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Triumpf für Erdoğan-GegnerCHP-Chef Özel klar im Amt bestätigt

In der Türkei entkräftet die oppositionelle CHP den Vorwurf, ihr Vorsitzender sei nur durch Stimmenkauf im Amt, durch dessen erneute eindeutige Wahl.

Özgur Özel spricht am Sonntag auf dem Sonderparteitag der oppositionellen CHP in der Hauptstadt Ankara Foto: Cagla Gurdogan/Reuters

Istanbul taz | Der von der türkischen Justiz verfolgte Vorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, Özgür Özel, wurde am Sonntag auf einem Sonderparteitag in Ankara mit großer Mehrheit im Amt bestätigt. Es war ein Triumph für Özel. Am Sonntagnachmittag wurde er im Nazim-Hikmet-Kulturzentrum mit allen abgegebenen gültigen Stimmen als Parteichef bestätigt. Bei 917 Delegierten gab es 82 ungültige Stimmen.

Die CHP hatte ihren Sonderparteitag einberufen, weil die Staatsanwaltschaft auf Weisung der Regierung die Rechtmäßigkeit einer früheren Wahl Özels vor Gericht anficht. Danach soll er bei dem Parteitag im November 2023, an dem er den alten Parteichef Kemal Kılıçdaroğlu ablöste, angeblich Delegiertenstimmen gekauft haben.

Dieses Gerichtsverfahren läuft noch und soll am 24. Oktober entschieden werden. Mit seiner erneuten Wahl ist aus Sicht der CHP das anhängige Gerichtsverfahren gegenstandslos. Selbst wenn das Gericht wider alle Evidenz entscheiden sollte, dass Özel 2023 durch Stimmenkauf an die Macht gekommen ist, wurde er ja nun eindrucksvoll als Parteichef bestätigt.

Der Hintergrund dieser ganzen juristischen Scharmützel ist der Versuch der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, eine Oppositionspartei auszuschalten, die ihm sehr gefährlich geworden ist. Seit Özel gemeinsam mit dem Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoğlu die Partei führt, wurde durch eine Neuorganisation und vor allem einem neuen Spirit aus einer verschlafenen Beamtentruppe eine dynamische Oppositionspartei.

Erdoğan instrumentalisiert die Justiz gegen die Opposition

İmamoğlu als neuer Präsidentschaftskandidat der Partei zog in den Meinungsumfragen deutlich an Erdogan vorbei und die CHP gewann bei den Kommunalwahlen im März 2024 landesweit fast 10 Prozent mehr Stimmen als die AKP und deshalb auch fast alle wichtigen Städte des Landes. Für Erdoğan ein Alarmzeichen, zumal auch im März 2025 die guten Zahlen für İmamoğlu und die CHP in den Meinungsumfragen weiterhin Bestand hatten.

Erdoğan befürchtete, die CHP bei den nächsten Wahlen nicht mehr schlagen zu können und beschloss, die Partei durch die Justiz auszuschalten zu lassen. Zunächst wurde İmamoğlu im März 2025 verhaftet und seines Amtes enthoben. Mit İmamoğlu ließ Erdogan hunderte Mitarbeiter der Istanbuler Stadtverwaltung verhaften, alle wegen angeblicher Korruption innerhalb der Kommune.

Es folgten weitere Verhaftungen von Bürgermeistern der CHP. Mehrere Bezirksbürgermeister in Istanbul, aber auch die Bürgermeister der Millionenstädte Adana, Antalya und Izmir wurde unter demselben Vorwand verhaftet und ihres Amtes enthoben: angebliche Korruption.

İmamoğlu läßt sich aber nicht einschüchtern und für Özel gilt das auch. Seit März koordiniert er eine erfolgreiche Solidaritätskampagne für İmamoğlu. Die Umfragewerte für İmamoğlu, Özel und die CHP sind heute noch besser als vor der Justizkampagne. Mehr als 75 Prozent der türkischen WählerInnen halten die Vorwürfe gegen İmamoğlu für konstruiert.

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