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Präsidentin der UN-VollversammlungBaerbocks bizarre Ämterrochade

Kommentar von Nora Bossong

Die Grünen nehmen sich raus, was sie der Union ankreiden würden. Mit dem Abnicken vom Jobwunsch der Ex-Außenministerin machen sie sich unglaubwürdig.

Annalena Baerbock im UN-Hauptquartier in New York im Juni 2025 Foto: Xie E/imago

H elga Schmid, eine der angesehensten Diplomatinnen Deutschlands, war seit Monaten gesetzt als Präsidentschaftskandidatin für die UN-Generalversammlung. Dann wurde sie kurzfristig abgesägt. Nicht, weil sie sich etwas hatte zuschulden kommen lassen oder jemand besser qualifiziert war. Allein die Ampel ging früher aus als erwartet und die scheidende Außenministerin entdeckte ihr eigenes Interesse an dem Posten.

Entgegen allen Abmachungen setzte sie ihren Jobwunsch in den letzten Regierungswochen durch. In der real existierenden Machtpolitik kommt man nicht weit, wenn man immer demütig anderen den Vortritt lässt, und Frauen müssen da nicht tugendhafter sein als Männer. Umgekehrt aber wird ein Fehler nicht dadurch legitim, dass er von einer Frau begangen wird.

So allerdings verteidigen einige Baerbock-Fans ihre bizarre Ämterrochade, mit der sie sich kurz vor Jobverlust noch prestigeträchtig absicherte. Dass die Grünen dieses Spiel mittrugen, gar nach dem Regierungswechsel ihre Machtposition im Verhandlungspoker um Grundgesetzänderung und Schuldenpaket wohl für diesen Deal einsetzten, ist das noch weitreichendere Ärgernis.

So eine Volte, völlig abgehoben in parteipolitischer Selbstgerechtigkeit, beschädigt die Glaubwürdigkeit repräsentativ-demokratischen Handelns allgemein. Es zeigt die „etablierten Parteien“ so, wie AfD und andere Rechtsaußenspieler sich das wünschen: Nicht allein Verdienst und Können zählen, sondern privilegien­verblendetes Gemauschel. Nicht für das Gemeinwohl wird gehandelt, sondern für den eigenen Vorteil.

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Ob sich UN-Baerbock schon in die Liga von Masken-Spahn und Maut-Scheuer katapultiert hat, darüber kann man streiten. Gewiss aber ist, dass die Grünen bei solch einer Selbstbedienungsmentalität in Unionsreihen moralisch toben würden. Baerbock ist das vermutlich egal. Sie ist jetzt in New York und spielt Erfolg. Schade, ein weibliches Vorbild weniger. Gutes Gelingen muss man ihr trotzdem wünschen. Die UN brauchen es.

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13 Kommentare

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  • Willst du oben mitspielen, musst du spielen wie sie da oben spielen. Zuerst ich selbst, dann ganz lange nichts.

  • Was wirklich wichtig ist in dieser Personalie: Annalena Baerbock tritt an die Stelle einer Trägerin der Manfred-Wörner-Medaille, was ihre Erfahrung in der Sicherheitspolitik (Verhandlung des Atom-Abkommens mit Iran) unterstreicht. Baerbock würde einen totalen Bock schießen, wenn sie in der Vollversammlung ihre feministischen Ziele verfolgte anstelle die derzeit brennenden weltsicherheitpolitischen Themen erfolgreich zu moderieren!

  • Frau Baerbock hat schon als Außenministerin sich und unserem Land in aller Welt Respekt und große Sympathien erworben, auch in der UN-Vollversammlung. Endlich eine Frau mit Stil und Mut, bei aller Diplomatie auch mal laut die Wahrheit zu sagen, ganz besonders da, wo sie nicht gern gehört wurde. Ihr Wechsel auf den Posten in New York ist logisch und zu begrüßen. Sie ist gewählt worden, weil sie gerade in unserer heutigen Zeit die Richtige ist. Logisch, dass das Neid hervorruft.

  • Wenn man sich erstmal an das gute Leben inkl. Visagistin, Friseur und Photographen gewöhnt hat, fällt es halt schwer, in das Eigenheim zurückzukehren. Die Videos aus NY mit coffee-to-go in stylischem, steuerfinanzierten Outfit, in denen nach Influencer-Art mehr content angedroht wird, sprechen da Bände. Daß Baerbock sich so verhält, finde ich eigentlich aus ihrer Sicht nachvollziehbar. Man muß die Welle halt reiten, solange sie läuft. Abstoßend ist für mich das Verhalten der Partei, die dieses Ego-Tripping unterstützt. Allerdings glaube ich auch, daß Baerbock in NY weniger Schaden anrichteten kann, als sie es in Deutschland getan hat.

  • Eine Grünenpolitikerin in New York. Mehr braucht man dazu nicht zu wissen:



    www.rnd.de/politik...BP4E2RH6IP2OU.html

  • Ich fand Frau Baerbock als AM nicht gut. Ihre verlässliche Politik für die sie stehen wollte, wird beschädigt, wenn sie einer anderen Person den na Posten nimmt. Aber: das ganze wurde doch im März schon diskutiert. Kann man da nicht einen Deckel drauf machen?

  • Eine begnadete Karrieristin.

    Und ein klarer Grund die Grünen nicht mehr zu wählen.

    Solche Grüne? Nein Danke.

  • Das war nun wirklich keine gute Aktion. Frau Bearbock hätte darauf verzichten sollen es hätte sich schon was anderes gefunden. Zu mal das ja eh nur für ein Jahr ist.



    Das war nix und wird zurecht kritisiert.

  • Es ist halt immer was anderes, wenn jemand anders dasselbe tut wie man selbst.

  • Was andere Politiker aus verschiedenen Gründen nie schaffen könnten, das neue Amt in New York hat uns bis dato drei Instagram- (Insta, sagt man wohl in Kreisen) Videos beschert, für die glatt ein Wort wie Fremdschämen erfunden werden sollte.



    Ich folge ihr jetzt, will ich doch ohne Verzug den nächsten Auftritt sehen. Vielleicht reist sie dafür sogar bis nach Seattle.

  • Der übermäßige Narzismus und das nationalistische Machtdenken Bearbocks passen nicht zu einem Amt, in dem es darum geht, sich selbst zurück zu nehmen und eine Politik der internationalen Gleichberechtigung zu fördern.

    Darüber hinaus hat Bearbock innen- und außenpolitisch nichts anderes getan, als die rechte CDU-Agenda entweder direkt zu unterstützen oder dazu zu schweigen.

    Bearbock ist konzentrierter Ausdruck der Tatsache, dass die Grünen seit "uns Joschka" dermaßen weit nach rechts gerückt sind, dass sie keinen Gegenpol mehr zu den Konservativen mehr darstellen.

  • Yes. Trallafitti-Flaschenpost-Reloaded.



    Echt Hardcore Null-overt •

  • Niemand verdächtigt Frau Baerbock der politischen Kompetenz, aber persönliche Integrität wäre ja nett gewesen. Aber so kann sie wenigstens lächerliche Bilder und Filmchen aus New York posten.