf die Miete umgelegt werden, aber es gibt auch eine Begrenzung pro Quadratmeter, die abhängig von der Ursprungsmiete ist. Nehmen Eigentümer*innen staatliche Förderung in Anspruch, darf die entsprechende Summe nicht auf die Mieter*innen umgelegt werden.
Wie viel Energiekosten sich am Ende durch die Sanierung einsparen lassen, ist laut Kreisbaugesellschaft Tübingen nicht genau bezifferbar. Eine Ersparnis hänge auch vom Nutzerverhalten ab. „Durch die Wärmedämmung, die neue Heiztechnik mit Luftwärmepumpe in Verbindung mit dem Mieterstrom ist aber von einer signifikanten Einsparung auszugehen“, heißt es auf Nachfrage.
Erfahrungsgemäß gleicht die Ersparnis bei den Energiekosten aber nicht die Mieterhöhung nach einer Sanierung oder Modernisierung aus. Es ist ein Problem, das auch die Bundesregierung erkannt hat. Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot heißt es: „Über eine Änderung der Modernisierungsumlage werden wir dafür Sorge tragen, dass […] die Bezahlbarkeit der Miete künftig besser als jetzt gewährleistet bleiben kann.“ Im vergangenen Jahr forderten der Mieterbund und der Umweltverband BUND für eine sozialverträgliche Wärmewende gemeinsam das sogenannte Drittelmodell, das die Kosten zwischen Vermietenden, Mietenden und öffentlicher Hand besser aufteilen soll. Erreicht werden soll eine Warmmietenneutralität. Das heißt: Die Mieterhöhung soll nur so hoch ausfallen wie die erreichte Energieeinsparung. Dafür soll unter anderem die Modernisierungsumlage auf 3 Prozent abgesenkt werden.
Auch die 74-jährige Rentnerin Ramona Gutzeit schaut mit Sorge auf die noch ausstehenden Mieterhöhungen: „Wissen Sie, wie viel Rente eine Frau im Durchschnitt bekommt?“ Sie selbst habe ja Glück, dass sie Witwenrente beziehe. Aber hier seien viele auf günstige Mieten angewiesen. Nicht wenige sind wie die Fejsas zum Arbeiten aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen: Italien, Griechenland, Türkei. Der erwachsene Sohn der Fejsas, Vladimir, ist extra aus Heidelberg angereist. Er ist empört, was den Bewohner*innen hier zugemutet wird. „Ich glaube, diese Sanierung wird so nur gemacht, um Kosten zu sparen“, sagt er. Und er fragt sich die ganze Zeit: „Hätten Sie das einer anderen Bewohnerschaft auch so zugemutet?“
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