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Rückschlag für die EnergiewendeTrickserei beim Terawatt

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Katherina Reiche bremst die Erneuerbaren aus, indem sie mit weniger jährlichem Bedarf an Strom rechnet. Diese Pfuscherei hat gravierende Folgen.

Katherina Reiche: moderat im Ton und hart in der Sache. Sie bremst den Ausbau der erneuerbaren Energie Foto: Kay Nietfeld/dpa

D ie Bundesregierung legt für die Energiewende den Rückwärtsgang ein – und es heuchle niemand der heute Verantwortlichen in einigen Jahren, die desaströsen Folgen habe er oder sie nicht voraussehen können. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat bei der Vorstellung eines Gutachtens zum Stand der Energiewende ihre Pläne für angeblich nötige „Kurskorrekturen“ vorgestellt.

Die Christdemokratin gibt sich moderat, aber tatsächlich holzt sie brutal. Am Ziel, dass bis 2030 rund 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren stammen soll, hält sie formal fest. Aber sie ändert die Berechnungsgrundlage. Statt von einem jährlichen Bedarf von 750 Terawattstunden geht sie von 600 oder etwas mehr aus. Das hat drastische Konsequenzen.

Schätzungen aus der Energiebranche zufolge geht damit der zurzeit vorgesehene Ausbau der Erneuerbaren um bis zu 25 Prozent zurück. Das heißt: Viele Milliarden Euro werden nicht investiert, weil Geldgeber sich andere Projekte suchen; wichtige Wachstumsimpulse gerade in strukturschwachen Regionen bleiben aus. Die Kapazitäten, die bis 2030 nicht gebaut werden, fehlen in den Jahren danach.

Die Strompreise werden nicht sinken, sondern steigen. Reiche will angeblich am Ziel „Klimaneutralität bis 2045“ festhalten. Doch sie gefährdet das, weil sie stark auf fossiles Gas setzt. Die Förderung der Erneuerbaren will sie so weit wie möglich herunterfahren.

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Das ist nicht nur klimapolitisch ein Irrweg. Frappierend ist, wie wenig die Ministerin aus den Fehlern der Vergangenheit lernt. Frühere CDU-geführte Regierungen haben Deutschland von russischem Gas abhängig gemacht. Die Entwöhnung nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine war sehr teuer, bis heute hat sich die deutsche Wirtschaft von den Preisschocks nicht erholt. Der massive Ausbau der erneuerbaren Energien war und bleibt die richtige Antwort darauf.

Doch Reiche und Kanzler Friedrich Merz, der seiner Ministerin den Rücken stärkt, stellen das infrage. Ihre ganze Rhetorik ist darauf ausgerichtet, die Energiewende als zu teuer und zu unsicher in Grund und Boden zu reden. Das ist falsch, die Energiewende ist eine Erfolgsgeschichte.

Das sagt auch das von Reiche selbst in Auftrag gegebene Gutachten. Trotzdem spannen Reiche und Merz einen diskursiven Rahmen, in dem das Ausbremsen des Ausbaus als notwendig erscheinen soll – und das Festhalten an Gas als richtig. So wird die einstige Abhängigkeit von russischem Gas durch die von US-amerikanischem Frackinggas ersetzt. Das gäbe US-Präsident Donald Trump weiteres Erpressungspotenzial in die Hand.

Reiche kann ihre Pläne nur mit vielen Gesetzesnovellen umsetzen. Das Parlament könnte die Demolierung der Energiewende also noch aufhalten. In der CDU gibt es durchaus versierte Fachleute, die genau wissen, wie fatal Reiches Vorhaben ist. Sie müssten sich nur endlich Gehör verschaffen. Das gilt erst recht für die SPD. Will Klimaminister Carsten Schneider (SPD) ernst genommen werden, muss er Reiche Paroli bieten. Doch danach sieht es leider nicht aus.

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Anja Krüger
Parlamentskorrespondentin
Schwerpunkte Wirtschaft- und Energiepolitik
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