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SPD Sachsen-Anhalt wählt KandidatenMit dem Professor über 7 Prozent

Der SPD Sachsen-Anhalt steht ein harter Landtagswahlkampf bevor. Ihr Spitzenkandidat Armin Willingmann soll ein Gegenentwurf zur Spaltung sein.

Armin Willingmann (r) auf dem Landesparteitag der SPD Sachsen-Anhalt mit SPD-Chef Lars Klingbeil Foto: Matthias Bein/dpa

Quedlinburg taz | Bevor die Wahlkommission die Stimmzettel verteilt, stellt Bernhard Sterz noch eine wichtige Frage – und kann sich dabei einen kurzen Lacher nicht verkneifen. Der Sozialdemokrat leitet an diesem Samstagvormittag in Quedlinburg den Parteitag der SPD Sachsen-Anhalt. In genau einem Jahr ist Landtagswahl. Sterz fragt: „Wir wählen einen Spitzenkandidaten: Gibt es weitere Kandidaturen?“

Auch im Saal: kurzes Gekicher. Dabei steckt der Landesverband in einer heftigen Krise. Laut einer aktuellen Umfrage liegt die SPD Sachsen-Anhalt bei 7 Prozent. Dabei war das Ergebnis der letzten Landtagswahl 2021 schon desaströs: 8,4 Prozent. Der Wahlkampf wird hart.

Mehr als hundert Ge­nos­s:in­nen sind zum Landesparteitag gekommen. Auf der Tagesordnung steht eigentlich nur ein einziger Punkt: die Wahl des Spitzenkandidaten. Auf den Wahlzetteln steht nur ein einziger Name: Armin Willingmann – Ja, Nein, Enthaltung.

Die Zettel sind bereits gedruckt, als Sitzungsleiter Sterz seine Frage stellt: weitere Kandidaturen? „Das ist nicht der Fall“, stellt Sterz fest. Was ihren Kandidaten angeht, ist sich die SPD in Sachsen-Anhalt einig.

Verhaltener Applaus für Vize-Kanzler Klingbeil

Der 62-jährige Professor für Wirtschaftsrecht Armin Willigmann regiert zurzeit als Minister für Wissenschaft und Umwelt in Sachsen-Anhalt im Kabinett von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Um Willingmanns Kandidatur zu unterstützen, kommt am Samstag Lars Klingbeil, Bundesvorsitzender der SPD und Vize-Bundeskanzler, ins kleine Quedlinburg. Als er um Punkt 11 Uhr die Bühne betritt, gibt es nur kurzen Applaus.

Eine halbe Stunde später stellt sich dann Willingmann ans Pult und scherzt, er fühle sich wie im Hörsaal. Seine „Vorlesung“, wie er sie nennt, geht etwa 40 Minuten und zeigt, wie sich Willingmann von den Spitzenkandidaten der CDU und der AfD unterscheidet.

Schon im Mai hat die extrem rechte AfD Ulrich Siegmund aufgestellt. Besonders erfolgreich ist der 34-jährige Landtagsabgeordnete auf Tiktok, erreicht mit Selfie-Videos auch mal mehrere hunderttausend Klicks. Er hofft auf eine Alleinregierung der AfD in Sachsen-Anhalt. Dann möchte er eine „Abschiebeoffensive“ beginnen.

CDU-Kandidat Sven Schulze ist wie Willingmann schon in der Landesregierung – Schulze ist seit 2021 Wirtschaftsminister. Als im August seine Spitzenkandidatur bekannt gegeben wurde, sagte Schulze, er wolle Haseloffs Linie eins zu eins weiter führen.

Ruhig, pragmatisch, kompromissbereit

Beim SPD-Parteitag erzählt Willingmann am Pult, er wolle Verantwortung für Sachsen-Anhalt übernehmen. Er kritisiert CDU-Entscheidungen, FDP-Positionen, Linken-Vorstöße und fordert vom Genossen Lars Klingbeil, die Stromsteuer zu senken. Das sei schließlich ein Wahlversprechen gewesen. „Dass die Senkung unterblieben ist, ist ein Ärgernis“, sagt Willingmann.

Seine Rede schmückt er hier und da mit Worten, die ansonsten bei Goethe zu finden sind. Der Professor eben. Ruhig, pragmatisch, auf den Kompromiss vorbereitet. Ist das in Zeiten von Social Media und Stammtischparolen eine Stärke?

Wer bei den SPD-Genoss:innen auf dem Parteitag herumfragt, hört Zustimmung für diesen Kurs. Vom Spalten hätten die Menschen genug, Willingmann biete einen Gegenentwurf dazu, heißt es. Seine väterliche Art erinnere an den beliebten Haseloff.

Vom möglichen Ministerpräsidenten Willingmann spricht niemand. Bei 7 Prozent in den Umfragen wäre das anmaßend, sagt ein SPD-Mitglied im Gespräch mit der taz. Willingmann selbst sagt der taz nach seiner Rede: „Wir werden im Wahlkampf sehr deutlich machen, wo wir Schwerpunkte setzen und das in etwaigen Verhandlungen für eine Regierungsbildung einbringen.“

Von den 98 anwesenden Delegierten wählen am Ende des Parteitags 97 Armin Willingmann. Dazu gibt es eine Enthaltung. Also einig ist die SPD in Sachsen-Anhalt immerhin. Jetzt müssten nur auch die Umfragen wieder für mehr Heiterkeit sorgen.

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