Drohnen über Polen: Was droht nach den Drohnen?
Polen hat erstmals russische Drohnen im eigenen Luftraum abgeschossen. Immer mehr Stimmen fordern nun eine starke Reaktion der Nato auf Putins Krieg.

Nach westlichen Berichten wurden 19 bewaffnete russische Drohnen und mindestens eine Rakete aus Belarus auf Polen abgefeuert. Polens Luftabwehr und niederländische F-35-Kampfjets, die dort stationiert sind, schossen die meisten ab. Bisher wurden Teile von mindestens neun Drohnen und einer Rakete gefunden. Auch deutsche „Patriot“-Systeme und italienische Awacs-Aufklärungsflugzeuge waren laut des niederländischen Nato-Generalsekretär Mark Rutte im Einsatz.
Die Bundeswehr hat ihre „Patriots“ am ostpolnischen Flughafen Rzeszów stationiert, um ukrainische Delegationen und westliche Waffenlieferungen zu schützen. Verteidigungsminister Boris Pistorius erklärte, die Angriffe seien gezielt erfolgt: „Es gibt definitiv keine Anlässe zu vermuten, dass es sich hier um Kurskorrekturfehler oder dergleichen handelt.“ Der SPD-Politiker unterstützte die von Warschau verlangten Konsultationen gemäß Artikel 4 des Nato-Vertrags: „Hier müssen Signale gesetzt werden.“
Für die gezielte Steuerung der Drohnen und Raketen nach Polen spricht, dass die Überflüge zwischen 23 und 6 Uhr in weit auseinanderliegenden Regionen stattfanden. Bei mehreren Vorfällen mit russischen Drohnen und Raketen in Polen seit 2022, waren diese immer erst später gefunden worden. In einem Fall waren zwei polnische Bauern getötet worden, allerdings durch eine wie sich später herausstellte verirrte ukrainische Flugabwehrrakete.
Russisch-Belarussisches Großmanöver für Freitag geplant
Am Freitag beginnt das russisch-belarussische Großmanöver „Sapad 2025“ (Westen). Die letzte Übung 2021 diente dazu, russische Truppen an die ukrainische Grenze zu verlegen, die später für die Invasion genutzt wurden.
Gleichzeitig zur Sichtung der Drohnen über Polen griff Russland massiv den Westen und zentrale Landesteile der Ukraine an: 415 russisch-iranische Drohnen sowie 43 Raketen und Marschflugkörper wurden eingesetzt. 413 Drohnen schoss die Ukraine ab, doch einige trafen Ziele in Schitomir, Luzk und Lwiw. Allein Lwiw im Westen wurde von 60 „Schached“-Drohnen und zehn Raketen angegriffen. Laut Bürgermeister Andrij Sadowyj trafen die Angriffe nur eine leere Lagerhalle.
Russland versucht derzeit verstärkt, westliche Waffenlieferungen schon im Westen der Ukraine aufzuspüren und ukrainische Rüstungsfabriken zu treffen. Deutschland, als Logistik-Drehscheibe der Nato, wird nach Angaben der Bundeswehr seit Monaten ausspioniert, auch mit Drohnen entlang möglicher Lieferwege. Die Waffenlieferungen an die Ukraine sind völkerrechtlich zulässig, da sie der Verteidigung gegen einen Angriffskrieg dienen.
Rutte: „Beenden Sie den Krieg in der Ukraine.“
Nach Bekanntwerden der Angriffe entbrannte die Diskussion über politische Konsequenzen. Von der Leyen sprach von „rücksichtsloser und beispielloser Verletzung des polnischen und europäischen Luftraums“. Nato-Generalsekretär Mark Rutte wendete sich direkt an Russlands Präsidenten: „Beenden Sie den Krieg in der Ukraine. Hören Sie auf, den Luftraum der Verbündeten zu verletzen“.
„Moskau testet immer die Grenzen des Möglichen aus und bleibt auf einer neuen Eskalationsstufe, wenn nicht eine starke Reaktion folgt“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij. Das sieht auch der Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Stefan Meister, so: „Wenn man die Logik Russlands versteht, muss die Nato härter reagieren“, sagte Meister der taz. Es sei „ein falsches deutsches Verständnis, dass eine harte Reaktion eskaliert – im Gegenteil: Russland fühlt sich sonst eingeladen zu weiteren Aktionen. Die Nato muss jetzt hart reagieren“.
Meister fordert, russische Drohnen konsequent im Nato-Luftraum abzuschießen und eine Drohnenabwehr an der EU-Außengrenze zu installieren. Zudem müsse westukrainisches Territorium unter Nato-Luftabwehrschutz gestellt werden, um ein Eindringen russischer Waffen zu verhindern.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter nannte „Solidaritätsbekundungen fehlplatziert“ und forderte: „Endlich mit Konsequenz und Härte antworten! Gesülze von Friedensverhandlungen muss aufhören. Es muss jetzt Taurus und massive militärische Unterstützung für die Ukraine erfolgen.“
„Präsident Putin spielt mit dem Feuer und provoziert die Nato bewusst immer wieder“, sagte auch die Vize-Bundestagsfraktionschefin der Grünen, Agnieszka Brugger und forderte harte Reaktionen. Die EU solle jetzt „endlich schnell die eingefrorenen russischen Vermögen für die Unterstützung der Ukraine freigeben, hier muss auch Kanzler Merz schönen Worten endlich Taten folgen lassen“. Zudem sei der Stopp aller Öl-, Gas- und LNG-Importe sowie aller Zahlungen an Russland und die Annullierung aller Schengen-Visa für russische Diplomatenpässe nötig.
„Russland muss spüren, dass der Krieg nicht ausgeweitet werden kann und beendet werden muss“, betonte der ukrainische Präsident Selenskyj.
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