Parlamentswahl in Norwegen: Ausgang mit vielen Siegern
Die rechtspopulistische Fortschrittspartei hat es auf sagenhafte 47 Sitze geschafft. Ein Rechtsruck nach deutschem Verständnis ist das trotzdem nicht.
I st es ein Rechtsruck? Die Fortschrittspartei (FrP)mit ihren rechtsliberalen bis rechtspopulistischen Positionen feiert in Norwegen das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte. Es ist tatsächlich ein sagenhaft hoher Stimmenzuwachs um fast das Doppelte, auf nun knapp 24 Prozent. Für den angestrebten Machtwechsel reicht aber selbst der Megaerfolg nicht.
Die Partei von Sylvi Listhaug hat ihrem potenziell wichtigsten Koalitionspartner zu viele Wähler abgenommen – und die linke Seite ist zu stark geblieben. Diese Wahl zeigt, dass es mehrere Sieger geben kann, und dass Erfolge unterschiedlich aussehen können. Die norwegischen Grünen etwa haben nur 0,7 Prozent zugelegt – aber sie haben es endlich über die Grenze geschafft, die ihnen zusätzliche Ausgleichsmandate garantiert.
Das war ihr erklärtes Ziel, explizit, um dem linken Flügel zur Mehrheit zu verhelfen und so eine FrP-geführte Regierung zu verhindern. Taktisches Wählen war ihr Appell, und nun feiern sie, dass der gehört wurde. Faktischer Wahlsieger, gemessen an den aktuellen Konsequenzen, ist wiederum die sozialdemokratische Arbeiterpartei von Ministerpräsident Jonas Gahr Støre: politische Krise überstanden, fünf Mandate hinzugewonnen auf jetzt 53 – er kann weiterregieren.
Was sind fünf neue Sitze gegen die sagenhaften 26, die die FrP hinzugewonnen hat? Für die linke Seite alles, denn jeder gewonnene Sitz gleicht den heftigen Verlust der Zentrumspartei aus. Sie ist dort diejenige, die signifikant Wähler an die FrP verloren haben dürfte. Norwegens bürgerliche Seite ist übersichtlicher als die linke. Die FrP hat sie vergrößert und weiter nach rechts, teils ins Liberalistische gerückt. Aber das ist kein Rechtsruck nach deutschem Verständnis.

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Im Vergleich zur AfD ist die FrP gemäßigt. Und die Mehrheit hat eine der fünf Parteien im linken Spektrum gewählt. Ministerpräsident Støre wird mehr als bislang verhandeln müssen, für Mehrheiten ist er von gleich vier Parteien abhängig. Aber seit Minderheitsregierungen in Norwegen durchaus üblich sind, gehört das Aushandeln im Parlament zu den gängigen Übungen.
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