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Anerkennung PalästinasBundesregierung an der Seitenlinie

Karim El-Gawhary
Kommentar von Karim El-Gawhary

Das Kalkül Israels ist klar: Es will mit seiner Siedlungspolitik dafür sorgen, dass es nichts mehr anzuerkennen gibt. Und Deutschland schaut zu.

Merz und Wadephul haben gut lachen. Sie bleiben an der Seitenlinie wenn der faktisch existierende Staat Palästina zersiedelt wird Foto: Ralf Hirschberger/Pool/reuters

F ür die Palästinenser ist die Anerkennung ihres nicht existenten Staats durch 80 Prozent aller UN-Mitgliedstaaten vor allem eines: ein wichtiger Schritt, der ihr Recht auf Selbstbestimmung und einen eigenen Staat bestätigt und der immer mehr internationale Legitimität erhält. Aber sie wissen natürlich auch, dass das praktisch zunächst keine Folgen hat. Die israelische Offensive in Gaza und die Vertreibung der Menschen geht weiter, ebenso wie der Siedlungsbau und die Landnahme im Westjordanland. Daher rufen die Palästinenser auch zu Sank­tio­nen gegen Israel auf.

Die Bundesregierung möchte indes noch nicht einmal den symbolischen Schritt einer Anerkennung vollziehen. Erst müsse es Verhandlungen geben, bevor sie einen palästinensischen Staat anerkennt, argumentiert sie. Von welchen Verhandlungen wird aber gesprochen? Indem sie sich nicht der Mehrheit der EU-Staaten bei der Anerkennung anschließt, verkommt das Bekenntnis Deutschlands zur Zweistaatenlösung zum Lippenbekenntnis.

Man will politisch nichts investieren, um den Status quo und eine Weiterführung der israelischen Besatzung ernsthaft zu verändern – einer Besatzung, von der der Internationale Gerichtshof in einem Gutachten im vergangenen Jahr klar erklärt hat, dass sie nach internationalem Recht illegal ist.

So bleibt Deutschland an der Seitenlinie und beobachtet den Wettlauf zwischen der wachsenden internationalen Legitimität eines Palästinenserstaats und der israelischen Regierung, die Fakten dagegen schafft. Im Moment werden die Palästinenser aus dem Norden des Gazastreifens in den Süden zur späteren „freiwilligen Ausreise“ getrieben. Im Westjordanland hat sich die Zahl der israelischen Siedler in den letzten drei Jahrzehnten mehr als verdreifacht, und der Siedlungsbau geht weiter.

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Das alles sind Sargnägel für eine Zweistaatenlösung. Die Strategie der israelischen Regierung ist klar: Wenn immer mehr Länder einen palästinensischen Staat anerkennen, dann muss sie einfach dafür sorgen, dass es nichts mehr anzuerkennen gibt. Deutschland wartet so lange ab.

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Karim El-Gawhary
Auslandskorrespondent Ägypten
Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)
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