Russisches Gas und Öl: Europas Milliarden für Moskau
Die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland sollten Putin unter Druck setzen, die EU aber auch energieunabhängiger machen. Funktioniert das?

Das hat Donald Trump auf den Plan gerufen: Am Samstag verkündete der US-Präsident auf seiner Plattform Truth Social, er sei bereit, Russland härter zu sanktionieren. Allerdings knüpfte er das an die Bedingung, dass alle Nato-Staaten den Kauf von russischem Öl einstellen. Zuvor hatte er bereits in einem Telefonat mit europäischen Vertretern ein Ende ihrer Öl- und Gas-Geschäfte mit Russland verlangt. Im Hintergrund wirkt noch der Zollstreit: Indien hat seit der russischen Vollinvasion in der Ukraine im Februar 2022 seine Ölimporte aus Russland drastisch ausgeweitet und sich dem Druck der USA zum Stopp des Einkaufs in Moskau nicht gebeugt, woraufhin Trump die Strafzölle für das südasiatische Land Anfang August auf nunmehr 50 Prozent verdoppelte.
Im 18. EU-Sanktionspaket gegen den Kreml ist ausdrücklich die „Einfuhr von Erzeugnissen aus russischem Rohöl, die in Drittstaaten raffiniert wurden, verboten“. Allerdings tritt diese Maßnahme erst am 21. Januar 2026 in Kraft. Und Gas- und Uranimporte aus Russland sind bis heute nicht sanktioniert. Die EU-Kommission plant, die Einfuhr russischen Gases ab 2028 zu untersagen, im Falle kurzfristiger Verträge schon früher. Der Vorschlag muss aber noch von den EU-Ländern und dem EU-Parlament verhandelt werden.
Viele europäische Staaten haben nun zwar selbst den Import von russischem Öl und Gas gestoppt, doch sie profitieren davon, dass eben Indien, China und die Türkei seit 2022 russisches Rohöl zu deutlich unter den Weltmarktpreisen liegenden Tarifen einkaufen – und dann, raffiniert zu Diesel, Benzin, Kerosin oder anderen Ölprodukten, weiter vertreiben. Vor allem nach Europa.
Indisch deklarierter Sprit
So schossen im August die Einfuhren allein von Diesel aus Indien um 137 Prozent in die Höhe. Die Türkei liefert etwa 5 Prozent des europäischen Dieselbedarfs. 2024 hat Indien laut dem Center for the Study of Democracy Saudi-Arabien als größten Treibstofflieferanten Europas abgelöst – nun kommt als indisch deklariertes Benzin statt aus saudischem Rohöl hergestellter Sprit in die EU.
Einige EU-Länder sind ohnehin abtrünnig und haben noch nicht einmal die direkten Rohölimporte aus Russland gestoppt: Ungarn und die Slowakei beziehen weiter russisches Rohöl – wenn die Ukraine nicht gerade mit Drohnen die Druschba-Pipeline aus Russland an neuralgischen Punkten demoliert hat. Ungarn importierte im vergangenen Jahr 84 Prozent seines Ölbedarfs aus Russland, die Slowakei 82 Prozent.
Je 6 Prozent der russischen Rohöl-Ausfuhren landen in der EU und der Türkei (in China 47 Prozent, in Indien 38 Prozent). Erdgas, das über Pipelines geliefert wird, hat sogar zu 36 Prozent das Ziel EU (China: 30 Prozent, Türkei: 27 Prozent).
600 Millionen Dollar pro Tag
Noch deutlicher ist es beim schon verfemten, aber eben noch nicht sanktionierten Flüssiggas (LNG), das auf Tankern in EU-Häfen angelandet wird: Hier kommt 51 Prozent des russischen Exports an (China: 21 Prozent, Japan: 18 Prozent). Tendenz bisher sogar weiter steigend. Diese Zahlen hat das Center for Research on Energy and Clean Air (Crea) anhand von Schiffsdaten, Zollangaben und dem internationalen Maritim- und Rohstoffdatenhaus Kpler errechnet.
Russland erlöst mit dem Exportieren fossiler Energieträger weiterhin und trotz internationaler westlicher Sanktionen fast 600 Millionen US-Dollar – pro Tag. Noch zwischen Februar 2024 und Februar 2025 haben europäische Kund:innen laut Crea 21,9 Milliarden Euro für fossile Brennstoffe nach Moskau überwiesen. Seit Beginn des Krieges 2022 hat Russland mit der Ausfuhr fossiler Brennstoffe Einnahmen in Höhe von 941 Milliarden Euro erzielt, 213 Milliarden Euro kamen aus Ländern der Europäischen Union.
Mit dem Finger gezeigt wird dabei zumeist nur auf die kreml-freundlichen Regierungen in Budapest und Bratislava wegen ihrer Öl- und Gas-Pipeline-Kontrakte. Doch die Häfen, die LNG-Tanker mit verflüssigtem russischen Erdgas ansteuern, sind zumeist Zeebrugge (Belgien), Montoir und Dunkerque (Frankreich), Bilbao und Mugardos (Spanien) sowie Rotterdam (Niederlande). In Belgien macht russisches Flüssiggas derzeit 11 Prozent des Gesamtverbrauchs aus, in Frankreich 13 Prozent und in Spanien 25 Prozent. Die LNG-Lieferungen aus Russland sind seit dem Überfall auf die Ukraine 2022 sogar noch gestiegen, machen 17 Prozent des europäischen Flüssiggasbezugs aus.
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