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„Global Sumud Flotilla“ für GazaBoote gegen Blockade

Die Boote der „Global Sumud Flotilla“ wollen nach einem Stopp in Tunesien weiter Richtung Gazastreifen. An Bord sind auch parlamentarische Abgeordnete.

Mit palästinensischen Fahnen Richtung Gazastreifen: Ein Boot der Flotilla im Hafen von Barcelona am 30 August Foto: Eva Manez/reuters

Bologna taz | Der erste Konvoi mit Dutzenden Booten der „Gobal Sumud Flotilla“ ist am Sonntag vor der tunesischen Kapitale Tunis angekommen. Wie der katarische Sender Al Jazeera berichtet, sollen sie dort nun zwei Tage ankern, Vorräte auffüllen und schließlich am 10. September in Richtung Gazastreifen aufbrechen. Theoretisch wollen sie dort Hilfsgüter an die Bevölkerung verteilen und mit ihrer Aktion Aufmerksamkeit für die Lage im Gazastreifen schaffen.

Die Boote waren schon eine Weile unterwegs: Ein Teil hatte vor etwa einer Woche aus dem spanischen Barcelona abgelegt. Auch Schiffe aus Italien sind Teil der Flotilla. Vier von ihnen hatten am letzten Augustwochenende aus der italienischen Hafenstadt Genua abgelegt.

Begleitet wurden sie damals von einem Protestzug von fast 40.000 Menschen. Bei der Demonstration fand Riccardo Rudino, Hafenarbeiter und Sprecher der Gewerkschaft USB, klare Worte. „Ich will, dass das allen klar ist: Mitte September werden diese Boote die Küste von Gaza erreichen. Wenn wir auch nur zwanzig Minuten lang den Kontakt zu unseren Booten, zu unseren Kameradinnen und Kameraden verlieren, blockieren wir ganz Europa“, rief er ins Mikrofon. „Aus dieser Region werden jährlich 13 bis 14 Tausend Container nach Israel verschickt, es wird kein einziger Nagel mehr rausgehen.“ Der Clip ging in kürzester Zeit auf Social Media viral, das Originalvideo auf Tiktok hat über 60.000 Likes gesammelt und wurde Tausende Male geteilt.

Wenige Tage später ereignete sich eine ähnliche Szene in Catania in Sizilien. An der Insel machten einige der Flotilla-Boote einen Zwischenstopp. Auf der Bühne stand diesmal José Nivoi von der unabhängigen Hafenarbeiterorganisation CALP, die immer wieder Waffenlieferungen blockiert. Er sagte: „Wir arbeiten mit Griechen, Franzosen, Schweden, Slowenen und den Hafenarbeitern von Tanger (in Marokko, Anm. d. Red.) zusammen, um sicherzustellen, dass wir Europa komplett blockieren, wenn sie auch nur einen Finger gegen die Global Sumud Flotilla rühren.“

Wieder dabei ist auch Greta Thunberg

Diese Befürchtung liegt nahe: Ähnliche, wenn auch kleinere Missionen hatte Israel stets aufgehalten. Im Juni wurden Greta Thunberg und ihre Mit­strei­te­r:in­nen der „Gaza Freedom Flotilla“ bei dem Versuch verhaftet, Gaza auf dem Seeweg zu erreichen. 2010 wurden zehn Ak­ti­vis­t:in­nen auf der „Mavi Marmara“ vom israelischen Militär getötet, als es das Schiff, das Hilfsgüter nach Gaza bringen sollte, enterte.

Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die besetzten palästinensischen Gebiete, erklärte, dass jeder Versuch, die Flotte aufzuhalten, einer Verletzung des Seerechtsübereinkommens gleichkommen könne. Schiffe, die in internationalen Gewässern unterwegs sind, unterliegen allein dem Recht des Landes, dessen Flagge sie führen.

Schutz erhofft sich die Global Sumud Flotilla auch durch Sichtbarkeit: Es sind viele bekannte Gesichter dabei, etwa die früher vor allem als Klimaaktivistin bekannte Greta Thunberg und Schauspieler Liam Cunningham, oder die umstrittene Berliner Aktivistin Yasemin Acar. Auch vier italienische Abgeordnete sind an Bord gegangen, etwa die Grünen-Europapolitikerin Benedetta Scuderi. Sie macht aus ihrer Enttäuschung über die politische Reaktion Europas auf die humanitäre Katastrophe in Gaza keinen Hehl: „Ich will keine Worte mehr auf den Parlamentsbänken und in den Institutionen vergeuden, denn selbst als Vertreter der Institutionen fühlen wir uns machtlos.“

Eine der Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen ist die Deutsche Melanie Schweizer, die wegen israelkritischer Äußerungen ihren Job im Arbeitsministerium in Berlin verloren und damit eine Debatte über Meinungsfreiheit ausgelöst hat.

Vorwürfe gegen die „Global Sumud Flotilla“

Die italienische Regierung in Rom zeigt sich zögerlich gegenüber der Hilfsaktion. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat nur widerwillig und auf Nachfrage den italienischen Seg­le­r:in­nen Schutz zugesagt – und darauf verwiesen, dass es effizientere Methoden der Hilfsgüterlieferung gebe.

Außenminister Antonio Tajani der populistischen Forza Italia verteidigte die Ak­ti­vis­t:in­nen immerhin gegen Drohungen des rechtsextremen israelischen Sicherheitsministers Itamar Ben-Gvir. Der hatte erklärt, die Besatzungen der Boote wie Ter­ro­ris­t:in­nen behandeln und verhaften zu wollen. „Ich glaube nicht, dass es sich um Terroristen handelt. Man kann zwar anderer Meinung sein und die Initiative für unangebracht halten, aber man muss eine angemessene Sprache verwenden“, so Tajani.

Ich will keine Worte mehr auf den Parlamentsbänken vergeuden

Benedetta Scuderi, Grünen-Europapolitikerin

Der Flotilla wird aber vorgeworfen, Hamas-zugewandten Organisationen und Personen Raum zu geben. So ist in Barcelona auch die Aktivistin Jaldia Abubakra von Samidoun an Bord gegangen – der Organisation, die in Berlin am 7. Oktober 2023 Süßigkeiten verteilt hatte, um das Massaker der Hamas in Südisrael mit 1.200 Toten zu feiern.

Die katholische italienische Zeitschrift Tempi bezichtigte die Aktion zudem eines Selbstzwecks: Es gehe den Ak­ti­vis­t:in­nen darum, sich selbst in gutes Licht zu rücken. Doch solche Stimmen bleiben zumindest in Italien die Ausnahme – angesichts der Zehntausenden Teilnehmenden an den Demonstrationen in Genua und Catania, und der weitreichenden Unterstützung aus Kunst und Kultur.

Was bringt's?

Auch aus der katholischen Kirche, muslimischen und manchen progressiven jüdischen Verbänden kommt Unterstützung. Der Erzbischof im sizilianischen Palermo sagte am vergangenen Mittwoch, die Global Sumud Flotilla sei ein „Zeichen der Freundschaft gegenüber allen jüdischen Brüdern und Schwestern“.

Klar ist: Die vergleichsweise wenigen Tonnen Lebensmittel auf den Schiffen der Global Sumud Flotilla werden die Hungersnot in Teilen Gaza, die die Vereinten Nationen im August offiziell bestätigten, nicht beenden. Das wissen auch die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen der Aktion. Sie segeln trotzdem. Denn sie wollen ein Zeichen des Mitgefühls für die Menschen im Gazastreifen setzen. Und eine deutliche Botschaft an die israelische Regierung senden, die anhaltende fast vollständige Blockade zu beenden und einen humanitären Korridor zu öffnen.

Hinweis: Wir haben drei Stellen im Text präzisiert.

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