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Gutachten zur WehrpflichtEin Gesetz ist Pflicht

Die Wiedereinführung der Wehrpflicht geht nur per Gesetz, sagt ein Gutachten im Auftrag von Greenpeace. Eine Rechtsverordnung der Regierung reicht nicht.

Koblenz im Mai 1957: Die ersten deutschen Wehrpflichtigen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden verpflichtet Foto: Kurt Rohwedder/dpa

Die Wiedereinführung der Wehrpflicht durch die Bundesregierung wäre verfassungswidrig. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Rechtsanwalts David Werdermann im Auftrag von Greenpeace. Erforderlich wäre die Wiedereinführung per Gesetz, so Anwalt Werdermann.

Die Bundesregierung hat Ende August im Kabinett eine Neuausrichtung des Wehrpflichtgesetzes auf den Weg gebracht. Zunächst müssen junge Männer nur einen Fragebogen ausfüllen. Ab 2027 ist dann eine obligatorische Musterung auf körperliche Tauglichkeit vorgesehen. Ziel ist, dass mehr junge Männer freiwillig Wehrdienst leisten.

Allerdings sieht ein neuer Paragraf 2a des Gesetzes auch die Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht vor, sollte die „verteidigungspolitische Lage einen schnellen Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordern“. Die Bundesregierung soll die Reaktivierung der Wehrpflicht dann per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestags beschließen, eine neue Änderung des Gesetzes wäre nicht erforderlich.

Studie sieht keinen Grund zur Eile

Werdermann hält dies jedoch für verfassungswidrig, weil alle wesentlichen Entscheidungen im Staat per Gesetz zu treffen sind. Er beruft sich dabei auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Wesentlichkeitstheorie. Zu den wesentlichen Entscheidungen zähle auch die Reaktivierung der Wehrpflicht, weil sie massiv in die Grundrechte der Betroffenen eingreift. Eine Eilbedürftigkeit sieht Werdermann nicht, da eine Ausweitung der Soldatenzahl schon aus organisatorischen Gründen nicht kurzfristig möglich sei. Für ein normales Gesetzgebungsverfahren wäre also genügend Zeit.

Selbst wenn eine Delegation auf die Bundesregierung möglich wäre, müsste die Verordnungsermächtigung jedoch präziser sein als im Gesetzentwurf geplant. Der Verweis auf zwingende Erfordernisse der „verteidigungspolitischen Lage“ sei zu vage.

Werdermann geht davon aus, dass auch bei veränderter verteidigungspolitischer Lage nur ein kleiner Teil der Wehrpflichtigen eingezogen würde. Eine allgemeine Wehrpflicht, die nur die „fittesten und motiviertesten“ Männer trifft, wäre nur nach einer Grundgesetzänderung möglich. Zudem müsse sichergestellt werden, dass für Kriegsdienstverweigerer die Wahrscheinlichkeit, Dienst leisten zu müssen, nicht deutlich höher ist als bei Nichtverweigerern.

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2 Kommentare

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  • "Die Bundesregierung soll die Reaktivierung der Wehrpflicht dann per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestags beschließen" bzw. ein Gesetz ist erforderlich. Für mich ist das "gehupft wie gesprungen. In beiden Varianten muss, wen ich das richtig lese, der Bundestag zustimmen.



    2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt.



    Unglaublich, wenn man bedenkt, dass Putin 2004 zum Präsidenten gewählt worden war und in den Folgejahren die totale Säuberung des russischen politischen Raumes begann, wonach es in Russland alsbald nur noch einen Politiker gab - nämlich Putin und seine Geheimdienstler.



    Was dann kam, wissen wir alle!

  • Schön und gut. Der Vereinszweck von Greenpeace Deutschland sind die „Förderung des Umwelt- und Tierschutzes sowie des Friedens durch Bewusstseinsbildung für globale Umweltprobleme und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“. Ziemlich weit hergeholt, nun ein Rechtsgutachten zur bundesdeutschen Wehrpflicht einzuholen und zu verbreiten. Bei aller Sympathie für die Anti-AKW-, Anti-Gas/Öl- und Walschutz-Aktionen – nicht jede NGO muss um des Bekanntheitsgrads Willen in jedes politische Handlungsfeld hüpfen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit behalten möchte.