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Krankenkassen gegen BundesrepublikEine Finanzierung über Steuern ist gerecht

Manuela Heim
Kommentar von Manuela Heim

Die Krankenkassen klagen gegen den Staat. Sie wollen nicht mehr länger auf Kosten für Sozialausgaben sitzen bleiben, für die der Bund nicht aufkommt.

Versorgung im Krankenhaus: Die Krankenkassen verklagen den Staat, da die Kosten für Sozialausgaben nicht voll ausgeglichen werden Foto: Bernd Weißbrod/picture alliance

W enn wir über sozialstaatliche Reformen reden, dann müssen wir über Fairness reden. Wer zahlt für den Sozialstaat? Für wen gilt das Solidarprinzip? In dieser Woche kamen diese Fragen auf besondere Weise auf den Tisch – und wieder ging es ums Bürgergeld.

Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) wollen die Bundesrepublik verklagen, weil der Bund seit Jahren weniger für die Krankenversicherung der Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen zahlt, als deren medizinische Versorgung kostet. Wir reden über bis zu 10 Milliarden Euro jährlich, auf denen die Kassen sitzen bleiben.

Falls sie damit erfolgreich sind – der GKV-Spitzenverband rechnet mit einer langen Prozessdauer und guten Aussichten –, würde künftig nicht mehr die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten für die medizinische Versorgung mittelloser arbeitsloser Menschen bezahlen, sondern die Solidargemeinschaft der Steuerzahlenden.

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Und das wäre erst der Anfang, es gibt noch mehr solcher sogenannten versicherungsfremden Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Familienversicherung zum Beispiel), in der sozialen Pflegeversicherung (Beiträge zur Rentenversicherung für pflegende Angehörige) und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Mütterrente).

Steuerfinanzierung der Sozialausgaben lässt sich noch radikaler denken

Die Mär von der Fairness

Das klingt zunächst nach „linke Tasche, rechte Tasche“: Zahl ich halt nicht über Versicherungsbeiträge für erwünschte sozialstaatliche Maßnahmen, sondern über die Steuern. Bezahlt werden muss es so oder so, das Geld ist überall knapp. Ob nun die Versicherungsbeiträge steigen oder die Steuern, beides macht weniger Geld auf dem Konto.

Aber Steuern auf Einkommen zahlen nicht nur gesetzlich Versicherte, sondern auch die meist gut verdienenden privat Versicherten, der Steuersatz steigt mit höherem Einkommen, Steuern werden nicht nur auf Arbeitsentgelte erhoben, sondern auch auf Einkommen aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung. Sie werden auch nicht nur bis zu einer bestimmten Grenze des Einkommens bezahlt und dann nicht mehr, wie das in den Sozialversicherungen der Fall ist.

Das Steuersystem ist so gestaltet, weil das gesamtgesellschaftlich gerecht erscheint. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die staatliche Daseinsvorsorge sollten deshalb auch aus diesem Topf erbracht werden. Über eine Erhöhung der Erbschaftsteuer und eine Wiedereinführung der Vermögensteuer reden wir an dieser Stelle noch gar nicht.

Eine Steuerfinanzierung lässt sich noch radikaler denken: In Dänemark wird ein Großteil der sozialen Absicherung aus Steuern bezahlt, nicht aus Versicherungsbeiträgen, und zwar für alle. Der Steuersatz ist aber höher als in Deutschland.

Dass die Finanzierung sozialstaatlicher Maßnahmen über Steuern die gerechteste von allen ist und mit der Verteufelung von Steuerzahlungen wirklich niemandem geholfen ist, der in einem gerechten Land leben möchte – dieser Punkt fehlt leider in der Fairnesserzählung mancher Politiker*innen.

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Manuela Heim
Gesundheit und Soziales
Redakteurin in der Inlandsredaktion, schreibt über Gesundheitsthemen und soziale (Un-) Gerechtigkeit.
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1 Kommentar

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  • Absolut richtig, dass es ungerecht ist, dass die Krankenversicherung für Mitttellose nicht nur von den gesetzlich Versicherten gezahlt werden müssen, sondern von allen Steuerzahlern, auch den reichsten.



    Dies ist einer von vermutlich hunderten Punkten, weswegen die Reichsten 500 Deutschen ihr Vermögen von 2020-2024 um 500 Mrd. € vergrössern konnten (laut Manager Magazin), während die meisten Durchschnittsverdiener froh waren, wenn sie die Jahre mit 0 überstanden hatten.



    Der Grund liegt darin, dass die Politiker Hunderte ungerechte Gesetze gemacht h a ben, die die Reichsten bevorteilen, während der Durchschnittsdeutsche draufzahlt.



    Da muss man sich nicht wundern, wenn 50% der Menschen kein Vertrauen mehr in den Staat haben und 25% die AdD wählen würden.



    Es wird höchste Zeit, dass die etablierten Parteien wieder eine gerechtere Politik machen. Und diese 10 Milliarden aus den Steuergeldern zu bezahlen, kann nur der 1. Schritt von sehr vielen sein.