piwik no script img

Taliban und Bildung in AfghanistanFür Mädchen verboten

Afghanistans Taliban verschließen Mädchen nun auch den Zugang zu religiösen Schulen. Damit bleibt ihnen nur noch der Besuch von Grundschulen offen.

Kabul, 23. Januar 2025: Schülerinnen nehmen an einer Abschlussfeier für Mädchen an einer Religionsschule teil Foto: Samiullah Popal/epa

Berlin taz | Die Führung der Taliban in Afghanistan hat angeordnet, Mädchen künftig auch nicht mehr an religiösen Schulen (Madrassas) zuzulassen. Hebatullah Achundsada, Staatschef und religiöser Führer des Taliban-Emirats, habe dies in der Vorwoche in einer Kabinettssitzung in Kandahar angeordnet, berichtete der saudische Sender al-Arabiya am Donnerstag. Im ersten Schritt sollen jene Mädchen, die gegenwärtig solche Schulen besuchen, keine Abschlusszeugnisse mehr erhalten. Ob das Verbot für alle oder nur für die Älteren gilt, blieb bisher unklar.

Die Anordnung sei erfolgt, weil viele Madrassas nicht nur religiöse Fächer unterrichten, sondern auch Mathematik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen und somit nur noch „dem Namen nach“ religiöse Einrichtungen seien. Dass Frauen Madrassas besuchten, habe „keine religiöse Legitimität“, zitierte ein afghanisches Exilmedium den Talibanchef.

Dem Bericht zufolge hätten ihm einige Minister in einer „hitzigen“ Diskussion widersprochen. Der Koran und andere religiöse Quellen betonten „eindeutig“ die Notwendigkeit von Bildung für Männer und Frauen. Dieser Beschluss werde für „Unmut im Inland und heftige internationale Reaktionen“ sorgen.

Schulbildung für Mädchen sukzessive verboten

Seit ihrer erneuten Machtübernahme im August 2021 haben die Taliban ihre Bildungspolitik für Mädchen und Frauen zunehmend verschärft. Im März 2022 untersagten sie Mädchen den Besuch von Sekundarschulen. Im Dezember 2022 schlossen sie Frauen vom Besuch staatlicher Universitäten aus. Im folgenden Jahr weiteten sie das auf private Bildungseinrichtungen, einschließlich Sprach- und Berufsbildungskursen, und im Dezember 2024 auf die Hebammen- und ähnliche medizinische Ausbildung aus.

Afghanistan

Nach zwei Jahrzehnten Militäreinsatz der US-geführten Nato-Truppen gewann die islamistische Terrorgruppe der Taliban im August 2021 die Kontrolle im Land zurück. Die afghanische Bevölkerung leistet trotz Repressionen Widerstand.

➝ Mehr zum Thema Afghanistan

Nach diesen Verboten vervierfachte sich unter der Taliban-Herrschaft nach deren Angaben landesweit die Zahl der Madrassas, die Zahl ihrer Schü­le­r*in­nen stieg auf 3,6 Millionen. Allerdings existierten besonders in vielen ländlichen Teilen Afghanistans schon vorher keine staatlichen Schulen. Während des Krieges griffen die Taliban lange staatliche Schulen an, stellten das in den letzten Jahren vor ihrer Machtübernahme aber ein.

Madrassas sind meist private Gründungen. Die Taliban-Behörden kontrollieren jedoch regelmäßig die Lehrpläne. Für Mädchen in Afghanistan, die die Grundschule abgeschlossen haben, waren sie die letzte Möglichkeit, in ihrem Land Bildung zu erlangen – abgesehen von permanent gefährdeten Untergrundschulen und Online-Kursen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • "Der Koran und andere religiöse Quellen betonten „eindeutig“ die Notwendigkeit von Bildung für Männer und Frauen."

    Dieses Argument ist leicht zu widerlegen, da im Koran und anderen religiösen Quellen nicht die Art der Bildung festgelegt ist. Bildung für Frauen kann sich ja auch auf Haushaltsführung und Kindererziehung beschränken.

    Ganz entsetzlich finde ich, dass Frauen/Mädchen(/weibliche Kinder?) keine ärztliche Hilfe mehr erhalten können, da sie von Männern nicht behandelt werden dürfen und Frauen der medizinische Bildungsweg, wie jeder andere auch, verschlossen bleibt. Ich frage mich, wie es ist, wenn Frauen extrem komplizierte Schwangerschaften oder schmerzhafte Krebserkrankungen durchstehen müssen.

    Und nach wie vor weiß ich nicht zweifelsfrei, wollten die afghanischen Männer das so oder waren sie den (angeblich nur ein paar?) Taliban tatsächlich militärisch unterlegen? Die Frauen, nehme ich an, haben bzw. hätten wohl nicht kämpfen dürfen.

  • Was kann für einen Taliban entsetzlicher sein als eine gebildete, kluge, selbstbewusste, freie Frau?