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Influencer Charlie Kirk am 10. September vor seinen Fans, wenige Stunden bevor er erschossen wurde Foto: imago, Montage: taz

Politik auf Social MediaDie Supermacht der Influencer

Der erschossene Podcaster Charlie Kirk war einer der engsten Trump-Vertrauten. Doch auch jenseits der USA gewinnen Social-Media-Stars an politischem Einfluss.

S echs Wochen nach der Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten verkündete einer seiner beliebtesten Fürsprecher auf einer Bühne in Phoenix noch einen weiteren Machtwechsel. „Leute, wir sind jetzt die Medien, nicht sie“, sagte der 31-jährige Podcaster Charlie Kirk kämpferisch vor Tausenden jungen Unterstützern. „Ihre Macht schwindet und zerfällt“, rief er auf dem Treffen der von ihm gegründeten rechtspopulistischen Jugendorganisation Turning Point USA. „Niemand liest ihr Zeug.“

Am 10. September wurde Kirk bei einem Debatten-Event an der Utah Valley University erschossen. Seine These vom Medienumsturz könnte sich posthum dennoch als wahr erweisen. Seit Jahren geht der globale Trend in dieselbe Richtung. Immer mehr Menschen – besonders Jüngere – beziehen ihre Nachrichten von Plattformen statt traditionell journalistischen Apps, Webseiten, Zeitungen und Sendern. Immer mehr nutzen dafür Videos. Doch vor allem wenden sich immer mehr auch auf Social Media nicht klassischen Medien zu, sondern meinungsstarken Personen mit eigenen Kanälen: Influencern.

Creator, wie sie sich selbst lieber nennen, sind die algorithmusoptimierten personifizierten Massenmedien der Stunde. Die ganz Großen der Branche ziehen mit Challenges (­MrBeast, 435 Millionen Youtube-Abonnenten), Comedy (Khaby Lame, 161 Millionen Tiktok-Follower) oder Tanzen (Charli D’Amelio, 156 Millionen Tiktok-Follower) so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass sie mehr Abonnenten haben als die meisten Nationen der Erde Einwohner.

Viele Social-Media-Superstars vermeiden Äußerungen über Politik, um weder Fans noch Werbekunden zu verprellen. Doch es gibt auch die anderen – politische Influencer wie Tucker Carlson, Ben Shapiro und Candace Owens. Polarisierende Positionen sind oft die Basis ihrer Geschäftsmodelle. Die Erfolgreichen stehen häufiger der republikanischen Partei näher als den Demokraten, kam bei einer US-Studie heraus. Fast zwei Drittel sind männlich.

Politischer Kommentator Ben Shapiro Foto: getty images

„Diese Crea­to­r verstehen es, Plattformlogiken gezielt zu bedienen“, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Paula Nitschke. „Sie wissen, wie man in algorithmisch strukturierten Öffentlichkeiten Aufmerksamkeit erzeugt.“ Im Vergleich zum klassischen Journalismus hätten sie einen „Authentizitätsvorteil“, sagt Nitschke, die ein Forschungsprojekt zu politischen Influencern an der Universität Augsburg leitet. „Während journalistische Inhalte häufig sachlich, kontrolliert und professionell vermittelt werden, setzen Crea­to­r auf Nähe, Emotionalität und persönliche Ansprache. Sie gewinnen so das Vertrauen ihrer Follower.“

Meistens keine Factchecks

Wie groß dieses Vertrauen ist, erzählte der Youtuber Felix von der Laden in einem Interview mit dem Spiegel: „Für manche Zuschauer bin ich wie ein enger Freund, den sie jeden Tag sehen.“ Sie schrieben ihm, wenn sie Probleme im Leben hätten. Die Wissenschaft nennt das „parasoziale Beziehung“. Der Begriff wurde 1956 von den Soziologen Donald Horton und Richard Wohl geprägt – damals für die einseitige Verbindung von Zuschauern zu Prominenten im Fernsehen. Influencer wirken vertrauter als TV-Stars. Sie geben mehr Privates preis, filmen sich eher ungestylt zu Hause und sprechen wie zu einem Freund.

Von dieser Vertrauensillusion profitieren auch Gäste ihrer Shows. Sie wirken menschlicher. Trump machte sich das im Wahlkampf zunutze und tingelte von einem ihm wohlgesinnten Podcaster zum nächsten. Sie lachten zusammen, tanzten und plauderten über Musik, Aliens und Kokain. Kritische Fragen musste er nicht fürchten. Die Gastgeber ignorierten journalistische Standards – wie so oft.

Eine von der Unesco beauftragte Studie kam 2024 zu dem Ergebnis, dass fast zwei Drittel der Creator Informationen nicht überprüfen, bevor sie sie teilen. Häufigster Indikator zur Beurteilung einer Quelle waren Likes und Aufrufe. Samuel Woolley, Kommunikationswissenschaftler an der University of Pittsburgh, sagt der taz: „Einige politische Influencer achten darauf, Nachrichten aus hochwertigen Quellen zu liefern, aber viele tun es nicht.“ Die meisten Influencer hätten mehr mit Prominenten oder Meinungsmachern gemeinsam als mit ausgebildeten Journalisten.

Rechtspopulistische Influencerin Candace Owens bei einer Turning-Point-Konferenz Foto: imago

Dem für Falschbehauptungen bekannten Trump kam das zugute. Er gewann, schrieb die New York Times, „unter anderem, weil er sich wieder einmal an die neuen Realitäten der Massenkommunikation angepasst hat“. Er habe traditionelle Gatekeeper umgangen und stattdessen auf Online-Prominente gesetzt. Der Reuters Digital News Report, eine renommierte Medienkonsumstudie, kommt zu einem ähnlichen Schluss. Trumps Erfolg sei „zumindest teilweise“ darauf zurückzuführen. Die Kommunikationsforscherin Paula Nitschke ist da zurückhaltender. Wie viele Trump aufgrund der Auftritte gewählt hätten, lasse sich „nicht verlässlich beziffern“. Im Weißen Haus setzt er seine Strategie jedenfalls fort. Rotierend holte er in den vergangenen Monaten Influencer in die offiziellen Pressekonferenzen und führte eigene Briefings für sie ein.

Der Creator mit der engsten Verbindung zu Trump war der christliche, nationalistische Kulturkämpfer Charlie Kirk. Während der ersten Amtszeit besuchte er das Weiße Haus nach eigenen Angaben mehr als 100-mal. Nach der Wiederwahl quartierte Kirk seine Familie gleich für zwei Monate nahe Trumps Anwesen Mar-a-Lago ein. Kirk gestaltete dessen Wahlkämpfe für Jüngere und Personalentscheidungen mit. Er führte seinen Freund J. D. Vance in dessen engsten Kreis ein und machte sich für ihn als Vizepräsidentschaftskandidaten stark. Selbst die schwerwiegendsten Lügen Trumps vertrat Kirk loyal, wie etwa die vom Wahlbetrug 2020.

„Wir sind jetzt die Medien“: Charlie Kirk Foto: imago

Dafür nutzte er seine enorme Reichweite. 29 Millionen Accounts folgten ihm vor seinem Tod auf Tiktok, Instagram, Facebook, X und Youtube. Nach der Tat wurden es sprunghaft mehr. Eine Woche nach seinem Tod waren es bereits mehr als 42 Millionen. Auch offline gelang es Kirk, eine immense Anhängerschaft zu mobilisieren. Möglich machte das seine Organisation Turning Point USA, die er zu Trumps Jugendverband formte.

Mithilfe reicher Spender baute Kirk landesweit Gruppen an High Schools und Hochschulen auf. Besonderen Zulauf hatten Kirks Debatten-Events „Prove Me Wrong“. Mitschnitte davon veröffentlichte er mit Titeln wie „Socialist Hippie Gets SLAPPED With Facts“. Streit und Grenzüberschreitungen werden auf Social Media algorithmisch begünstigt. Viele Videos wurden virale Hits. Turning Point baute seine Plattformmacht weiter aus. Die Initiative rekrutierte, schulte und vernetzte Hunderte rechtspopulistische Creators.

Trumps Wiederwahl im November vergangenen Jahres markierte den Durchbruch von Influencern wie Kirk. Das Magazin New Yorker nannte 2024 „das Jahr, in dem Creator die Macht übernahmen“. In den USA, wo Social Media entstand, ist dieser Wandel besonders ausgeprägt.

Plötzlich im EU-Parlament

Doch auch in anderen Ländern sind Online-Persönlichkeiten dabei, eine fragwürdige politische Supermacht zu werden. Darauf deutet zumindest der Weg eines Mannes in der EU hin. Er heißt Fidias Panayiotou, ist 25 Jahre alt und stammt aus Zypern. Der Youtuber kam zu Internetberühmtheit, als er sich die Aufgabe stellte, Tesla-Chef Elon Musk zu umarmen. Er wartete monatelang vor dessen Firmen – bis es ihm schließlich 2023 gelang. 2024 ersann Panayiotou einen neuen Stunt und kandidierte für das EU-Parlament. Über Politik wusste er nach eigenen Angaben nichts. Dann passierte, womit niemand gerechnet hatte. Panayiotou wurde gewählt. Nun ist er einer von 720 EU-Abgeordneten und hat über vier Millionen Social-Media-Follower.

Youtuber, Tiktoker, Abgeordneter im Europäischen Parlament: Fidias Panayiotou aus Zypern Foto: ap

Im Parlament fällt er vor allem als Verteidiger des Kremls auf. So stimmte Panayiotou nicht für eine Resolution, die Russland aufforderte, entführte Kinder wieder in die Ukraine zu bringen. Am Tag darauf, dem 80. Gedenktag des Sieges über NS-Deutschland, flog er nach Moskau und traf Duma-Präsident Wjatscheslaw Wolodin. Nach seiner Rückkehr behauptete er, die USA hätten Russlands Krieg gegen die Ukraine „gestartet“ und „provoziert“.

Followerzahlen wie Öffentlich-Rechtliche

Dass sich Macht verschiebt, spürten die Deutschen schon 2019. Vor der Europawahl kritisierte Youtuber Rezo in seiner Tirade „Die Zerstörung der CDU“ deren Sozial- und Klimapolitik. Die Partei reagierte unbeholfen. Bei der Wahl brach sie ein. Kanzlerin Merkel monierte, die CDU habe sich „nicht einfach mal drauf eingelassen“. Sie selbst hatte sich schon 2015 vom Youtuber Lefloid befragen lassen.

Die Deutschen waren also früh dran, bewahrten aber Skepsis. Einen Panayiotou oder Kirk gibt es hier noch nicht. In Deutschland konsumieren noch deutlich mehr erwachsene Internetnutzer ihre Nachrichten im Fernsehen als auf Plattformen. Hierzulande hält die Bevölkerung Creator eher für Quellen von Falschinformation als im globalen Schnitt.

Reichweitenstarke rechtspopulistische deutsche Influencer gibt es gleichwohl. Sieben Kanäle mit Hang zu Verschwörungserzählungen bringen es auf Youtube zusammen auf 4,45 Millionen Abonnenten. Sie heißen „KuchenTV“, „Aktien mit Kopf“, „Tim Kellner“, „Clownswelt“ „Ketzer der Neuzeit“, „Hoss & Hopf“ und „Vermietertagebuch“. Gemeinsam haben sie auf der Plattform rund so viele Follower wie die vier Accounts ARD, ZDF, Tagesschau und Heute Nachrichten zusammen.

Solche Zahlen versprechen hohe Werbeeinnahmen. Politische Anzeigen sind in Youtube-Clips, in Podcasts auf Spotify und Apple sowie in Videos und Audios auf Plattformen laut Medienanstalten allerdings verboten. In Posts mit starrem Text und Bild müssen sie gekennzeichnet werden, inklusive Auftraggeber. Bestimmte Influencer müssen journalistische Sorgfaltspflichten einhalten. Zuständig für die Kontrolle sind die Landesmedienanstalten – nicht jedoch bei den immer mehr deutschsprachigen Influencern mit Sitz im Ausland.

Die Gesetzeslage ist zudem im Umbruch. Die neue EU-Verordnung für Transparenz und Targeting politischer Werbung schreibt ab 10. Oktober zusätzliche Pflichten vor. Instagram, Facebook und Youtube wollen in der EU deshalb keine politischen Anzeigen mehr erlauben. Auf Tiktok sind sie bereits verboten. Politische Akteure dürften sich verstärkt organischen Inhalten zuwenden – auch denen der Creator.

Bereits im Bundestagswahlkampf klapperten Spitzenkandidaten deren Shows ab. Über ihren Umgang mit Influencern und Zahlungen möchten nicht alle Parteien sprechen. Die CDU bittet um Verständnis, dass sie Details ihrer Strategie nicht offenlegt. Die AfD antwortet gar nicht auf eine Anfrage. Die SPD teilt mit, dass sie Creator für Formate im Wahlkampf anspreche, Angebote erhalte und nicht zahle. Die Grünen sprechen von „guten Erfahrungen“ mit ihnen im Wahlkampf. „Leistungen“ gebe es nur im Einzelfall. Die Linke lädt Influencer zu Parteitagen ein. „Nahestehenden“ zahlt sie Fahrt und Unterkunft. Bei Youtubern wäre das laut Medienanstalten unzulässig.

Herzchen für Putin

Insbesondere repressive Regime wie Russland haben Creator zur Desinformation für sich entdeckt. Oft merken sie nicht, dass sie instrumentalisiert werden. Die US-Agentur Tenet Media etwa bezahlte sechs bekannte rechtspopulistische Influencer großzügig dafür, im Jahr der US-Präsidentschaftswahl Videos über Themen wie Einwanderung und Inflation zu produzieren. Millionen sahen sie. Ermittler fanden heraus: Finanziert und gesteuert wurden sie von Mitarbeitern des russischen Propagandasenders RT. Die Agenturgründer wussten offenbar, dass die Zahlungen über rund 10 Millionen Dollar aus Russland stammen, die Influencer nicht.

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Anders ist es bei Alexandra Jost alias „Sasha Meets Russia“ und „Sasha’s Russian Travels“. In vermeintlich unpolitischen Reisevideos präsentiert sie Russland als stets idyllisches, sicheres Paradies. Doch sie wirbt auch offen für die militärische Einnahme der Ukraine („Die Krim ist Russland und bald wird die ganze Ukraine es auch sein ♥“) und repostet Präsident Putins Drohung, wer etwas von seinem Land „abbeißen“ wolle, solle wissen, dass „wir“ ihnen „die Zähne ausschlagen“.

Recherchen zweier russischer Exil-Medien belegten: Jost wurde regelmäßig von TV Novosti bezahlt, der Mutterorganisation von RT. Die Novaya Gazeta Europe deckte das anhand ihrer Steuererklärung von 2023 auf. Das Investigativportal Istories gelangte an Dokumente, die zeigen sollen: Im dritten Quartal 2024 erhielt Jost 160.000 Rubel, rund 1.637 Euro, Gehalt monatlich. Seit März 2023 ist sie demnach bei RT angestellt.

Auf Youtube, Instagram und Tiktok folgten ihr insgesamt Hunderttausende. Nach und nach wurde sie 2024 und 2025 dort gesperrt. Jost startete neue Kanäle. Die taz entdeckte, dass es ihr noch gelang auf Youtube für Russland zu werben, als ihr großer Account dort schon gelöscht war – auf dem Profil eines populären deutschen Influencers.

Ende 2024 veröffentlichte der Youtuber Finn Wasser auf seinem Profil „Finn’s Fairytale“ ein bis heute 128.000-mal aufgerufenes Video mit Jost. Er habe sie „seit Jahren geschaut“ und in Moskau „zufällig auf der Straße getroffen“, sagt er darin. Sie bringt ihn in ein Café mit nostalgischer Sowjetunion-Deko. Dort darf sie Wassers Zuschauern weismachen, dass sie nicht über Politik gepostet habe. Von Youtube gesperrt worden sei sie unter anderem, weil vor den US-Wahlen nicht gewollt gewesen sei, „dass Russland in den USA in so einem positiven Licht gesehen wird“. Sie kenne viele Amerikaner in Russland und „sie alle lieben es“. Sie schätze die US-Musikszene, aber wolle nur hier leben. Jost schwärmt vom Frauenbild und der Familienorientierung Russlands. Wasser rät, ihrem Account zu folgen.

Auf Anfrage teilt Wasser mit, er erfahre erst durch die taz von Josts Tätigkeit für russische Staatsmedien. Auch politische Äußerungen von ihr über die Ukraine und Krim seien ihm zum Zeitpunkt ihres Treffens „nicht bekannt“ und ihr Gespräch „rein persönlicher Natur und ohne politischen Bezug“ gewesen. Eine erneute Zusammenarbeit mit ihr „würde ich künftig ausschließen“. Er lege in seinen Videos Wert auf „das Menschliche und Völkerverständigende“. Er finanziere diese durch Werbung und habe „noch nie Geld von irgendwelchen Stellen bekommen“.

Viele radikalisieren sich

Der Fall veranschaulicht, wie anfällig das Ökosystem der Influencer für PR von Autokratien ist. Pauschalurteile über die laut Schätzungen weltweit Dutzenden Millionen Creator sind dennoch unangebracht. Viele halten auf den Plattformen mit sauber recherchierten, nuancierten und demokratischen Werten verpflichteten Inhalten dagegen – und erreichen jene, zu denen traditionelle Medien immer weniger durchdringen.

Einer von denen, die dagegenhalten, ist Philipp Klöckner. Er wuchs in Greifswald auf und arbeitete sich in Onlinefirmen wie dem Vergleichsportal Idealo hoch. Zu Wohlstand kam er, indem er sich für seine Arbeit für Start-ups in Anteilen bezahlen ließ. Heute berät er Unternehmen, ist IT-Investor und Co-Host des Podcasts „Doppelgänger Tech Talk“. Bei Apple steht dieser unter den Top 200 in Deutschland. Klöckner blickt mit Sorge auf einige Entwicklungen in der Szene.

„Menschen vertrauen Influencern dabei, die Realität für sie einzuordnen“, sagt Klöckner im Videocall aus seinem Wohnzimmer in Berlin. „Aber es gibt ja nie Widerrede in dem Format. Das macht es gefährlich.“ Creator seien oft sehr begabt darin, Dinge darzustellen, als seien sie schlüssig. „Wenn das Verschwörungstheorien sind, ist das natürlich höchst problematisch“, sagt er. Mit einer moderaten Konsensmeinung erfolgreich zu werden, sei in der algorithmusgetriebenen Aufmerksamkeitsökonomie aber schwierig. „Provokante, polarisierende und furchtbare Sachen bringen mehr Feedback, Engagement und Reichweite als moderate.“ Dadurch komme es zu einer Selbstradikalisierung der Influencer. „Die sehen, dass steile Thesen und eigentlich unsagbare Sachen am meisten Aufmerksamkeit bekommen.“

Podcaster und UFC-Kommentator Joe Rogan Foto: imago

Um im Wettstreit um Aufmerksamkeit bessere Chancen zu haben, halten einige US-Demokraten ein liberales Pendant zu Podcast-Star Joe Rogan für notwendig. Klöckner stimmt dem „100 Prozent“ zu. „Man kann denen dieses Feld nicht überlassen“, sagt er. Er plädiert dafür, dem auf den Plattformen mit wahrheitsgetreuen und unterhaltsamen Inhalten entgegenzuwirken, um Unentschiedene zu erreichen. Das könne pointiert, provokant und an die Algorithmen angepasst sein, ohne populistisch zu sein und die eigenen Werte zu verkaufen.

An dieser Gratwanderung versuchen sich in den USA gerade einige. Einer ist Brian Tyler Cohen. Er ist einer der bekanntesten Influencer, die den Demokraten nahestehen, und Mitgründer von Chorus. Die Organisation soll liberale Creator unterstützen. Ein anderer ist Gavin Newsom, kalifornischer Gouverneur und möglicher demokratischer Präsidentschaftskandidat für 2028.

Dieser parodiert Posts des Präsidenten, startete einen neuen Podcast und lädt Trump-Unterstützer ein. Sein erster Gast war im März Charlie Kirk. Wie anziehend dieser auf Jugendliche wirkte, konnte Newsom dabei selbst erleben. Sein 13-jähriger Sohn habe sich morgens geweigert, zur Schule zu gehen, erzählte der Gouverneur im Podcast. Er habe Kirk bei der Aufnahme des Gesprächs unbedingt kennenlernen wollen.

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