
Der Nachwendekindertalk : Vom Sommer der Flucht zur Clubkrise
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Marie erinnert sich an Merkels „Wir schaffen das“ zurück. Chipi fragt sich: Wie wichtig ist Clubkultur?
In der aktuellen Folge von Mauerecho – Der Nachwendekindertalk diskutieren Marie und Chipi die Ereignisse rund um den „Flüchtlingssommer 2015“, der zugleich ein Schwerpunkt der taz ist. Sie blicken aus der Perspektive junger Menschen auf das damalige gesellschaftliche Klima und reflektieren, wie sie mit politischen Konflikten im persönlichen Umfeld umgegangen sind. Zudem widmen sie sich der Clubkultur: Welche Bedeutung hat sie im Leben junger Menschen, welche für unsere Gesellschaft im Allgemeinen?
Das zehnjährige Jubiläum von Angela Merkels Ausspruch „Wir schaffen das“ am 31. August markiert einen Wendepunkt. Seitdem hat sich das gesellschaftliche Klima deutlich verändert. Die AfD, damals noch auf dem Rückzug, ist heute zweitstärkste Kraft im Bundestag. Marie und Chipi, damals Teenager und junge Erwachsene, berichten, wie die Entwicklungen rund um die Flüchtlingsbewegung ihre politische Sensibilisierung geprägt haben.
Chipi schildert eindrücklich, wie gerade People of Colour in Dresden die Ausbreitung rechter Gewalt gegen Geflüchtete spürten – Gewalttaten, die von der Polizei oft vertuscht wurden. „Mir ist klar geworden, ich bin hier nicht sicher, ich bin hier nicht geschützt“, sagt er. Er erklärt, dass rechtsextreme Netzwerke aus der Zeit der Nachwendejahre nie wirklich verschwunden seien.
Marie, die weniger direkt von Gewalt betroffen war, beschreibt dennoch, wie die gesellschaftliche Stimmung auch in ihrer westdeutschen Heimat zunehmend von Ressentiments gegen Migrant*innen geprägt war. Politische Konflikte spiegelten sich auch im familiären Umfeld wider: „Es ist kein Familientreffen vergangen, wo nicht gestritten wurde.“
Clubkultur als Gegengewicht
Im zweiten Teil des Podcasts analysieren die beiden die Bedeutung der Club- und Ausgehkultur – vor dem Hintergrund eines aktuellen Urteils des Berliner Verwaltungsgerichts. Dieses hob eine Beschränkung der Bar Schwarzsauer auf, die ihr Außenbereich nach 22:30 Uhr aufgrund der Beschwerde eines einzelnen Anwohners nicht mehr nutzen durfte. Das Gericht bestätigte, dass in einem urbanen Ausgehviertel einzelne Beschwerden nicht ausreichen, um eine allgemeine Sperrstunde durchzusetzen. Behörden müssen konkret nachweisen, dass eine Mehrheit der Anwohner erheblich gestört ist.
Chipi sieht in der Clubkultur ein wichtiges Gegengewicht zur allgegenwärtigen Hustle-Culture. Junge Menschen brauchen Freiräume zum Ausprobieren und Loslassen, die jedoch durch Gentrifizierung, Kommerzialisierung und der TikTokisierung des Nachtlebens gefährdet sind. Marie sieht die zunehmenden Konflikte um Lärm in Szenevierteln im Kontext von Gentrifizierungsprozessen.
Beide betonen die kulturelle Bedeutung von Clubszene und Ausgehkultur für Städte wie Berlin und Leipzig. Hier sind viele Clubs und Initiativen aus der Nachwendezeit inzwischen quasi Denkmäler einer eigenen Kulturform. Das zunehmende Clubsterben bedrohe diese Besonderheit und die kulturelle Vielfalt, die das Leben in diesen Städten prägt. Das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts sei zwar ein wichtiger Schritt für die Anerkennung der Clubkultur, ob das jedoch ausreiche, um das Clubsterben aufzuhalten, bezweifeln beide.
„Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der taz Panter Stiftung. Er erscheint jede Woche Sonntag auf taz.de/mauerecho sowie überall, wo es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm.
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