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Katharina Reiches EnergiewendeScheitern einkalkuliert

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche spart am falsche Ende: Statt jetzt in die Energiewende zu investieren, bremst sie sie aus.

Ambitionslos was Erfolge angeht, Katharina Reiche Foto: Katharina Kausche/dpa

W irtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hält am großen Ziel der Energiewende fest – Klimaneutralität 2045. Es gehe ihr nur um Änderungen auf dem Weg dorthin, betont sie bei der Vorstellung des lange erwarteten Energiemonitors. Ihre Phrase erinnert an den schönen Satz „Der Weg ist das Ziel“. Dabei muss man jedoch aufpassen, dass das ursprüngliche Ziel unterwegs nicht verloren geht.

Auf Basis des neuen Gutachtens will die Ministerin die Energiewende realistischer und billiger machen. Heute würden beispielsweise zu viele Windräder teuer gefördert, obwohl ihre Stromkapazität oft nicht gebraucht werde. Reiche beklagt Verschwendung und zu hohe Ausbauziele angesichts einer Elektrizitätsnachfrage, die in den vergangenen drei Jahren nicht so schnell gestiegen ist, wie unter Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne) prognostiziert. Die zu erwartende, wenngleich noch nicht deutlich ausgesprochene Schlussfolgerung dürfte lauten: Lasst uns erst mal weniger neue Ökokraftwerke errichten als bisher geplant. Der Ausbau ginge zwar weiter, aber langsamer.

Das Risiko dieser Strategie liegt im Überraschungseffekt. Gerade steigt die Zahl der angemeldeten Elektroautos an. Was ist, wenn sie plötzlich noch deutlicher wächst? Der Boom der künstlichen Intelligenz lässt mehr Rechenzentren entstehen, die ebenfalls Strom brauchen. Und die Bundesregierung arbeitet selbst daran, dass die Wirtschaft aus dem Knick kommt. 1.000 Milliarden Euro zusätzlicher öffentlicher Investitionen in den kommenden zehn Jahren werden dazu beitragen. Dann könnte plötzlich Strommangel herrschen, die Preise steigen.

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Kohle- und Gaskraftwerke würden die Lücke füllen. Wieder wird der Ruf nach mehr erneuerbarer Energie laut, zusätzliche Investitionen sind erforderlich. Die Kosten, die Reiche jetzt vermeiden will, müssen dann doch getätigt werden. Doch man hat zu lange gewartet, sodass Klimaneutralität 2045 leider nicht mehr zu erreichen ist. Das Ziel blieb auf der Strecke.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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9 Kommentare

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  • Katharina Reiches Energiepolitik ist ökonomisch unsinnig, denn was ist, wenn es läuft, günstiger als Wind und Sonne. Gaswerke ohne Umstellmöglichkeit auf Wasserstoff ist schlichte Unfähigkeit. Die Auslieferung an Erdgas und Öl verbietet sich schon allein aus strategischen Gründen. Weder Putin noch Trump sind in dieser Hinsicht Geschäftspartner, denen zu trauen wäre und viele andere auch nicht. Es sind keine grünen Träume Alternativen zu den herkömmlichen Energiequellen zu finden, es ist eine Überlebensfrage in einer äußerst schwierigen Zeit.

  • Rückwärts immer - vorwärts nimmer ...



    Unser Land hat kein Gas & Öl, also sind wir abhängig, diese Abhängigkeit gilt es abzubauen, von mir aus muß kein Solar gefördert werden aber 1 Euro für die Kwh am Schnellader blockiert e-Autos, wer weniger Energie verbraucht sollte dafür auch weniger zahlen, 0,35€ an Schnelladern und dieser Ladekarten Abo Preis Wahnsinn muß gestopt werden, eine Ladekarte Maxim mal auf einem staatlichen Portal, Netzentgelte müßen auf ein Minimum reduziert werden.

  • Frau Reiche scheint die Möglichkeit von Energiespeichern noch nicht zu kennen. Da ist zum Beispiel Eisenpulver, welches pro Volumen etwa 12 mal so viel Energie speichert wie komprimierter Wasserstoff www.ardmediathek.d...YtMWUzYWEzNGVlMzAx .



    CO2-Neutral, bestehende Kohlekraftwerke können dafür genutzt werden, Eisen ist im Überfluss vorhanden, weitere kleine Anlagen können dezentral errichtet werden und mit der Abwärme gleichzeitig über Fernwärme die Häuser beheizen - voilà.

  • Für Leute, die sich nicht gerne auf Interpretationen verlassen, sondern die Originalliteratur vorziehen, hier der Weg zu derselben:



    www.bundeswirtscha...assnahmen-vor.html

    • @sollndas:

      Danke – klingt doch alles ganz vernünftig! ... kommt allerdings darauf an, was davon nur Worte und was echte Konzepte sind. Das allerdings ist bei der gegenwärtigen Post-Ampel nicht besonders deutlich erkennbar (sieht man mal von Herrn Dobrindts teils verfassungswidrigen, aber offenbar exakt so konzipierten PR-Stunts ab).

  • Wenn ich mir die Ergebnisse der letzten Wahlen anschaue:



    Eine Mehrheit der Deutschen möchte offensichtlich keine "Energiewende", sondern weiter mit Gas heizen und Diesel fahren.



    Und diese Mehrheit ist inzwischen sehr misstrauisch, wenn etwas als "Alternativlos" verkauft wird.

    • @Colonius:

      Und Freibier für alle. Sie haben Freibier für alle vergessen.

      Die AfD ist keine echte Alternative, sondern mehrfach schädliches Schlangenöl.



      Ansonsten gibt es immer Alternativen, da gemeinsamer Grund. Auch zu Verbrennung, übrigens, die sind u.a. auch günstiger.

  • Reiche dient dem Fossilgroßkapital und schielt auf die Zeit nach dem Ministerinnenamt. Das merkt mensch schmerzhaft.



    Da war etwa Habecks Team schon deutlich weiter.

    Und sie hätte ja ehrgeizig einfach Zuschüsse auch an das effiziente Solar herunterfahren, Fossil vor allem rascher angemessen besteuern können und das Geld in die Zukunft stecken.