Haushalt für 2025: Bundesregierung setzt auf Rechentricks
Das Parlament beschließt den Haushalt für das laufende Jahr. Grüne und Linke kritisieren, das Geld fließe nicht in Investitionen, sondern in Wahlgeschenke.

Aus der Opposition wird die Euphorie des Finanzministers allerdings gestört. Für die Linke macht es Parteichefin Ines Schwerdtner plastisch: Von dem 500-Milliarden-Sondervermögen für Klima und Infrastruktur, in das mit diesem Haushalt erstmals ein Teil fließt, komme „unten, wo die Probleme sind, fast nichts an“. Sie spricht von Menschen, die „morgens um Fünf“ aufstehen müssen und dann vor maroden Brücken oder in überfüllten Zügen stünden. Dem Investitionsstau würden die Regierungspläne nicht gerecht.
Technischer klingt die Kritik bei den Grünen. „Das Zusätzlichkeitskriterium des Sondervermögens sollte verhindern, dass der investive Anteil am Kernhaushalt schlicht zu Lasten des Sondervermögens zurückgefahren und stattdessen für konsumtive Ausgaben verwendet wird“, sagt deren Chefhaushälter Sebastian Schäfer. „Aber das wird leider ausgehebelt.“
Seit Wochen wird diese Kritik auch von Fachleuten außerhalb der Politik vorgetragen. Was damit gemeint ist: Als sich die Grünen im März mit Union und SPD darauf einigten, die Schuldenbremse zu lockern und dafür das Grundgesetz zu ändern, wollten sie sicherstellen, dass das neue Geld wirklich in zusätzliche Investitionen fließt. Die Koalition sollte nicht nur Projekte aus dem Kernhaushalt ins Sondervermögen verschieben – und so indirekt Platz schaffen für Wahlgeschenke wie die Steuersenkungen für die Gastro-Branche.
Kritik auch von Expert*innen
Ins Grundgesetz schrieb man daher, dass auch im Kernhaushalt eine „angemessene Investitionsquote“ erreicht werden müsse, bevor Geld aus dem Sondervermögen fließt. In einem begleitenden Beschluss definierten Schwarz-Rot und die Grünen, was „angemessen“ heißt: zehn Prozent.
Umgesetzt hat die Koalition diesen Beschluss in einem Gesetz, das am Donnerstag im Bundestag gemeinsam mit dem Haushalt verabschiedet wurde. Dabei wählte Schwarz-Rot für die Investitionsquote allerdings nicht den naheliegenden Rechenweg: das Volumen der Investitionen, geteilt durch das Volumen des gesamten Haushalts. Stattdessen werden beim zweiten Wert die kreditfinanzierten Verteidigungsausgaben abgezogen, beim ersten Wert nicht. Dadurch fällt die Quote automatisch höher aus, die zehn Prozent werden leichter erfüllt.
Im August hörte der Haushaltsausschuss Sachverständige dazu an. Deren Urteil war verheerend. So sagte die Finanzwissenschaftlerin Désirée Christofzik, die von der Union geladen worden war, die Berechnung sei „nicht nachvollziehbar“ und müsse „zuerst einmal angepasst werden“.
Eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) kommt zum Ergebnis, dass die Koalition die Zehn-Prozent-Hürde im Haushalt 2025 nur durch den Rechentrick einhalte – und das Sondervermögen eben doch zu einem Verschiebebahnhof macht. So sehe es für 2026 zwar Ausgaben für die Bahn in Höhe von 18,8 Milliarden Euro vor. Aus dem Kernhaushalt würden für die Schiene im Vergleich zu 2024 gleichzeitig 13,7 Milliarden Euro weniger ausgegeben. Das Fazit des Instituts: „Der politisch versprochene Fokus auf eine Modernisierung der Infrastruktur mit dem Ziel der Erhöhung des Wachstumspotenzials bleibt bisher in weiten Teilen aus.“
„Alles zu wenig, alles schlecht“
Im Bundestag wischt die Koalition diese Kritik am Donnerstag zur Seite. Von den Grünen höre er nur, es sei „alles zu wenig, alles schlecht“, sagt der SPD-Haushälter Thorsten Rudolph. Wer nur von Umschichtungen spreche, rede aber die „größte Investitionsoffensive seit Jahren klein.“
Für die Einigung auf die Zehn-Prozent-Regel hätten sich die Grünen im März noch gefeiert. „Gestern war das für die Grünen noch ein zentraler Verhandlungserfolg, heute sind es angeblich Buchungstricks. Was denn nun?“, fragt Rudolph.
Die grüne Kritik gibt der SPD-Mann damit verkürzt wieder, einen wunden Punkt trifft er trotzdem: Für die Zusätzlichkeitsklausel hatten sich die Grünen im März tatsächlich gefeiert. Warum sie jetzt nicht greift, dafür sind zwei Deutungen möglich. Entweder: Die Grünen haben es im Frühjahr versäumt, die Regel eindeutig genug zu formulieren. Oder: Sie haben sie eindeutig genug formuliert, haben jetzt aber nicht die Möglichkeit, den Regelverstoß der Koalition vom Verfassungsgericht einkassieren zu lassen.
Für eine entsprechende Klage bräuchte es nämlich 25 Prozent der Sitze im Bundestag, und auf so viel kommen die Grünen auch zusammen mit der Linken nicht. „Sie machen das alles auch, weil Sie wissen, dass wir nicht mit einer Normenkontrollklage vor das Verfassungsgericht ziehen können“, sagt in der Debatte am Donnerstag die ehemalige Familieniministerin Lisa Paus in Richtung der Koalition. „Aber das macht es nicht besser.“
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