Reformpolitik in Sri Lanka?: Ex-Präsident Wickremesinghe wegen Korruption angeklagt
In Sri Lanka bewegt sich seit der Wahl eines linken Präsidenten einiges. Nun sitzt sein direkter Amtsvorgänger wegen Korruption in Untersuchungshaft.

Doch kurz darauf wurde der Diabetiker Wickremesinghe wegen Dehydrierung ins Krankenhaus eingeliefert. Unterdessen wird ihm vorgeworfen, öffentliche Gelder für private Auslandsreisen genutzt zu haben. Während seiner Amtszeit soll er rund 55.000 US-Dollar für einen „privaten Trip“ nach Großbritannien ausgegeben haben.
Sein Büro weist die Anschuldigungen zurück. Konkret geht es um eine London-Reise 2023, bei der seine Frau eine Ehrenprofessur erhielt. Wickremesinghe betont, sie habe die Kosten selbst getragen.
Der Ex-Präsident, der im September die Wahl gegen Dissanayake verlor, befindet sich laut Krankenhausangaben in stabilem Zustand, vor Gericht wird er am heutigen Dienstag aber wohl nicht erscheinen. Seine Festnahme steht im Zusammenhang mit dem von der neuen Regierung angekündigten Anti-Korruptionskurs.
Kritiker der Regierungspartei National People’s Power (NPP) sprechen von „politischer Rache“. Auf einer Pressekonferenz am Sonntag unter dem Motto „Lasst uns die konstitutionelle Diktatur besiegen“, erklärten sie, die Vorwürfe rechtfertigten keine Verhaftung.
Sorge der alten Elite?
Die frühere Präsidentin Chandrika Bandaranaike Kumaratunga nannte die Festnahme einen „gezielten Angriff auf demokratische Werte“. Die Folgen, so warnte sie, reichten über den Einzelfall hinaus und gefährdeten die Rechte der Gesellschaft.
Mehrere Politiker, darunter Verbündete des gestürzten nationalistischen Ex-Präsidenten Mahinda Rajapaksa (SLPP), bekundeten ihre Solidarität mit Wickremesinghe. Ein weiterer Ex-Präsident, Maithripala Sirisena (SLFP), der 2018 seinen damaligen Premier Wickremesinghe in einer umstrittenen Entscheidung entlassen hatte, erklärte: „Unser Land ist an sehr offene demokratische Praktiken gewöhnt.“ Solche Maßnahmen verstießen gegen diese Grundprinzipien.
Unter den Protestierenden fehlte Oppositionsführer Sajith Premadasa. Der ehemalige Parteikollege trennte sich von Wickremesinghe, um 2020 die Vereinte Volksmacht (SJB) zu gründen.
Wickremesinghe hatte die Vereinigte Nationale Partei (UNP), die lange von Premadasas Vater geprägt wurde, stark für sich vereinnahmt – und machte sie für viele zunehmend wählbar.
Der ehemalige Minister Gamini Lakshman Peiris (SLPP) erklärte, Korruption müsse aus dem „politischen System ausgerottet werden“. Die Verhaftung sei dennoch ungerechtfertigt, da „keine Fluchtgefahr bestand“.
Langjährige Haftstrafen für Ex-Minister
Mano Ganesan, Vorsitzender der Tamil Progressive Alliance, kritisierte, die Regierung habe ihr Versprechen nicht eingelöst: Statt frühere Vorwürfe – etwa zu Überwachung, Folter oder dem massiven Betrug im Zentralbankskandal – zu verfolgen, habe sie nun den Vorwurf des Missbrauchs öffentlicher Gelder erhoben.
Regierungsabgeordnete verteidigten das Vorgehen damit, dass „alle vor dem Gesetz gleich sind“. Nach der Kritik der Opposition fragte Parlamentspräsident Bimal Rathnayake: „Aber jetzt hören wir Leute sagen, dass Führungskräfte nicht verhaftet werden dürfen. Was ist das für eine Logik?“
Bereits Ende Mai wurden zwei Ex-Minister wegen Korruption zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Bevölkerung verfolgt den Fall aufmerksam.
Manche schlossen sich den etablierten Politiker:innen an. Andere vermuten, dass die Solidarität mit Wickremesinghe auch daher rührt, dass zahlreiche Altpolitiker:innen selbst in Korruptionsskandale verwickelt sein könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Robert Habeck tritt ab
„Ich will nicht wie ein Gespenst über die Flure laufen“
Berlins neuste A100-Verlängerung
Vorfahrt für die menschenfeindliche Stadt
Mikrofeminismus
Was tun gegen halbnackte Biker?
Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen
Chefarzt muss seinem Arbeitgeber gehorchen
Buchmarkt
Wer kann sich das Lesen leisten?
Straße wird umbenannt
Berlin streicht endlich das M-Wort