Trump verklagt „New York Times“: Der umstrittene Riese
Trump verklagt in einem persönlichen Rachefeldzug die „New York Times“ auf Milliarden. Warum die oft umstrittene Zeitung wichtiger denn je ist.

I n der gegenwärtigen Phase der Demokratie in den USA hat fast jeder Amerikaner gemischte Gefühle gegenüber der New York Times. Doch die Pläne des US-Präsidenten Donald Trump, die Zeitung zu verklagen, könnten dazu führen, einige Kritiker mit dem Blatt zu versöhnen. Denn in einem Land, in dem die Pressefreiheit massiv unter Beschuss steht, ist die New York Times eines der wenigen Medienhäuser, die es sich leisten können, gegen Trump vorzugehen. Am Ende geht es um nichts weniger als die Zukunft des unabhängigen Journalismus und damit darum, eine wichtige Säule der Demokratie zu retten.
Im Gegensatz zu vielen alternativen Nachrichtenquellen, die Trumps politisches Handeln unterstützen, überprüft die New York Times ihre Informationen vor dem Druck auf ihre sachliche Richtigkeit und Rechtskonformität.
Trump versucht mit der am Montag eingereichten Klage in Höhe von 15 Milliarden Dollar gegen seine härtesten Kritiker*innen vorzugehen. Der Grund: Verleumdung und üble Nachrede. Trump reichte die Klage bei einem Gericht in Florida ein, das seinen Forderungen möglicherweise eher wohlwollend gegenübersteht.
Linke boykottieren „New York Times“
In seiner Ankündigung auf Truth Social bezeichnete der Präsident die Zeitung als „virtuelles Sprachrohr der radikalen linken Demokratischen Partei“. Diese Aussage ist für jeden, der mit der „radikalen Linken“ in den USA vertraut ist, lächerlich – denn einige Linke boykottieren die Zeitung wegen derer ihrer Meinung nach langjährigen rassistischen und imperialistischen Voreingenommenheit. Die Linke gründete sogar The New York War Crimes, eine Organisation, die die Berichterstattung der NYT über den Völkermord in Gaza kritisiert.
Dazu kommen die Stimmen, die die Zeitung zu liberal finden. Sei es, weil sie eine Abneigung gegen den „blauen“, den Demokraten favorisierenden Bundesstaat New York haben oder sie einmal zu oft eine Modern-Love-Geschichte über Polyamorie gelesen haben (diese Leute beklagen sich darüber, was aus dem nachrichtenstarken Journalismus geworden ist, und lesen im schlimmsten Fall gar keine Nachrichten mehr) oder sie sich aus politischer Überzeugung abwenden, weil sie der Verunglimpfung des Präsidenten zustimmen, dass die Zeitung „versagt“ habe.
Trump nutzt mit seiner Hetze gegen die unabhängigen Medien ein gesellschaftliches Problem aus: Amerika hat große Schwierigkeiten mit der Medienkompetenz – es gibt Menschen, die tatsächlich nicht wissen, was der Unterschied zwischen einem Meinungsartikel und einer Nachrichtenmeldung ist. Das ist die Schuld des amerikanischen Bildungssystems, was wiederum die Schuld der Regierung ist, die ebenjenes System unterfinanziert. Diejenigen, die diesen Unterschied nicht kennen, sehen vielleicht einen – manchmal geschmacklosen oder absichtlich provokativen – Meinungsartikel in der New York Times, wundern sich über die subjektiven Beiträge und freuen sich im schlimmsten Fall über Trumps Kampagne gegen die Pressefreiheit.
Denn die aktuelle Klage ist nur der jüngste seiner Versuche, die Pressefreiheit einzuschränken. Allein in diesem Jahr hat Trump die Associated Press aus seinem Pressepool ausgeschlossen, erhielt insgesamt mehr als 30 Millionen Dollar an Vergleichszahlungen aus seinen Klagen gegen ABC und CBS und verklagt das Wall Street Journal wegen dessen Berichterstattung über den angeblichen Geburtstagsbrief des Präsidenten an Jeffrey Epstein.
Mittel für Lokaljournalismus gestrichen
Ein Bericht des Komitees zum Schutz von Journalisten vom April besagt, dass die Angst der in den USA ansässigen Journalisten vor Konsequenzen dazu führt, dass die Pressefreiheit eingeschränkt wird. Dazu kommt, dass das Heimatschutzministerium plant, die Visa für ausländische Journalisten zu verkürzen. Laut Reporter ohne Grenzen habe das „eine abschreckende Wirkung auf die Pressefreiheit“.
Der Präsident strich auch die Mittel für die Corporation for Public Broadcasting, wodurch die Existenz vieler, wenn nicht sogar der meisten lokalen Mitgliedstationen von National Public Radio und Public Broadcasting Service gefährdet ist. Dabei ist besonders der Lokaljournalismus wichtig, um die Leute in ihren Städten abzuholen.
Die NYT ist dagegen ein finanzstarker Gegner: Sie ist mit ihren 11,88 Millionen zahlenden Abonnenten und einem Gesamtumsatz von 685,9 Millionen Dollar im zweiten Quartal diesen Jahres eines der wenigen Medienunternehmen, das über finanzielle Rücklagen verfügt, um sich mit dem Präsidenten anzulegen.
Das macht sie – unabhängig davon, was Amerikaner darüber denken – zu einem Schlüsselelement für die Zukunft unserer Demokratie. „Das hört JETZT auf!“, drohte Trump auf Truth Social bezüglich der Berichterstattung der New York Times. Im Moment ist das nur die Meinung Trumps. Hoffen wir, dass die Gerichte nicht zulassen, dass sie zu einer Tatsache wird.
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