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Ökonomin Leah Downey„Niedrige Inflation ist allen wichtig“

Die Fed hat die Zinsen gesenkt – auch auf Trumps Druck hin. Dass Politik bei Zentralbanken mitredet, war bisher ein No-Go. Leah Downey sieht das anders.

Dollar, Dollar: Trump macht Druck auf die Geldpolitik Foto: skodonnell/iStockphoto/getty images
Jonas Waack
Interview von Jonas Waack

taz: Frau Downey, die Trump-Regierung greift die Unabhängigkeit der US-Notenbank an, der sogenannten Fed. Ist das schlecht?

Leah Downey: Ja und nein. Einerseits ist es gut, denn ich glaube, dass die Unabhängigkeit der Fed eine Gefahr für die US-Demokratie darstellt. Sie schränkt die Handlungsfähigkeit des Staates ein. Wenn zum Beispiel der US-Kongress direkter in die Geldpolitik eingreifen könnte, könnten Kredite entweder direkt oder durch Regulierung in Sektoren gelenkt werden, wo sie mehr Investitionen will. Oder aus Sektoren herausgehalten werden, wo sie weniger Investitionen will. Und sie könnte beeinflussen, wohin Kredite fließen.

taz: Das war das einerseits. Was ist das andererseits?

Downey: Dass der US-Präsident die Kontrolle über die Fed bekommt, ist keine gute Idee. In den USA ist die Geldpolitik in der Verfassung ausdrücklich der Legislative übertragen, aus guten Gründen. Der offensichtliche ist, dass man die Macht nicht zu sehr bei einer einzelnen Person konzentrieren sollte, insbesondere nicht die Macht, Geld zu erschaffen und zu verteilen. Was die Trump-Regierung vorschlägt, ist überhaupt nicht wünschenswert. Die Unabhängigkeit von Zentralbanken an sich infrage zu stellen, ist aber gerechtfertigt.

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taz: Liberale Ökonomen meinen, dass die Unabhängigkeit von Zen­tralbanken die Inflation in den letzten Jahrzehnten weitgehend niedrig gehalten hat. Das ist doch sicher gut?

Downey: Die Unabhängigkeit von Zentralbanken ist unter Ökonomen und Zentralbankern unantastbar geworden. Dabei sind die Argumente dafür nicht so stichhaltig, wenn man sie unter die Lupe nimmt. Der theoretische Teil des Arguments der liberalen Ökonomen für unabhängige Zen­tralbanken basiert auf der Idee der Zeit­inkonsistenz: Was wir kurzfristig für eine gute Idee halten, stimme nicht mit dem überein, was langfristig gute Politik ist. Damit bin ich nicht einverstanden. Es ist zwar richtig, dass wir in Demokratien politisch oft kurzfristig denken, aber das gilt auch für die Umwelt-, die Steuer- und die Militärpolitik.

taz: Man nimmt dem Parlament also die Geldpolitik weg, weil die kurze Sicht angeblich langfristig Schaden anrichtet – müsste man das dann nicht auch bei anderen Politikbereichen tun?

Downey: Ja, manche Leute wollen das. Aber dann müssten wir darüber diskutieren, ob diese Leute noch Demokraten sind, wenn sie das Parlament entmachten wollen. Zurück zur Geldpolitik: Ein Argument für unabhängige Zentralbanken ist auch, dass dort Fachwissen nötig ist, weil Geldpolitik kompliziert ist. Aber ich sage nicht, dass wir keine Experten einbeziehen sollen. Nur sollten diese unter der Leitung und Kontrolle der demokratischen Legislative stehen.

taz: Es gibt aber empirische Belege, dass unabhängige Zentralbanken zu niedriger Inflation führen.

Downey: Im Allgemeinen gehen die auf die frühen 90er Jahre zurück, als einige Ökonomen einen Zusammenhang zwischen der Unabhängigkeit von Zentralbanken und der Inflation entdeckten. Das war eine einzigartige Zeit. Als man später versuchte, diese Studien zu wiederholen, hat sich dieser Zusammenhang verändert. Vor allem bedeutet das jedoch nicht, dass man ohne unabhängige Zentralbanken keine relativ niedrige und stabile Inflation erreichen kann. Außerdem kann es eine Zentralbank geben, die nicht unabhängig ist, aber dennoch den Auftrag hat, die Inflation zu bekämpfen.

taz: Liberale Ökonomen würden argumentieren, dass Politiker diesen Auftrag übergehen würden, weil sie viel Geld ausgeben wollen, um wiedergewählt zu werden, und auf diese Weise die Inflation erhöhen.

Downey: Die Vorstellung, dass Politiker sich langfristig nicht um die Inflation kümmern, ist lächerlich, eine niedrige Inflation ist allen wichtig. Wir messen dieser Karikatur viel zu viel Bedeutung bei, wonach Bürger und Politiker nicht in der Lage sind, differenziert über Politik zu reden.

taz: Aber zum Beispiel in der Türkei ist die Inflation massiv gestiegen, seit Präsident Erdoğan die Kontrolle über die Geldpolitik übernommen hat.

Downey: Die Türkei scheint mir ein Sonderfall zu sein. Dort hat Erdoğan die Zentralbank übernommen, um seine eigenen Ziele zu verfolgen, auf Grundlage einiger ziemlich wilder Theorien darüber, wie Geld funktioniert. Das beweist nicht, dass die Unabhängigkeit von Zentralbanken eine gute Idee ist. Es beweist, dass man Erdoğan nicht die Macht über seine Zentralbank geben sollte.

Bild: King's College London
Im Interview: Leah Downey

lehrt politische Theorie am King's College in London. An der Harvard University hat die Ökonomin zur Frage promoviert, wie sich Geld demokratisieren lässt. Ihr Buch „Our Money: Monetary Policy as if Democracy Matters“ erschien 2024.

taz: Wie man auch Trump nicht die Macht darüber geben sollte, wie Sie sagen. Warum finden Sie es wichtig für die Demokratie, dass die Legislative die Zentralbanken kontrolliert?

Downey: Wenn die Legislative sich dafür entscheidet, über einen längeren Zeitraum die Geldpolitik auszulagern, dann kann sie immer schlechter darauf einwirken, auch wenn ihre Befugnisse formal bestehen bleiben. Der US-Kongress könnte morgen beschließen, die Fed abzuschaffen. Aber seine tatsächliche Macht – zu verstehen, was vor sich geht, die Alternativen zu kennen und eine öffentliche Diskussion über Geldpolitik anzuregen – hat der Kongress seit langer Zeit nicht ausgeübt. Und genau darum geht es denen, die die Zen­tralbanken unabhängig vom Parlament halten wollen: Sie wollen verhindern, dass die Legislative ihre Macht nutzt.

taz: Sie meinen, die Öffentlichkeit vergisst, wie man über Geldpolitik spricht?

Downey: Noch schlimmer: Wir vergessen, dass es möglich ist, demokratisch Geld zu erschaffen, Geld zu regulieren, Geld anders zu verteilen. Im 19. Jahrhundert, sogar noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wurde darüber viel mehr diskutiert. Das ist verloren gegangen.

taz: Könnte Trumps Angriff auf die Fed also eine demokratischere Geldpolitik schaffen?

Downey: Ich fürchte, dass die USA darauf so reagieren, wie Großbritannien auf Liz Truss: Jemand versucht aus den falschen Gründen, die politische Kontrolle über eine Institution zu übernehmen, das geht schief, und daraus wird dann die Lehre gezogen, dass der Status quo gut war –und das wird nicht hinterfragt. In den US-Medien gibt es nur sehr wenige Stimmen, die sagen: Ja, Trump und seine Leute haben irgendwie Recht damit, dass es anders sein sollte. Stattdessen verteidigen sie einfach die Fed, wie sie ist.

taz: Wir haben über die Fed und Zentralbanken im Allgemeinen gesprochen – aber wie stehen die Chancen für eine demokratischere Europäische Zentralbank (EZB)?

Downey: Das werde ich oft gefragt. Ich finde es wirklich schwierig zu beantworten. Die EZB ist ein anderer Sonderfall.

taz: Warum?

Downey: Sie wurde nicht durch eine Verfassung gegründet, die ein Parlament ändern könnte, sondern durch den Maastricht-Vertrag. Der kann nur geändert werden, wenn alle EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Um eine wirksame demokratische Kontrolle über die Geldpolitik zu schaffen, ist es wichtig, dass sich die Legislative regelmäßig damit befasst. Ob in der EU oder in den USA. Im Fall der USA könnte das bedeuten, dass jährlich über die Kreditrichtlinien abgestimmt wird. Der US-Kongress könnte sagen: Wir sind zufrieden, macht weiter so. Oder er könnte sagen: Nein, wir wollen hier mehr Kredite und dort weniger. Das würde regelmäßige Diskussionen erfordern.

taz: Das EU-Parlament könnte das übernehmen.

Downey: Aber dann würde man die nationalen Gesetzgeber übergehen, und das würde offensichtlich in Richtung EU als eigener Staat gehen. Oder man schafft die EZB ab und kehrt zu einer nationalen Kontrolle der Geldpolitik zurück. Der derzeitige Mittelweg ist aus demokratischer Sicht nicht zukunftsfähig. Für die, die die Unabhängigkeit von Zentralbanken über alles stellen, ist die EZB ein Meisterwerk.

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