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Studie der Deutschen UmwelthilfeEntzauberter Wunderkraftstoff

Mit Treibstoff aus altem Speiseöl wollten Kommunen und die Bahn Dieselmotoren klimaneutral betreiben. Eine Studie weckt Zweifel an der Ökobilanz.

Gebrauchtes Speiseöl wird zur Herstellung von Biokraftstoff in einem Container gesammelt, hier in San Francisco, Kalifornien Foto: Justin Sullivan/getty images

Freiburg taz | Eine Studie im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) kommt zu dem Ergebnis, dass der Treibstoff HVO100 aus Altspeiseöl in der Gesamtbetrachtung „noch klimaschädlicher als fossiler Diesel“ ist. Die Abkürzung HVO steht für Hydrotreated vegetable oil, das sind paraffinische Öle, die aus Pflanzenölen unter Zugabe von Wasserstoff produziert werden.

In Deutschland ist der neue Treibstoff seit Mai 2024 in Reinform zugelassen; sie wird als HVO100 bezeichnet. In Beimischung ist HVO schon länger erlaubt. Laut dem Automobilclub Mobil in Deutschland haben fast alle Fahrzeughersteller ihre Dieselmotoren zur Nutzung von HVO100 längst freigegeben. Die Deutsche Bahn (DB) setzt nach eigenen Angaben HVO bereits seit 2022 in Dieselfahrzeugen ein.

Angesichts der Studienergebnisse fordert die DUH die Bundesregierung nun auf, den Einsatz und die Förderung von HVO100 aus altem Speiseöl im Straßenverkehr zu stoppen. In Kommunen werde mitunter schon die Elektrifizierung von Busflotten aufgrund des vermeintlichen „Wunderkraftstoffs“ auf Eis gelegt, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Auch die DB habe schon die geplante Elektrifizierung von Strecken gestoppt.

Laut der Studie hängt die schlechte Ökobilanz des Treibstoffs vor allem daran, dass das verwendete alte Speiseöl in den Herkunftsländern bereits als Energieträger genutzt wird – etwa in Indonesien und Malaysia. Altspeiseöl ersetze dort zum Beispiel fossiles Heizöl oder werde als Schmierstoff oder für Reinigungsmittel eingesetzt.

Geht der Rohstoff aber stattdessen in die HVO-Produktion, fehle er den bisherigen Abnehmern, die stattdessen auf frisches Palmöl umsteigen. Das sei klimaschädlich, weil Palmöl aus Plantagen stammt, für die zuvor häufig Regenwald abgeholzt wurde. Zudem gebe es immer wieder Hinweise auf Betrug: Frisches Palmöl werde als Altspeiseöl deklariert, um als angeblicher „Abfallstoff“ für den EU-Markt zugelassen zu werden.

Viel hängt von den getroffenen Annahmen ab

Widerspruch kommt vom Mittelstandsverband abfallbasierter Kraftstoffe, obwohl dessen Mitglieder gar kein HVO erzeugen. Das gebrauchte Speiseöl werde mitnichten anderen Verwendungen entzogen, so der Verband. Vielmehr sei es das Ziel, gebrauchte Speiseöle „sicher dem Lebens- und Futtermittelkreislauf zu entziehen.“

In den letzten Jahren sei daher die Sammlung alter Speiseöle in Ländern wie China, Indien, Bangladesch oder Kenia aufgebaut worden, um zu verhindern, dass es gesundheitsschädigend wiederverwendet oder in die Kanalisation entsorgt wird.

Somit hängt auch bei dieser Studie – wie bei Ökobilanzen so oft – viel von den getroffenen Annahmen ab. Erschwert wird die Bilanzierung zudem, weil es in Deutschland keine nennenswerte HVO-Produktion gibt, man also internationale Handelsströme auswerten muss. Das hierzulande eingesetzte HVO stammt etwa aus Singapur, Finnland, den Niederlanden, Frankreich oder Italien.

Angesichts der Komplexität des Themas hatte eine erste Fassung der DUH-Analyse offenbar Kritiker auf den Plan gerufen. Denn kaum hatte vor zwei Wochen die Süddeutsche Zeitung vorab darüber berichtet, sagte die DUH die öffentliche Vorstellung des Papiers noch am selben Tag ab.

Man wolle „die neueste Entwicklung in der Zusammensetzung biogener Kraftstoffe in Deutschland noch in die Studie einarbeiten“, hieß es dazu lediglich bei der DUH. Auch das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu), das die Studie im Auftrag der DUH erstellt hat, machte keine konkreteren Angaben zu den Hintergründen der Neufassung.

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