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AfD unterliegt bei BürgermeisterwahlenKeine braune Welle in Brandenburg

Vor allem parteilose Kandidaten triumphieren bei den Bürgermeisterwahlen in Brandenburg. Die Rechtsextremen bleiben deutlich unter ihren Erwartungen.

In der Landeshauptstadt von Brandenburg lag die Wahlbeteiligung bei 55,5 Prozent Foto: Martin Müller/imago
Gareth Joswig
Von Gareth Joswig aus Berlin

Statt der lang von der extrem rechten AfD angekündigten „Blauen Welle“ gab es eher zum Herbstwetter passende braune Pfützen: Nach dem unterdurchschnittlichen Abschneiden der AfD bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen haben die Rechtsextremen erneut Bürgermeisterwahlen verloren – diesmal in Brandenburg.

In Potsdam kommt es nach dem ersten Wahlgang zur Stichwahl zwischen der parteilosen Noosha Aubel (34 Prozent) und dem SPD-Politiker Severin Fischer (16,9) – der AfD-Kandidat landete abgeschlagen auf dem fünften Platz mit 13 Prozent hinter CDU (16,5) und Linke (16). In der wirtschaftlich prosperierenden Landeshauptstadt von Brandenburg waren 143.000 Menschen wahlberechtigt, die Wahlbeteiligung lag bei 55,5 Prozent.

Aber auch im wirtschaftlich gebeutelten Frankfurt (Oder) lag für viele überraschend der parteilose Einzelbewerber Axel Strasser mit 32,4 Prozent vor der AfD mit Wilko Möller, die mit 30,2 Prozent hier allerdings in die Stichwahl einzieht. Bemerkenswert: Der parteilose Politikwissenschaftler Strasser hatte sich zuvor politisch nicht hervorgetan, war Referent der lokalen IHK. Drittplatzierte wurde die CDU-Kandidatin Désirée Schrade mit 28,8 Prozent – sie wurde bei der Wahl vom beliebten Ex-Bürgermeister René Wilke (parteilos, für die Linke gewählt) unterstützt, der mittlerweile Brandenburgs Innenminister ist.

Die extrem rechte AfD hatte sich nach dem Abtritt von Wilke besonders viele Chancen ausgerechnet und gab sich nach der Abstimmung zerknirscht, der Stimmauszählung im Rathaus war sie ferngeblieben. In Frankfurt sind rund 46.000 Menschen wahlberechtigt, die Wahlbeteiligung lag bei 53,4 Prozent.

Hauptsache Opfer

In den beiden kleineren Kommunen Velten und Glienicke/Nordbahn (je rund 10.000 Einwohner) schaffte es ebenfalls kein AfD-Kandidat in die Stichwahl. In Velten machen Marcel Siegert vom Bürgerbündnis Pro Velten und die wiederum parteilose Manuela Nebel die Stichwahl unter sich aus. In Glienicke/Nordbahn gehen Kandidaten von CDU und SPD in die Stichwahl. Die Rechtsextremen blieben in beiden Orten trotz teils prominenter Wahlkampfhilfe deutlich unter ihren Erwartungen jeweils auf dem dritten Platz.

Der Historiker und Ostdeutschland-Experte Ilko Sascha-Kowalczuk fasste es auf Bluesky so zusammen: „Offenbar trauen viele Wäh­le­r*in­nen den AfD-Kandidaten keine sachgerechte Kommunalpolitik zu, weil die Fragen, für die die AfD sich zuständig fühlt, nicht auf kommunaler Ebene entschieden werden.“ Ebenso zeige sich, dass häufig Kan­di­da­t*in­nen gewinnen, die entweder parteilos sind oder aber von mehreren Parteien gegen die Rechtsextremen unterstützt werden. Das helfe kurzfristig gegen Wahlerfolge der AfD – gleichzeitig werde das mittel- und langfristig nicht helfen – schon gar nicht auf Landes- und Bundesebene.

Die Devise der AfD lautete nach dem für sie gebrauchten Wahlabend Hauptsache Opfer: René Springer, Vorsitzender des völkisch-nationalistisch dominierten AfD-Landesverbands, hatte sich mehr erhofft und witterte angesichts der Niederlagen natürlich gleich die große Verschwörung: Es habe sich eine erstaunliche Diskrepanz zwischen Briefwahl und Urnenwahl gezeigt – „und immer deutlich zum Nachteil der AfD“, raunte Springer in einer Mitteilung am Sonntagabend. Es ist die alte AfD-Legende vom angeblichen Wahlbetrug – erst ruft die Partei ihre Wäh­le­r*in­nen jahrelang dazu auf, keine Briefwahl zu machen, dann spinnt sie Verschwörungungserzählungen darüber, dass sie so wenig Briefwahlstimmen hat.

Niederlagen auch in Nauen und Wriezen

Bereits am Sonntag zuvor war die extrem rechte AfD in Nauen mit einem Stadtverordneten, der eine Neonazi-Geschichte hat, mit 15,9 Prozent der Stimmen als Drittplatzierte gescheitert. Hier machen wiederum zwei Kandidaten von einer Kleinpartei bzw. einem Bürgerbündnis die Stichwahl unter sich aus. Und auch im kleinen Wriezen (Wahlberechtigte: 6.000) hatte die CDU den ersten Wahlgang mit 48,8 Prozent vor der zweitplatzierten AfD mit 27 Prozent gewonnen – hier steht allerdings noch die Stichwahl bevor.

In Brandenburg wählen noch fast 30 Städte bis zum Ende des Jahres neue Bür­ger­meis­te­r*in­nen. Nächsten Sonntag wählen unter anderem Oranienburg, Luckenwalde, Rheinsberg und Eisenhüttenstadt. Am 12. Oktober finden die ersten Stichwahlen statt, darunter in Potsdam und Frankfurt (Oder).

Auch wenn die AfD gerne anderes erzählt und versucht, einen Nimbus der Unbesiegbarkeit vor allem im Osten zu beschwören: Die von den Rechtsextremen angestrebte flächendeckende Übernahme der Rathäuser scheitert immer wieder, und das auch in vermeintlichen AfD-Hochburgen.

Wirklich gewinnen konnten die Rechtsextremen bisher im Jahr 2023 das Landratsamt im Thüringischen Sonneberg (50.000 Einwohner), die Bürgermeisterwahl in sachsen-anhaltischen Raguhn-Jeßnitz (8.700 Einwohner) sowie im sächsischen Pirna (40.000 Einwohner), wo wiederum ein parteiloser Kandidat die OB-Wahl auf dem AfD-Ticket gewonnen hatte.

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3 Kommentare

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  • Keine braune Welle in Brandenburg - aber im Schlaatz 03



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    Der Schlaatz ist ein Stadtteil in Potsdam mit knapp 10.000 Einwohnern (2022), der sich durch eine hohe Konzentration an Kindern und Jugendlichen, viele Single-Haushalte sowie eine bedeutende Anzahl einkommensschwacher und ARMUTSGEFÄHRDETER Haushalte auszeichnet.

    Allerdings hat sich der Stadtteil durch umfassende Sanierungen des Mietwohnungsbestandes und durch ein Entwicklungskonzept verbessert, welches die Lebensqualität auch durch eine verbesserte Infrastruktur und Grünflächen steigert.

    Die braune Welle in Potsdam fand einzig und allein im Schlaatz 03 statt: AgD 32,3%, SPD 17,1% , Linke 18,07%, CDU 9 % und



    Aubel 20,3% -- in allen anderen Stimmbezirken (besonders in den Randbezirken) ist der Anteil der AgD Stimmen vernachlässigbar.

    Konzentriert auf ein Stadtteil findet im Schlaatz das Kuriosum statt



    das Armut braun wählt - trotzdem die AgD, wenn sie gewählt werden würde, soziale Ausgaben streichen und den Bürgergeldbeziehern im Schlaatz das Leben noch sehr viel schwerer machen würde.

    Antworten auf diesen Widerspruch gibt es keine - wobei sich der Schlaatz sehr gut für eine Sozialstudie eignen würde.

  • Kann man wirklich von einem "unterdurchschnittlichen Abschneiden der AfD bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen" reden, wenn die ihre Stimmen verdreifacht haben - oder habe ich da etwas nicht verstanden?



    Nun gut, das alte Übel (SPD, CDU, FDP) will man nicht mehr wählen - das noch größere Übel dann aber doch auch nicht. Bleibt also nur der Ausweg "parteilose Kandidaten". Für die Kommunalwahlen lass ich's denen noch durchgehen!



    Was mich immer wieder erschreckt, ist die doch sehr niedrige Wahlbeteiligung - etwas mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten macht von ihrem Recht Gebrauch. Und danach geht wieder das Klagen und Jammern los.

  • Sehr gut!!! Vielen, vielen Dank an die Wähler*innen in Brandenburg, die sich von den Faschisten nicht haben einwickeln lassen. Danke!!!