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Umweltminister zum EU-KlimazielSchneider haut auf den Tisch

Umweltminister Carsten Schneider ist bislang versöhnlich aufgetreten. Jetzt geht er zum EU-Klimaziel auf Konfrontationskurs.

Carsten Schneider möchte das europäische Klimaziel für 2040 bald verabschieden Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin taz | Bundesumweltminister Carsten Schneider erhöht den Druck, das europäische Klimaziel für 2040 so schnell wie möglich zu verabschieden. „Ich erwarte, dass wir jetzt in der Bundesregierung an einem Strang ziehen und uns gemeinsam dafür einsetzen, dass im nächsten Umweltministerrat eine Beschlussfassung erfolgt“, sagte der SPD-Politiker dem Spiegel. „Um es klar zu sagen: Wer das neue europäische Klimaziel für 2040 blockiert und die notwendigen Beschlüsse verzögert, handelt gegen deutsche Interessen und riskiert einen teuren deutschen Sonderweg.“

Die EU-Kommission hatte im Juni einen Vorschlag für ein neues Etappenziel gemacht, demzufolge die EU bis 2040 90 Prozent weniger CO2 ausstoßen soll als 1990. Darin enthalten sind aber 3 Prozent „Einsparungen“ aus Klimaschutzprojekten außerhalb Europas. Bei solchen Projekten wurde in der Vergangenheit häufig betrogen.

Der Vorschlag der EU-Kommission muss nun vom EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten verabschiedet werden. Im Parlament bahnt sich bereits eine Blockade an, weil die Verhandlungsführerschaft bei der rechtsextremen Fraktion „Patrioten für Europa“ liegt.

Frankreich verzögert Verhandlungen

Nun drohen auch die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedsländern zu stocken. Denn Frankreich besteht Medienberichten zufolge darauf, dass die Re­gie­rungs­che­f*in­nen über den Vorschlag der Kommission abstimmen und nicht die Umweltminister*innen.

In dieser Runde werden Entscheidungen üblicherweise einstimmig getroffen. Länder wie Ungarn, die Slowakei oder Polen, die Klimaschutzmaßnahmen verzögern wollen, könnten so das Ziel weiter verwässern oder abschwächen.

Deshalb äußert sich Schneider, der bislang selten konfrontativ aufgetreten ist, derart direkt: Im Umweltministerrat, dem er angehört, reicht eine Mehrheit, um das Klimaziel zu verabschieden. Vorgesehen war dafür ursprünglich die Sitzung am 18. September.

Der Vorschlag der Kommission entspricht den Bedingungen, die Union und SPD im Koalitionsvertrag ausgehandelt hatten. Das ist kein Zufall: EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra hat dem Magazin Politico zufolge zum Beispiel die Ver­hand­le­r*in­nen der CDU davon überzeugt, die 3 Prozent Anrechnung außereuropäischer Klimaschutzprojekte aufzunehmen.

Die Position der CDU ist unklar

„Wir unterstützen ein EU-Minderungsziel für 2040 unter der Voraussetzung, dass keine zusätzlichen Minderungspflichten für Deutschland entstehen als durch unsere nationalen Ziele ohnehin vorgesehen“, sagte CDU-Klimapolitiker Andreas Jung der Deutschen Presse-Agentur.

Heißt: Der EU-Vorschlag ist okay so, denn das deutsche Minderungsziel für 2040 liegt bei 88 Prozent weniger CO2 als 1990. Addiert man die 3 Prozent Anrechnung außereuropäischer Projekte, kommt das hin. Die Bundesregierung könnte sich also dafür einsetzen, den Vorschlag der EU-Kommission so schnell wie möglich zu verabschieden, wie es Schneider fordert.

Sowohl Bundeskanzler Friedrich Merz als auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche hatten sich allerdings im Sommer für laxere Klimaschutzregeln ausgesprochen. Reiche bezweifelte, die deutschen Klimaziele seien „durchgerechnet“, Merz betonte den ihm zufolge geringen Anteil von etwa 2 Prozent, den Deutschland am weltweiten CO2-Ausstoß hat – der Deutschland aber trotzdem zum neuntgrößten CO2-Emittenten der Welt macht.

EU ist verpflichtet, im September Klimaziel vorzulegen

Schneider dagegen betont, wie wichtig ein europäisches, vorhersehbares Vorgehen beim Klimaschutz für die deutsche Industrie ist: „Die deutsche Wirtschaft hat zu Recht größtes Interesse daran, dass wir beim Klimaschutz nicht alleine, sondern gemeinsam in Europa vorangehen“, sagte er. Der Vorschlag der EU-Kommission passe „perfekt zu den bestehenden deutschen Zielen“ und ermögliche „einen gemeinsamen, europäischen Weg“.

Für die Industrie ist allerdings weniger das europäische Klimaziel entscheidend als der Emissionshandel, in dessen Rahmen Unternehmen für jede ausgestoßene Tonne CO2 ein Emissionszertifikat kaufen müssen. Diese Zertifikate werden mit der Zeit immer knapper. Die letzten neuen Zertifikate für die Industrie könnten sogar vor 2040 ausgegeben werden.

Die Vereinten Nationen drängen darauf, dass die EU ihr Klimaziel so schnell wie möglich verabschiedet, weil es als Grundlage für die Verhandlungen auf der Weltklimakonferenz im November dienen soll. Die EU ist wie alle Unterzeichner des Pariser Klimaschutz-Abkommens dazu verpflichtet, noch im September ein Ziel für 2035 einzureichen. Das soll sich der EU-Kommission zufolge aus dem 2040er-Ziel ableiten. Auch der weltgrößte CO2-Emittent China hat noch kein Klimaziel für 2035 verkündet.

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