Erdgasbohrungen vor Nordseeinsel: Fridays for Future plant Protestcamp auf Borkum
Klimaaktivist:innen wollen auf der Nordseeinsel Borkum gegen deutsche und niederländische Erdgasbohrungen demonstrieren. Das Gasfeld liegt zwischen beiden Ländern.

Die Aktivist:innen von Fridays for Future lassen nicht locker. Für Anfang September haben sie ein Klimacamp auf der Nordseeinsel Borkum einberufen, denn dort wird ihrer Ansicht nach die Zukunft entschieden. Die schwarz-rote Bundesregierung will hier 35 Jahre lang Erdgas fördern lassen. Dabei muss Deutschland gemäß Klimaschutzgesetz spätestens in 20 Jahren klimaneutral sein. Macht uns das Kabinett Merz beim Klimaschutz nur etwas vor?
Anfang Juli hatte die Regierung ein Abkommen mit den Niederlanden abgeschlossen, weil das Gasfeld „N05-A“ zwischen beiden Ländern liegt. Das Abkommen schaffe den rechtlichen Rahmen für die Zusammenarbeit, erklärte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), die die Niederlande als „starken Partner in der Energieversorgung“ sieht.
„N05-A“ ist nur ein Teilgebiet und fast so groß wie die rund 31 Quadratkilometer von Borkum, der größten der ostfriesischen Inseln. Ausbeuten will es der niederländische Energiekonzern One-Dyas schon ab Ende dieses Jahres. Nach Konzernberechnungen könnten die künftige Plattform bis zu 16 Prozent des jährlichen deutschen Erdgasverbrauchs decken.
Begrenzt Hoffnung schöpfen können die Klimaschützer aus einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg zum Rechtsstreit um Gasbohrungen vor Borkum. Das OVG wies zwar kürzlich eine Beschwerde der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Verlegung eines Seekabels durch geschützte Riffe für die Gasförderplattform zurück. Das Kabel wird aber zunächst nicht verlegt werden, Grund: es sind noch weitere Klagen der DUH zu Borkum anhängig. Hier geht es im Hauptverfahren um die Trassengenehmigung sowie um eine Klage gegen die Bohrgenehmigungen auf deutscher und niederländischer Seite.
Kaufen wird das vor Borkum geförderte Erdgas EWE, nach Umsatzzahlen sechstgrößter deutscher Energiekonzern aus Oldenburg. EWE hat bereits mit One-Dyas einen Liefervertrag abgeschlossen, sein Liefergebiet ist Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein und Teile von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
EWE-Chef Stefan Dohler sieht die Gas-Pläne von One-Dyas klimapolitisch positiv: Verglichen etwa mit US-amerikanischem Flüssigerdgas (LNG) aus Fracking, sei die heimische Gasproduktion „vergleichsweise klimaschonend“. LNG müsse energetisch aufwendig verflüssigt, transportiert und wieder gasförmig gemacht werden, was die Treibhausgasemissionen etwa von US-Fracking-Erdgas 25-fach über Erdgas aus der Nordsee treibt.
Nach Erhebung des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) liegen die größten deutschen Vorräte fossilen Erdgases in Niedersachsen – „die zentrale Erdgasprovinz Deutschlands“, so das LBEG. Demnach kamen 2024 aus Niedersachsen 98,1 Prozent des in Deutschland geförderten Erdgases, Sachsen-Anhalt folgt mit 1,5 Prozent. Bayern, Brandenburg, Vorpommern und Thüringen tragen nur im Kommastellenbereich bei.
Und die Förderung in Deutschland ist rapide gesunken: Konnte die heimische Förderung vor 25 Jahren noch gut ein Viertel des deutschen Verbrauches decken, so schafft sie heute keine 10 Prozent mehr. Trotz neu entdeckter Felder wie „N05-A“ sind die fossilen Vorräte auf deutschem Territorium um mehr als 75 Prozent geschrumpft, auf weniger als 50 Milliarden Kubikmeter. Zum Vergleich: 2024 verbrauchte Deutschland knapp 80 Milliarden Kubikmeter.
„Erlaubt man einem ausländischen Konzern, unsere Nordsee zu plündern?“, fragte Luisa Neubauer von Fridays for Future im NDR. Wie sollte irgendein anderes Land auf der Welt davon überzeugt werden, Kohle, Erdöl und -gas in der Erde zu belassen, wenn es Deutschland nicht tue. Neubauers Kritik in der Sache kam noch zu Zeiten der Ampelregierung, in der ein bündnisgrün geführtes Außenministerium plus ein ebenso geführtes Wirtschaftsministerium dem niederländischen Konzern den Weg ebneten.
Geht es nach „One-Dyas“, soll jetzt gut 23 Kilometer vor Borkum in Sichtweite der Strandurlauber die Plattform nebst der notwendigen Infrastruktur entstehen. In niederländischen Gewässern, knapp hinter der deutschen Grenze.
Aber noch ist die Sache nicht ausgemacht: Da ist erstens das Klimacamp auf Borkum Anfang September. Im Juli hatten die Aktivist:innen dort bereits ein Statement in den Küstensand gesetzt. „Stop Gas!“ stand da, so groß, dass es aus dem All erkennbar war. Zweitens sind eben noch DUH-Klagen anhängig. Ohne Unterseekabel aber kein Strom für die Plattform; ohne Strom keine Erdgasförderung. Drittens läuft auch am 20. September in New York ein Teil der diesjährigen UN-Vollversammlung. Für diesen Tag ruft Fridays for Future zum #ExitGasEnterFuture-Protest auf.
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