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Massenproteste in der SlowakeiZehntausende gegen Fico

In 16 Städten der Slowakei gibt es Proteste gegen die Politik der Regierung. Die Opposition ruft für November zum landesweiten Generalstreik auf.

Allein in der Hauptstadt Bratislava sollen am Dienstag 17.000 Menschen protestiert haben Foto: Martin Baumann/TASR/dpa

Wien taz | „Wir haben genug von Fico“, skandierten am Dienstag Tausende Demonstranten auf dem Freiheitsplatz in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Es war der Auftakt zu landesweiten Massenprotesten gegen die EU-feindliche und prorussische Politik des populistischen Ministerpräsidenten Robert Fico. Auch das aktuelle Sparpaket stand im Fokus der Kritik.

Allein in Bratislava demonstrierten Schätzungen zufolge rund 17.000 Menschen. Auch in 15 weiteren Städten gingen Tausende auf die Straße, darunter in Žilina, Prešov, Nitra und Banská Bystrica. Befeuert wurden die Proteste durch Ficos umstrittene China-Reise, bei der er zum dritten Mal seit Beginn des Ukrainekriegs mit Wladimir Putin zusammentraf.

Fico war das einzige EU-Staatsoberhaupt, das zur chinesischen Militärparade zum 80. Jahrestag des Zweiten Weltkriegs angereist war.

Die drohenden Sparpakete sind ein wesentlicher Grund für das jetzige Aufflammen der Proteste. Die Maßnahmen der Regierung sehen erhöhte Beiträge für Kranken- und Sozialversicherung, höhere Einkommenssteuern für Besserverdiener sowie höhere Mehrwertsteuern auf Lebensmittel vor. Die Regierung rechtfertigt die Einschnitte mit der Notwendigkeit, das Haushaltsdefizit zu senken – mit 5,3 ProzentFeras al Mashhor des BIP das zweithöchste unter allen Euro-Ländern.

Angekündigt hatte den Protest ursprünglich die linksliberale Fortschrittliche Slowakei (PS), die derzeit größte Oppositionspartei. Sie lud aber auch die liberale SaS (Freiheit und Solidarität), Christdemokraten (KDH) und die liberal-konservative Demokraten-Partei zur Zusammenarbeit ein. Auch der öffentliche Sektor hatte für die Teilnahme mobilisiert. „Die Slowaken haben genug von dieser Politik“, sagte PS-Chef Michal Šimečka in Bratislava, der die Einigkeit der Opposition im Kampf gegen die Regierung betonte.

Frühere Proteste haben zu nichts geführt

Mit der Mafia gar verglich SaS-Vorsitzender Branislav Gröhling die derzeitige Regierung. „Sie scheren uns wie Schafe, machen Leute zu Geldautomaten und heben nur Geld ab, das sie dann wegwerfen“, sagte er laut der Tageszeitung Denník N. Der Finanzminister würde die Leute hingegen auffordern, Marmelade einzukochen, um ihr weniges Geld zu sparen. Gröhling rief deshalb zum Generalstreik am 17. November auf. „Das ganze Land muss aufstehen!“, erklärte er und forderte auch die Universitäten zur Teilnahme auf.

Schon seit Amtsantritt der mittlerweile vierten Regierung unter Premier Robert Fico im Herbst 2023 fanden immer wieder Proteste statt, zumeist gegen die EU-kritische und russlandfreundliche Haltung oder gegen die Kulturpolitik. Seine Kritiker sehen Parallelen zu Ungarns rechtspopulistischem Regierungschef Viktor Orbán und werfen Fico vor, die Slowakei in Richtung eines autoritären Kurses zu lenken und sich von der EU zu entfernen.

Den Höhepunkt erreichten die Proteste Ende Januar, als allein in Bratislava 60.000 Menschen auf die Straße gingen. In den vergangenen Monaten war es etwas ruhiger, bevor es seit Anfang September wieder mehrere Kundgebungen gab.

„Sie werden dieses Spiel verlieren“

Ob das nun der Auftakt zu einer größeren Protestwelle ist, die für die Regierung gefährlich wird, ist laut dem slowakischen Politologen Radoslav Štefančík noch schwer zu sagen. Schon die deutlich größeren Proteste vor dem Sommer hätten zu nichts geführt.

„Die Regierung hat auf diese Proteste nicht reagiert, sondern im Gegenteil die Opposition der Polarisierung der Gesellschaft bezichtigt“, sagt Štefančík. Er gehe davon aus, dass sich dieses Szenario nun wiederholen werde.

Auch in Košice, der zweitgrößten Stadt der Slowakei, wurde am Dienstag demons­triert. „Sie werden dieses Spiel verlieren. Wir proeuropäischen Slowaken sind mehr als jene, die von ihren Wahnvorstellungen geblendet sind“, sagte Schriftsteller Milo Janáč laut der Zeitung SME. Die Geduld der Bevölkerung sei am Ende.

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