Vorläufiges aus für Batteriefabrik: Kanadier ziehen Northvolt den Stecker
Die Provinz Québec will kein weiteres Geld mehr für eine Batteriefabrik ausgeben. Das gibt für ein ähnliches Projekt in Schleswig-Holstein zu denken.

In die schwedische Start-up-Firma Northvolt haben westliche Regierungen und Firmen große Hoffnungen gesetzt. Denn sie versprach, die Wirtschaft in Europa und Nordeuropa bei der Produktion von Batteriespeichern ein Stück weit unabhängig von China zu machen. Die Akkumulatoren spielen eine zentrale Rolle bei der Energiewende – sowohl bei der Speicherung grünen Stroms als auch für den Antrieb von Elektroautos. Zu den Investoren gehörten deshalb Volvo, Scania und VW.
Kanadischen Medien zufolge hat die Provinz Québec insgesamt 510 Millionen Dollar für eine Batteriefabrik in der Nähe von Montréal im Feuer stehen: 270 Millionen hat sie in die schwedische Northvolt-Mutterfirma investiert, die durch deren Insolvenz futsch sind. Weitere 240 Millionen hat sie als besichertes Darlehen gewährt, für das bereits 20 Millionen Dollar an Zinsen aufgelaufen sind. Dieses Geld will sich die Provinz zurückholen.
Northvolt habe es versäumt, „mit Blick auf Quebécs Interessen einen zufriedenstellenden Plan vorzulegen“, zitierten verschiedene Medien die Wirtschaftsministerin Quebécs, Christine Fréchette. Das habe sie veranlasst, „unsere Rechte geltend zu machen und soviel wie möglich von unserem Investment zu retten“. Das Projekt habe sich als nicht erfolgreich erwiesen. Die Provinzregierung sei natürlich enttäuscht.
Viel Geld vom Staat
Die Hoffnung der Québecois ruhte auf der US-Firma Lyten, die angekündigt hat, das kanadische Projekt ebenso übernehmen zu wollen wie das in Heide. Auch in Deutschland hat sich der Staat mächtig engagiert: Schleswig-Holstein und der Bund bürgten für je 300 Millionen Euro Kredit, die sie wohl abschreiben müssen.
Die Tochterfirma für das Northvolt Six genannte Projekt in Kanada ist nach Firmenangaben ebenso wenig insolvent wie das deutsche Projekt Northvolt Drei – im Gegensatz zur Mutterfirma, die im März ein Insolvenzverfahren beantragt hat. Insolvenzverwalter Mikael Kubu versucht nun, so viel wie möglich an Unternehmenssubstanz zu retten. In Europa ist er dabei einen Schritt weiter als in Kanada: Anfang August hat er Lyten den Zuschlag für einen Rettungsversuch gegeben.
Das entsprechende Angebot Lytens umfasst nach Auskunft der schleswig-holsteinischen Landesregierung die schwedischen und deutschen Aktivitäten Northvolts. Das Projekt in Deutschland soll im laufenden Betrieb übernommen werden.
Dabei sei damit zu rechnen, dass Lyten weiteres öffentliches Geld verlangen werde, befürchtet der schleswig-holsteinische Oppositionsabgeordnete Kianusch Stender (SPD). Er liest das aus einer Antwort der Landesregierung, die ihm mitteilte, bezüglich der Verträge mit Northvolt seien „Anpassungsbedarfe“ abzustimmen. „Die Rolle des Landes umfasst in diesem Zusammenhang Fragen der Finanzierung der deutschen Tochtergesellschaften sowie zu Genehmigungsprozessen“, heißt es in dem Text.
Ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministeriums sagt, die Verhandlungen seien vertraulich. Für eine Stellungnahme sei es zu früh.
In Kanada soll Lyten bei der Verhandlungen mit der Provinzregierung über eine Fortführung von Northvolt Six „unverhältnismäßige Forderungen“ gestellt haben, wie The Canadian Press schreibt. Die Zeitung zitiert eine Sprecherin Fréchettes, Lyten habe zusätzliches Fördergeld von der Provinzregierung gewollt, was diese abgelehnt habe. Die Regierung habe das Risiko gescheut, noch mehr Steuergeld in ein weiteres, relativ neues Unternehmen zu stecken.
Northvolt Nordamerika bedauerte die Entscheidung der Provinzregierung angesichts der Tatsache, dass das Unternehmen gerade versuche, einen Käufer zu finden. Man habe immer noch „substanzielle Ressourcen“, um das Projekt neu zu starten.
The Canadian Press zitiert einen Lyten-Sprecher mit den Worten, Lyten sei nach wie vor willens, eine nordamerikanische Gigafabrik zu bauen und würde dabei gern mit der Regierung Québecs zusammenarbeiten.
Für Deutschland bestätigte das Bundesministerium für Wirtschaft, dass Lyten am 8. August einen separaten Kaufvertrag für das deutsche Projekt abgeschlossen habe. Bevor der Kauf abgewickelt werden könne, müssten aber noch bestimmte Vollzugsbedingungen erfüllt werden. Es handele sich „um einen vielschichtigen und komplexen Prozess, bei dem rechtliche, wirtschaftliche und regulatorische Aspekte eng aufeinander abgestimmt werden müssen“.
Der schleswig-holsteinische FDP-Landtagsabgeordnete und ehemalige Wirtschaftsminister Bernd Buchholz kommentiert: „Wenn sich eine Region aus der Finanzierung einer derart großen Unternehmensansiedlung herauszieht, dann geschieht das nicht leichtfertig und lässt bei mir die Alarmglocken schrillen.“ Die Landesregierung müsse sich deutlich gründlicher mit dem Unternehmen Lyton befassen, als sie es bei Northvolt getan habe.
Sein SPD-Kollege Stender findet, es wäre zu früh, um aus dem Projekt auszusteigen. „Wenn das Konzept stimmt, könnte ich mir vorstellen, dass wir da mitmachen als Opposition“, sagt er. Allerdings sei Lyton eine „absolute Blackbox“.
Von der Landesregierung erwartet er wie Buchholz, besser informiert zu werden. Kommenden Mittwoch steht das Thema auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses im Landtag.
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