piwik no script img

Neuer Rekordwert bei KernenergieMehr Atomstrom wegen China

Während weltweit die Atomstromproduktion stagniert, legt sie in China zu. Doch auch dort kann Kernenergie mit den Erneuerbaren nicht mehr mithalten.

Bau am Block 4 des Kernkraftwerks Haiyang, China, am 6. September 2025 Foto: CFOTO/picture alliance
Bernward Janzing
Von Bernward Janzing aus Freiburg

Im vergangenen Jahr wurde weltweit mehr Atomstrom erzeugt als je zuvor – wenn auch nur knapp: In 408 Reaktoren wurden 2.677 Terawattstunden (TWh = Milliarden Kilowattstunden) produziert, nach einem bisherigen Spitzenwert von 2.663 TWh im Jahr 2006. Allerdings resultiert der neue Rekordwert alleine aus der Aktivität Chinas. Im Rest der Welt stagniert die Atomstromerzeugung in der Summe seit mehr als zehn Jahren.

Diese Zahlen entstammen dem World Nuclear Industry Status Report 2025 (WNISR), den der Branchenanalyst Mycle Schneider am Montag zusammen mit seinem globalen Team in Rom vorstellte. Auftraggeber waren unter anderen die Heinrich-Böll-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung und das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung.

Obwohl China seine nukleare Stromerzeugung im Jahr 2024 auf 418 TWh steigerte, ging der Anteil der Atomkraft an der Stromproduktion des Landes leicht zurück – von 4,9 Prozent im Vorjahr auf 4,7 Prozent im Jahr 2024. Denn die Erzeugung von Solarstrom stieg zugleich um 44 Prozent, während die Reaktoren nur um 3,7 Prozent zulegten. Solar- und Windkraft zusammen produzieren in China heute mehr als viermal so viel Strom wie die Atomkraft.

Auch weltweit sinkt der Anteil der Nuklearenergie am Strommix stetig: Nach seinem historischen Höchststand von 17,5 Prozent im Jahr 1996 ist der Wert inzwischen auf 9 Prozent gesunken. 31 Länder weltweit hatten Mitte 2025 Kernreaktoren in Betrieb. Das war ein Land weniger als im Jahr zuvor, nachdem Taiwan im Mai sein letztes Atomkraftwerk abschaltete.

63 neue AKW-Projekte

Im Jahr 2024 wurde mit dem Bau von neun Blöcken begonnen, davon sechs in China, je einer in Russland, in Pakistan und in Ägypten. Weltweit gibt es aktuell 63 Neubauprojekte. 60 dieser Blöcke werden entweder in Atomwaffenstaaten gebaut oder von Unternehmen errichtet, die von entsprechenden Staaten (China und Russland) kontrolliert werden.

Die durchschnittliche Bauzeit der neu in Betrieb genommenen Reaktoren lag in den letzten zehn Jahren bei 9,4 Jahren. Der Europäische Druckwasserreaktor EPR im französischen Flamanville, der im Dezember 2024 nach 17 Jahren Bau in Betrieb genommen wurde, brauchte zwölf Jahre länger als geplant. Die Kosten des Projekts beliefen sich auf 25,6 Milliarden US-Dollar – „eine erstaunliche Versechsfachung der ursprünglichen Schätzung von 4,3 Milliarden US-Dollar“, wie es im Report heißt.

Die zuletzt oft zitierten kleinen modularen Reaktoren (SMRs) dümpeln derweil vor sich hin. In der westlichen Welt gebe es noch keine konkreten Bauvorhaben, so der WNSIR. Zwei der größten europäischen Atom-Startups steckten zugleich in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten, nämlich die Firma Newcleo und die inzwischen insolvente Firma Naarea.

Erneuerbare in EU wichtiger als Kernkraft

Derweil boomen die Erneuerbaren weltweit. 2024 erreichten die Investitionen in erneuerbare Stromkapazitäten (ohne die Wasserkraft) einen Rekord von 728 Milliarden US-Dollar – das 21-fache der Investitionen in die Kernenergie. In der EU erzeugen Wind- und Solarenergie 28 Prozent des Stroms und damit mehr als die Atomenergie mit 23 Prozent.

In diesem Umfeld habe die Atomkraft „Schwierigkeiten, zu überleben“, so der WNISR – weil das künftig hochflexible Stromsystem „mit einer dezentralen Steuerungslogik die traditionellen zentralisierten fossilen und nuklearen Systeme verdrängt“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • '"In diesem Umfeld habe die Atomkraft „Schwierigkeiten, zu überleben“, so der WNISR (...)'

    Der WNISR wird von einem aktivistischen Atomkraftgegner geschrieben, davon kann man vorsichtig Daten entnehmen, aber keine neutrale Bewertung.

    Auch in China scheint nachts keine Sonne, der Wind weht wann er will, und nennenswerte Speicher sind nicht in Aussicht. Der Ausbau der chinesischen Photovoltaik geht Hand in Hand mit dem beschleunigten Neubau von Kohlekraftwerken.